Kurs im Therapiezentrum: Kein Freibrief für Alkoholiker

Altstadt · Kontrolliert trinken?

Monika Schmidt-Hindelang gibt im »Tal-19«-Kurs Tipps, um kontrolliert zu trinken. Für Alkoholabhängige ist das Gruppenprogramm nicht geeignet. 	Foto: ko

Monika Schmidt-Hindelang gibt im »Tal-19«-Kurs Tipps, um kontrolliert zu trinken. Für Alkoholabhängige ist das Gruppenprogramm nicht geeignet. Foto: ko

München/Altstadt · Es ist wohl anfangs ein empörter Aufschrei durch Selbsthilfegruppen wie die Anonymen Alkoholiker gegangen, als sie vom Angebot von »Tal 19« gehört haben, einen Kurs für kontrolliertes Trinken anzubieten. Denn das ist für Alkoholiker auf gar keinen Fall möglich.

Und für die ist der Kurs des Beratungs- und Therapiezentrums für Suchtgefährdete und Abhängige auch gar nicht gedacht. Sondern für Menschen, die »missbräuchlich trinken«, sagt Kursleiterin Monika Schmidt-Hindelang, Diplom-Sozialpädagogin bei »Tal 19«.

In den Kurs kämen zum Beispiel Personen, die merken, dass ihnen ihr Alkoholkonsum mittlerweile körperlich zusetzt, oder die festgestellt haben, dass sie alkoholbedingt ein, zwei Mal im Monat einen »Filmriss« haben. In einem Vorgespräch klärt Schmidt-Hindelang das Trinkverhalten der Kursinteressenten. Die Sozialpädagogin ist erfahren. Sie erkennt, ob ein Abhängiger vor ihr sitzt oder nicht. Falls ja, spricht sie das Thema auch unverblümt an. Manch Süchtiger dürfe dann trotzdem am Kurs teilnehmen. Und würde sich dann tatsächlich für Abstinenz entscheiden. Bei manch anderem Abhängigen lehnt sie eine Teilnahme am Kurs von vornherein ab. »Bei jemandem, der alkoholbedingt schon einmal eine Therapie gemacht hat, ist der Versuch, kontrolliert zu trinken Blödsinn.« Zudem müssen Kursanwärter ihre medizinischen Laborwerte abgeben. Sind die zu hoch, kann Monika Schmidt-Hindelang eine Seminarbeteiligung »nicht verantworten«.

Aber bis wohin trinkt ein Mensch »nur« missbräuchlich und wo beginnt Alkoholismus? Die Weltgesundheitsorganisation gibt laut Schmidt-Hindelang vor, dass pro Woche, wobei zwei dieser sieben Tage alkoholfrei sein müssen, pro Tag 20 Gramm reiner Alkohol bei Männern und 17 Gramm bei Frauen, »noch gesundheitsverträglich« seien. 20 Gramm entsprechen zum Beispiel entweder drei Schnäpsen oder einem halben Liter Bier oder 0,2 Liter Wein. Das sind Fakten, die sehr theoretisch klingen. In der Praxis beginnt für Monika Schmidt-Hindelang Sucht dann, »wenn jemand massive Nachteile durchs Trinken hat, aber trotzdem nicht aufhören kann«.

Jeder Teilnehmer führt während des Kurses, der offiziell »Ambulantes Gruppenprogramm zum selbstkontrolliertem Trinken« (AKT) heißt, ein »Trinktagebuch«, in dem genau notiert wird, welchen Alkohol man an welchem Tag, zu welcher Uhrzeit und in welcher Gesellschaft getrunken hat. Auch der »Auslöser« für den dann meist übermäßigen Alkoholkonsum wird angegeben: Manche trinken eher abends allein daheim, »um runterzukommen«, unter Freunden oder bei Geschäftstreffen. Die Teilnehmer nehmen so Situationen, in denen sie trinken, bewusster wahr und können anhand des Tagebuchs auch einteilen, wie viel sie pro Tag konsumieren wollen. Auch überlegen sie im Kurs gemeinsam Strategien, teils in Rollenspielen, wie sie »Risikosituationen«, bei denen bisher immer Alkohol im Spiel war, umgehen können.

Der Kurs startet am Dienstag, 12. Oktober, und umfasst zehn Trainingsabende jeweils dienstags von 19 bis 21.15 Uhr. Er kostet 353 Euro und kann von der Krankenkasse bezuschusst werden. Im Sekretariat von »Tal 19« gibt es unter Tel. 2 42 08 00 weitere Informationen. Interessierte können sich dort auch anmelden und einen Termin für das Vorgespräch vereinbaren. Ebenfalls Infos zum Kurs und Hilfe in akuten Fällen gibt es beim Verein SuchtHotline unter Tel. 28 28 22. Kirsten Ossoinig

Artikel vom 05.10.2010
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