Menschen mit Demenz oder mit Gehunsicherheit sind ganz besonders auf ihren Sehsinn angewiesen. Gerade ihnen aber ist der Weg zur Facharztpraxis oft nur schwer oder kaum möglich - mit der Folge, dass eine Verschlechterung des Sehens oder eine Augenerkrankung nicht entdeckt wird. In einem Pilotprojekt wurde bei 28 % der Untersuchten eine zuvor nicht erkannte Erkrankung diagnostiziert.
Um ihre Bewohner bestmöglich augenärztlich zu versorgen, ist die Münchenstift eine Kooperation mit der Mirantus Health GmbH eingegangen. Ein Untersuchungsteam aus Optometristen und medizinischen Fachangestellten kommt mit Diagnosegeräten in die Häuser. Die Ergebnisse werden über eine Telemedizin-Plattform an die behandelnden Ärzte übermittelt, die dann in Videosprechstunden, die von den gesetzlichen Krankenkassen getragen werden, das weitere Vorgehen mit den Patienten besprechen. Die Pflegekräfte unterstützen diese dabei und auch Angehörige können sich dazuschalten.
„Für die Gesundheit und Lebensqualität unserer Bewohner:innen ist diese augenfachärztliche Versorgung enorm wichtig. Bedarfsgerechte Brillen oder die frühzeitige Entdeckung und Behandlung von Grauem Star ermöglichen Selbstständigkeit und Teilhabe am sozialen Leben“, so Renate Binder, Geschäftsführerin der Münchenstift.
Der erste Testeinsatz im Hans-Sieber-Haus verlief sehr erfolgreich. „Die Bewohner:innen haben das Angebot gerne angenommen. Ein Kollege unseres Ärzteteams führte die Videosprechstunden durch, für die Behandlungen konnten Termine bei uns vereinbart oder Expert:innen vermittelt werden“, so Prof. Dr. Michael Janusz Koss. „Angesichts der Personalsituation und der guten digitalen Ausstattung halte ich den telemedizinischen Ansatz vor allem für die ganz alten, nicht mehr mobilen Bewohner*innen für sehr sinnvoll, da damit eine große Versorgungslücke geschlossen wird.“
Davon profitieren jetzt die anderen Münchenstift-Häuser. Die ersten Untersuchungen starteten nun im Haus St. Martin. „Bei uns hat sich fast die Hälfte der 272 Bewohner:innen angemeldet“, so Pflegedienstleiter Armin Boskovic. „Gerade für Demenzkranke ist eine Untersuchung in vertrauter Umgebung, begleitet von Fachkräften, die sie kennen, sehr wichtig.“
„Ich habe nach den Untersuchungen des mobilen Teams und der Sichtung der Ergebnisse sowohl Video- als auch persönliche Gespräche in den Wohnbereichen geführt“, erzählt Dr. Julia Promesberger. „Die Untersuchungen und Gespräche waren sehr gut organisiert, einige Angehörige waren dabei, einer hat sich über den Computer hinzugeschaltet. Wir hatten mehr Zeit als dies in der Praxis möglich wäre.“
„Wir wünschen uns, dass weitere ärztliche Fachrichtungen folgen”, sagt Renate Binder. „Als kommunaler Träger sieht sich die Münchenstift in der Verantwortung, innovative Konzepte zu testen und darüber zu berichten, damit auch andere Pflegeeinrichtungen darauf aufmerksam werden.“