NS-Dokumentationszentrum: Polizei erforscht Rolle zur NS-Zeit

Maxvorstadt · »Dunkelstes Kapitel«

Die Rolle der Münchner Polizei unter dem Hakenkreuz (rechts das Präsidium in der Ettstraße) erforschen Polizeibeamte und Historiker: Dr. Irmtrud Wojak und Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer stellten die Kooperation vor.	Fotos: ms, Stadtarchiv

Die Rolle der Münchner Polizei unter dem Hakenkreuz (rechts das Präsidium in der Ettstraße) erforschen Polizeibeamte und Historiker: Dr. Irmtrud Wojak und Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer stellten die Kooperation vor. Fotos: ms, Stadtarchiv

Maxvorstadt · Ein »offener und lebendiger Ort des Lernens, der Information, der Erinnerung und der kritischen Auseinandersetzung«, das ist das erklärte Ziel des NS-Dokumentationszentrums, das 2013 in der Brienner Straße 45 eröffnen wird. Seinen Beitrag zu diesem Anspruch leistet nun auch das Polizeipräsidium München.

Auch wenn das Resultat durchwegs unangenehm ausfallen wird: Wie Münchner Polizeibeamte »widerstandslose Handlanger der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft« wurden, so Polizeipräsident Prof. Dr. Wilhelm Schmidbauer, das erforschen zur Zeit drei Wissenschaftler des NS-Dokumentationszentrums und zwölf seiner Beamten – »ehrenamtlich, in ihrer Freizeit und aus freien Stücken«. Die Geschichte der Münchner Polizei und der Gestapo im »Dritten Reich«, wie sich die nationalsozialistische Ideologie im gesamten Polizeiapparat ausbreitete und die Beamten aktiv die Rassen- und Verfolgungspolitik unterstützten, aber auch davor und danach – »das ist ein schwieriges und das wohl dunkelste Kapitel der Münchner Polizeigeschichte«, wie Dr. Irmtrud Wojak, Gründungsdirektorin des NS-Dokumentationszentrums, am Montag, 11. Oktober, bei der Präsentation der Zusammenarbeit erklärte. Die Ergebnisse werden »Betroffenheit und Emotionen auslösen«, ist sich Wojak sicher. Sie werden in die Konzeption des NS-Dokumentationszentrums und in die Dauerausstellung einfließen, die Münchner Polizei plant zudem eine eigene Ausstellung zur Geschichte der Münchner Polizei im NS-Staat.

Bereits seit 2007 gibt es im Polizeipräsidium München eine interne Arbeitsgruppe, die sich mit der eigenen Geschichte beschäftigt. Wojak hörte 2009 davon und so entstand die Kooperation. Erste Ergebnisse werden der Öffentlichkeit am 9. November zum Jahrestag des Novemberpogroms präsentiert. Dabei steht die Rolle der Münchner Polizei bei den Ereignissen der Reichskristallnacht 1938 im Vordergrund. »Neuere Erkenntnisse haben ergeben, dass die Münchner Polizei ein zentrales und unverzichtbares Instrument im Rahmen der nationalsozialistischen Herrschaftspolitik war«, erklärt Wojak. Polizisten waren nicht nur Zuträger der Gestapo, sondern aktiv beteiligt an der Verfolgungspolitik der Nazis.

Und nicht nur in München. Etwa die rund 100 Münchner Polizisten in den besetzten Gebieten, von denen einige an »nie oder kaum gesühnten Kriegsverbrechen« beteiligt waren, wie Wojak erklärt. Thema der Forschungen ist auch, wie nach 1945 »schwer belastete Beamte ihre Karriere fortsetzen konnten, während die Diskriminierung von NS-Opfern, etwa Sinti und Roma oder Homosexuellen, weiter anhielt«. Damit nimmt die inhaltliche Konzeption konkrete Form an, nachdem der Bau an sich jahrelang in der Diskussion stand. Bereits 1996 hatte der Bezirksausschuss Maxvorstadt beantragt »im Umfeld des Königsplatzes eine der ›Topographie des Terrors‹ in Berlin vergleichbare Einrichtung in München zu schaffen. Die Trägerschaft sollten die Stadt München, der Freistaat Bayern und der Bund übernehmen.

Doch auch nachdem 2005 der Standort auf dem Gelände der ehemaligen Parteizentrale der NSDAP, das Braune Haus, in der Brienner Straße 45, feststand (es war 1947 abgerissen worden), gab es ein Hin und Her zwischen Stadt, Freistaat und Bund – um die Finanzierung und auch inhaltliche Fragen. Die Baukosten von 30 Millionen Euro werden nun gedrittelt. 2011 soll Baubeginn sein. In dem fünfgeschossigen Neubau wird es zwei Hauptbereiche geben: einen Ausstellungs- und Studienbereich. Das Dokumentationszentrum wird neben der historischen Dauerausstellung auch einen Bereich für Wechselausstellungen sowie einen Studien- und Seminarbereich mit Bibliothek, Mediathek, Seminar- und Veranstaltungsräumen umfassen. Die Eröffnung des Neubaus ist für Ende 2013 vorgesehen. Michaela Schmid

Artikel aktualisiert am 20.10.2010.

Artikel vom 12.10.2010
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