Zur Wiesn-Halbzeit: Mehr Frauen in Notlagen als 2009

Zentrum · Hilflos gestrandet

Aktion »Sichere Wiesn«: Christine Rudolf-Jilg, Hanne Güntner und Maike Bublitz (v.l.) kümmern sich auf dem Oktoberfest um Frauen in Notlagen.	Foto: ko

Aktion »Sichere Wiesn«: Christine Rudolf-Jilg, Hanne Güntner und Maike Bublitz (v.l.) kümmern sich auf dem Oktoberfest um Frauen in Notlagen. Foto: ko

Zentrum · Ein typischer Wiesnabend, die Stimmung ist ausgelassen, es wird getanzt, gelacht und getrunken – vor allem letzteres und durch den übermäßigen Biergenuss wird manch eine Oktoberfestbesucherin zum wehrlosen Opfer tätlicher oder sexueller Übergriffe oder gar einer Vergewaltigung.

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Bilanz nach der Wiesnhalbzeit heuer: Bei der Polizei gingen bis Freitag zwei Anzeigen wegen Vergewaltigung ein, alleine am Wochenende wurden jedoch drei weitere Vergewaltigungen gemeldet. Außerdem gab es neun Anzeigen wegen sexueller Übergriffe. Ein Mal wurde Verdacht auf Einsatz von K.O.-Tropfen gemeldet.

Am Security Point der Aktion »Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen« auf dem Festgelände haben bis Montagvormittag 70 Frauen, das ist bereits ein Drittel mehr an »Klientinnen« als im vergangenen Jahr, Zuflucht gesucht. Wobei diese Fälle laut »Sichere Wiesn«-Sprecherin Christine Rudolf-Jilg »relativ unspektakulär« gewesen seien. Die jungen Frauen, die in der Regel zwischen 20 und 30 Jahre alt sind und den Security Point in Anspruch genommen haben, seien vor allem »Lost-in-Space«-Kundinnen gewesen. So nennen Rudolf-Jilg und ihre Fachfrauen die Klientinnen, die irgendwann ohne Clique, Freund oder Freundin und ohne Tasche, Handy und Bargeld vor einem Zelt stranden. Touristinnen wüssten außerdem meist weder Namen, Adresse oder Telefonnummer des Hotels, sagt Christine Rudolf-Jilg.

Die Mitarbeiterinnen von »Sichere Wiesn«, deren Einsatzzentrale auf dem Festgelände hinter dem Schottenhamel-Zelt liegt, geben dann Schützenhilfe: Sie versuchen das Hotel ausfindig zu machen, stellen in extremen Fällen einen Fahrdienst zur Verfügung und beraten selbstverständlich auch in akuten Notfällen, wie eben bei gewalttätigen Angriffen auf Frauen oder Vergewaltigung. In den vergangenen acht Jahren seit die Aktion »Sichere Wiesn« auf dem Oktoberfest vertreten ist, ist die Zahl der hilfesuchenden Frauen stetig angestiegen. »Es kommen jährlich mehr Frauen, denn unser Bekanntheitsgrad hat natürlich auch zugenommen«, sagt Christine Rudolf-Jilg.

Um Infos über »Sichere Wiesn« noch weiter zu streuen und um gerade auch Touristinnen zu erreichen, kontaktieren die Fachfrauen der Aktion Hotels und Campingplätze mit der Bitte, dort Flyer auslegen zu dürfen. Befriedigend ist die Resonanz aus Rudolf-Jilgs Sicht jedoch nicht. »Die Moral mancher Hotel- und Campingplatzbesitzer, sich drum zu kümmern, dass ihre Gäste sicher nach Hause kommen, ist noch nicht hoch genug.«

Als Pilotprojekt gibt es heuer von »Sichere Wiesn« Bändchen, die Festbesucherinnen am Handgelenk befestigen können, um darauf etwa Hotelnamen und Telefonnummer zu notieren. Um ­sicher nach Hause zu kommen, haben die Frauen von »Sichere Wiesn« auch für die verbleibenden Festtage noch Tipps parat: So sollten Frauen das Festgelände gemeinsam spätestens gegen 23 Uhr verlassen. Auch auf dem Heimweg sollten Freundinnen beieinander bleiben. Sollte dies nicht möglich sein, können Festbesucherinnen zunächst einmal zum Security Point kommen. Die Rasenstreifen rings um das Festgelände sollten Frauen nicht nutzen, um sich dort auszuruhen. Gerade Touristinnen sollten ein wenig Geld sowie die Adresse ihrer Unterkunft am Körper und nicht in einer Tasche, die sie verlieren könnten, mit sich tragen.

Selbstverständlich zählt auch auf dem Oktoberfest Zivilcourage: Christine Rudolf-Jilg appelliert an alle Festgäste, zu helfen, wenn sie sehen, dass Frauen belästigt werden oder wenn es ihnen offensichtlich nicht gut geht. In solch einem Fall könne man das Sicherheitspersonal oder die Polizei informieren. Rudolf-Jilg: »Hinschauen gilt auch auf der Wiesn.«

Die Aktion »Sichere Wiesn für Mädchen und Frauen« ist eine Kooperation von Amyna, Institut zur Prävention von sexuellem Missbrauch, von IMMA, Initiative für Münchner Mädchen, und des Frauennotrufs München in Kooperation mit der Stiftung »Hänsel + Gretel«.

Weitere Informationen gibt es unter www.sicherewiesn.org. Kirsten Ossoinig

Artikel vom 28.09.2010
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