Münchens Babyklappen bieten Hilfe für Verzweifelte

München · Chance auf Leben?

Dr. Armin Grübl zeigt die Babyklappe des Klinikums Schwabing, die es Müttern ermöglichen soll, ihren Säugling nach einer ungewollten Schwangerschaft anonym abzugeben. Foto: sm

Dr. Armin Grübl zeigt die Babyklappe des Klinikums Schwabing, die es Müttern ermöglichen soll, ihren Säugling nach einer ungewollten Schwangerschaft anonym abzugeben. Foto: sm

München · Elf Tage ist es nun her, dass in München eine Babyleiche gefunden wurde. In einer Grünanlage direkt am Bayerischen Landtag geschah das Unfassbare: ein Spaziergänger, der mit seinem Hund Gassi ging, fand die Leiche des Säuglings, nackt, in einem blauen Müllsack. Weder wer das Kind dort ablegte, noch wer die Mutter ist, war bis Redaktionsschluss geklärt. Auch Todeszeitpunkt sowie Todesursache sind reine Spekulation.

Die Münchner Polizei hält sich nach wie vor bedeckt. Das Einzige, was bisher mitgeteilt wurde, ist das Geschlecht des Kindes: ein Mädchen. Das konnten Experten erst nach einer Obduktion in der Rechtsmedizin feststellen, offenbar war die Leiche zu stark verwest.

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Stellen sich nun die Fragen: Wer macht so etwas? Und warum? Wie verzweifelt muss man sein, um sein Kind wie Abfall zu entsorgen? Und wieso hat die Mutter nicht über Alternativen nachgedacht? In München gibt es zum Beispiel zwei Babyklappen, eine in Schwabing, die andere in Solln. Sie sollen Müttern in Not eine Möglichkeit aus ausweglosen Situationen bieten. „Eine Babyklappe ist in erster Linie eine Erste-Hilfe-Stelle, die ungewollte Kinder vor Aussetzung oder Tötung schützen soll“, sagt Dr. Armin Grübl, Leitender Oberarzt im Klinikum Schwabing. „Bei uns können ungewollt Schwangere, die nicht mehr weiter wissen, anonym ihr Kind abgeben. Wir achten darauf, die Hemmschwelle so niedrig wie möglich zu halten.“

Dazu werfen wir einen Blick hinter die Babyklappe: Dort steht ein Wärmebettchen, in das das Baby hineingelegt werden kann. Ein automatischer Sensor verständigt dann den diensthabenden Arzt und eine Schwester. „Um die Anonymität der Mutter zu wahren und ihr die nötige Zeit zum Verabschieden zu geben, warten wir jedoch ein paar Minuten, bis wir nach dem Säugling schauen“, erklärt Grübl. Dann wird das Baby fachgerecht untersucht und je nachdem auf der Säuglings-, Intensiv oder Frühgeborenenstation medizinisch betreut.“ Parallel werden Jugendamt und Polizei verständigt. „Es könnte ja sein, dass es sich um ein vermisstes Kind handelt“, sagt Grübl.

Sechs Wochen habe die Mutter Zeit, das Kind zurückzuholen, „natürlich in Abstimmung mit dem Jugendamt“. Daher sei es wichtig, bei der Abgabe in der Babyklappe einen Hand- und Fußabdruck des Babys zu machen, „um die Mutter später gleich zu identifizieren“, erklärt Grübl. Die nötigen Utensilien stünden im Babynest bereit.

Wie viele Babys abgegeben werden, verrät der Leitende Oberarzt nicht. „Es kommt sehr selten vor“, sagt Grübl. In der Regel seien es jüngere Mütter mit großen sozialen Problemen, die mit der Situation absolut überfordert sind. Sie denken, dass es ihrem Kind besser geht, wenn sie es nicht behalten. Trotz allem sei es ihnen wichtig, zu wissen, dass es ihrem Kind gut geht. Manche riefen an und fragen nach, ob ihr Baby in guten Händen ist. „Die Angst, das Kind könnte nicht gefunden werden, ist sehr groß“, sagt Grübl. Dabei sei das System doppelt und dreifach abgesichert. „Dass ein Kind übersehen wird, kann nicht passieren.“ Bei manchen Müttern sei die Angst vor der Babyklappe jedoch so groß, „dass sie ums Eck gehen und der Schwester das Baby in die Hand drücken“.

Moderne Babyklappen gibt es seit rund zehn Jahren. Sie wurden eingeführt, um ungewollte Kinder zu retten. Doch bieten sie wirklich eine Chance auf Leben oder sind sie lediglich eine praktische Entsorgungsmöglichkeit? Kritiker sagen, Babyklappen hätten die Zahl von ausgesetzten und getöteten Kindern nicht verringert. „Die Tötung eines Neugeborenen folgt einer anderen Psychodynamik als die geplante Aussetzung eines Kindes in der Klappe oder seine anonyme Geburt in einer Klinik“, erklärt Bernd Wacker von der Kinderhilfsorganisation „terre des hommes“.„Mütter, die ihre Kinder unmittelbar nach der Geburt töten oder sterben lassen, befinden sich in der Regel in einem psychischen Ausnahmezustand, der es ihnen unmöglich macht, planend, ziel- oder zweckgerichtet zu handeln.

Diesen Müttern ist mit Babyklappen und Angeboten der anonymen Geburt nicht zu helfen“, sagt Wacker. Das sieht Dr. Armin Grübl anders: „Jedes Kind, das gerettet werden kann, ist es wert.“

Von Stefanie Moser

Babyklappen in München:

• Klinikum Schwabing, Kölner Platz 1, 80804 München. Eingang Baby-Klappe: Nebeneingang Kinderklinik Parzivalstraße 16, Haus 23, Eingang II. Telefon: 30 68 25 89.

• Kloster St. Gabriel, Wolfratshauser Straße 350, 81479 München. Telefon: 74 44 10.

Artikel vom 15.10.2009
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