Wenn es eine Botschaft gibt, die alle Menschen mit Weihnachten verbinden, dann: Friede auf Erden. „Fest des Friedens” wird es genannt. Die Engel singen in der Weihnachtsgeschichte vom Frieden: „Ehre sei Gott in der Höhe und Frieden auf Erden und den Menschen ein Wohlgefallen.” Die stille, heilige Nacht – eine friedliche Nacht.
Der Gegensatz zu unserer Alltagswelt könnte nicht größer sein. Die Nachrichten verkünden nur zu oft keine Friedens-Botschaft. Friedlos ist die Welt, im Großen wie im Kleinen. Ohnmächtig stehen wir den Kriegen und Konflikten gegenüber, die zu viele Opfer fordern, Hass und Gewalt befördern. Doch das Gegenteil des Friedens ist nicht nur Krieg. Es ist die Friedlosigkeit. Eine Friedlosigkeit, die ihre Wurzeln in uns selbst hat. Da ist eine Wechselwirkung zwischen den treibenden Kräften in der Welt und dem Umgetrieben Sein in uns. Zwischen der Ruhelosigkeit um uns und der Unruhe in uns. Zwischen der Furcht, die wir in uns tragen, und der Furcht, die wir um uns verbreiten.
Wir sehnen uns so sehr nach Frieden und müssen doch erleben, wie brüchig er ist, besonders an Weihnachten, auch im Kleinen. Davon erzählt der Film „Und obendrüber da schneits”. Darin geht es um ein Weihnachtsfest, das die Bewohner eines Münchener Mietshauses unfreiwillig zusammen erleben. Doch vor der Friedens-Botschaft steht der vorweihnachtliche Unfrieden. Eine junge Frau, von ihrem Mann verlassen, versucht, ihrer Tochter beizubringen, dass sie an Weihnachten allein sind. Eine vergessene Gans macht die Routinen zunichte und stört den Ehefrieden eines älteren Paars. Ein junges Pärchen träumt von einem alternativen Fest, gerät beim Baumschmücken über einen Kitschengel aber in Streit. Ein frisch gebackener Pfarrer ringt mit seiner ersten Predigt. Ein alleinerziehender Vater will das Fest seiner pubertierenden Tochter zuliebe cool angehen, was sie total uncool findet. Der kauzige Hausmeister lebt nach dem Tod der Ehefrau mit Gott und der Welt und seiner Tochter im Streit. Stress auf allen Ebenen.
Ich glaube, dass es bei aller Friedlosigkeit eine Friedensbotschaft gibt, die Hoffnung schenkt: „Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens”. In der Heiligen Nacht hat Gott eine Brücke des Friedens zu uns Menschen geschlagen. Die Umstände waren auch damals nicht friedvoll. Gerade in diese Welt hinein spricht er seine Friedensbotschaft. Jahrhunderte vor Jesu Geburt hat sie der Prophet Hesekiel für sein geschundenes Volk, das Leid, Not und Gewalt erleben musste, so formuliert: „Dann schließe ich einen Bund des Friedens mit ihnen. Dieser Bund wird für alle Zeit gelten. … Ich werde unter ihnen wohnen und ihr Gott sein.” (Hes 37,26f.)
Gott lässt seine Menschen nicht allein. Mitten unter ihnen wird seine Wohnung sein. Einen Bund des Friedens, eine Verbindung ohne Ende will er eingehen. Das ist kein kurzer Weihnachtsbesuch, sondern für immer und überall. Gott zieht bei uns ein. Die armselige Behausung in Bethlehem erzählt davon: Kein Ort ist zu abgelegen oder zu fremd, zu unwirtlich oder zu schäbig. Es gibt keine gottverlassene Gegend mehr in dieser Welt, in unserem Leben.
Der Frieden beginnt im Kleinen. Und es ist an uns, ihn immer wieder zu suchen und nach den noch so kleinen Anzeichen und Hoffnungsbotschaften Ausschau zu halten, dass alles doch gut werden könnte. Im besagten Film läuft das so ab: Weil der junge Pfarrer beim Ringen mit seiner halbfertigen Predigt auf dem Schnee ausgleitet und sich nicht mehr bewegen kann, werden die Bewohner zusammengeführt. Sie hieven den Unglückseligen auf ein Sofa, warten auf den Notarzt. Alle zieht es in die festlich geschmückte Wohnung der jungen Mutter. Auch den grantigen Hausmeister, dem der Krach auf die Nerven geht.
Aber an diesem Abend, in der Heiligen Nacht, da ist auf einmal das Herz so weit. Da ist etwas von Gottes Frieden spürbar und greifbar. Da ist die Hoffnung groß und die Versöhnung fällt leichter, weil auf einmal klar ist, was wirklich zählt. „Friede auf Erden”. Ein gesegnetes Weihnachtsfest!
Pfarrerin Annedore Becker
Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Haar