Bei „Teens on Phone“ beraten Gleichaltrige

München · Nummer gegen Kummer

Angela Kraft hat selber jahrelang als „Teen on Phone“ gearbeitet. Heute betreut sie die Jugendlichen, die telefonisch Gleichaltrigen helfen. Foto: ko

Angela Kraft hat selber jahrelang als „Teen on Phone“ gearbeitet. Heute betreut sie die Jugendlichen, die telefonisch Gleichaltrigen helfen. Foto: ko

München · Kim, Helena, Aline und Tobias bekommen am Telefon manchmal Dinge zu hören, mit denen selbst ein Erwachsener Schwierigkeiten hätte, umzugehen. Und dabei sind die vier ehrenamtlichen Mitarbeiter von „Teens on Phone“ (TOP) erst zwischen 16 und 20 Jahre alt. Immer samstags sitzen sie an der TOP-Hotline und helfen Jugendlichen, die ihnen telefonisch ihr Leid klagen.

Von sexuellem Missbrauch, Gewalt in der Familie, Gedanken an Selbstmord, schlechten Schulnoten bis hin zu ersten sexuellen Erfahrungen – keines dieser Themen ist den vier ehrenamtlichen Telefonberatern fremd. Kim (17) hatte schon mal einen Jugendlichen am Telefon, der sich umbringen wollte und mitten im Gespräch einfach aufgelegt hat. Die Erleichterung bei der 17-Jährigen war riesengroß, als sich der Junge später wieder bei ihr gemeldet hat. „Schön, er lebt noch“, hat Kim damals gedacht. Helena (17) hatte einen Gesprächspartner, dessen Freund bei einem Autounfall ums Leben gekommen ist.

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Auch wenn die Probleme, die die Jugendlichen am Telefon mitbekommen, manchmal schwer zu ertragen sind, machen die vier den Gesprächsdienst gerne: „Man hilft anderen sehr“, sagt Helena. Das verschaffe einem schon eine gewisse innere Befriedigung. Und Kim findet, dass die Menschen sich heutzutage sowieso sehr aus dem Weg gehen würden. „Deswegen ist solch ein Projekt, bei dem man hilft, besonders wichtig.“ Und die vier profitieren, wie sie sagen, auch selbst von den Telefonaten: Neben dem guten Gefühl zu helfen, verschaffe der Telefondienst eine andere Perspektive auf die eigenen Probleme. Und man sei besser gewappnet, wenn ein Anrufer Hilfe braucht bei etwas, das man schon aus eigener Erfahrung kenne.

Freilich sind die vier alte Hasen, was das Telefonieren betrifft, seit zwei Jahren arbeiten sie bei TOP mit. Vorausgegangen war eine Schulung, bei der jeder Jugendliche auf den Telefondienst vorbereitet wird. Um die richtigen Gesprächstechniken zu verwenden, etwa. „Wir haben gelernt, wie wir beim Telefonat an die richtigen Infos kommen“, erzählt Tobias (20). Die Telefonprofis werfen im Gespräch dann Füllwörter ein, wie „hm“, „aha“ oder „okay“. Außerdem versuchen die TOPler ihren Gesprächspartner dahin zu bringen, dass er selber eine Lösung für sein Problem findet. „Dann setzt derjenige das auch eher um, als einem Ratschlag zu folgen“, erklärt Tobias.

Die Schulung und regelmäßige Beratung im Team helfen aber nicht nur den Anrufern, sondern auch den „Teens on Phone“, das Gehörte zu reflektieren. Während des TOP-Telefondienstes jeden Samstag von 14 bis 20 Uhr ist auch immer ein Erwachsener dabei, der sich im Hintergrund hält, im Notfall aber eingreifen kann.

Der Grund, warum überhaupt Gleichaltrige die Anrufe der Jugendlichen beantworten, ist einfach, dass dann die Hemmschwelle bei den Hilfesuchenden sinke, über Probleme zu sprechen, erklärt Angela Kraft, die die TOPler als Erwachsene betreut. „Die Gleichaltrigen sind an den Problemen der Anrufer näher dran.“ Die Beratung, die die „Teens on Phone“ geben, ist anonym, auch wenn sich die Jugendlichen untereinander schon über die Anrufe der Hilfesuchenden austauschen. Das ist in manchen Fällen sogar nötig. Denn bei Jungendlichen, die regelmäßig Hilfe suchen, müssen alle TOPler auf dem gleichen Kenntnisstand sein.

Bei „Teens on Phone“ können sich Kinder und Jugendliche mit Gleichaltrigen beraten oder auch einfach nur mal quatschen. Das TOP-Team besteht aus Jugendlichen im Alter zwischen 16 und 21 Jahren, die in einer 80-stündigen Schulung zu Telefonberatern ausgebildet wurden. Das Projekt wurde 1997 vom Kinderschutzbund Ortsverband München gemeinsam mit zwei Diplompsychologen entwickelt. „Teens on Phone“ ist immer samstags von 14 bis 20 Uhr unter der gebührenfreien Telefonnummer 08 00/1 11 03 33 zu erreichen. Jugendliche, die sich auch bei TOP engagieren möchten, können sich in der Geschäftsstelle des KinderschutzBundes München unter Tel. 55 53 59 informieren. Von Kirsten Ossoinig

Artikel vom 04.11.2010
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