Beim Unterschleißheimer »Gipfeltreffen« zeigten Politiker tatsächlich Profil

Unterschleißheim · Besser als das Fernsehen

Dr. Toni Hofreiter (Grüne), Ingrid Lenz-Aktas (SPD), Wolfgang Seidel (Linke), Jimmy Schulz (FDP) und Florian Hahn (CSU) (oben, von li.) kamen auf Einladung der jugendlichen Organisatoren nach Unterschleißheim.	Foto: em

Dr. Toni Hofreiter (Grüne), Ingrid Lenz-Aktas (SPD), Wolfgang Seidel (Linke), Jimmy Schulz (FDP) und Florian Hahn (CSU) (oben, von li.) kamen auf Einladung der jugendlichen Organisatoren nach Unterschleißheim. Foto: em

Unterschleißheim · Bei den »digitalen Falschparkern« gab es auf einmal ganz neue »Koalitionen«, am vergangenen Sonntagabend im Festsaal des Bürgerhauses. Das Unterschleißheimer »Jugendparlament«, Jugendliche und junge Erwachsene, die von ihren Altersgenossen gewählt worden sind, um deren Interessen in der Stadt Gehör zu verschaffen, hatte alle fünf Direktkandidaten der bereits im Bundestag vertretenen Parteien des Wahlkreises München-Land eingeladen, um in einer Podiumsdiskussion zu den Themen Staatsschulden, Energiepolitik, Afghanistan sowie Terrorismusbekämpfung und Datenschutz Stellung zu beziehen.

Alle fünf kamen – und zeigten sich begeistert von dem Engagement der Organisatoren Felix Martens, Sharon Brehm, Christian Schäferling und Johanna Gonschorek, die sogar als Neufahrnerin mitgemacht hat, weil sie es eine »ganz spannende Sache« findet, auf einmal Politik und Politiker so hautnah zu erleben. »Es war einfacher, an Politiker zu kommen, als man denkt«, erzählt sie, immer noch überrascht, der Nord-Rundschau. Die Themenauswahl war schnell getroffen: »Was ist aktuell und was interessiert uns« – das waren die beiden Auswahlkriterien.

Damit trafen sie nicht nur den Nerv ihrer Zielgruppe, sondern auch den etlicher Unterschleißheimer, die schon seit geraumer Zeit als erwachsen gelten dürfen. Rund 100 Besucher erlebten Fragesteller, die gründlich recherchiert hatten, das Publikum schnell und übersichtlich aufbereitet auf den gleichen Wissensstand brachten und dann den Politikern keine andere Wahl ließen, als auf gezielte Fragen ebenso gezielt zu antworten.

Fazit: In Sachen Staatsschulden setzt die FDP auf ein Neuverschuldungsverbot und massive Einsparungen, will also weniger ausgeben und mit einer Einkommenssteuer von höchstens 35 Prozent auf höhere Einkommen »die fleißigen Menschen des Mittelstands«, wie Direktkandidat Jimmy Schulz es ausdrückte, entlasten, die »die Leistungsträger« der Gesellschaft seien. SPD-Kandidatin Ingrid Lenz-Aktas entgegnete, dass für sie auch und vor allem »Erzieher, Krankenschwestern und Pfleger« Leistungsträger seien und der Exportweltmeister Deutschland jetzt die Binnennachfrage stärken müsse, also vor allem schwächere Einkommen steuerlich entlastet werden müssten.

Dr. Toni Hofreiter, der bereits seit vier Jahren für die Grünen den Wahlkreis München-Land im Bundestag vertritt, trat vehement für Investitionen in neue Umwelttechnologien ein: »Das ist für mich eine klassische ›Win/win/win‹-Situation, bei der wirklich alle was davon haben: Wir investieren jetzt in ein Wachstum, von dem auch zukünftige Generationen in vielerlei Hinsicht etwas haben, ökonomisch und zur Rettung der Lebensgrundlagen.« CSU-Kandidat Florian Hahn sprach sich ebenfalls dafür aus, »den Mittelstand zu entlasten – das bedeutet zwar neue Schulden, aber um neue Steuerzahlungen zu generieren.« Wolfgang Seidel (Linke) sprach sich für »'gesunde« statt »kranker« Schulden aus: »Wenn das Geld oben angekommen ist, muss es dort auch wieder geholt werden.«

Beim Thema »Energiepolitik« bezeichnete selbst Schulz (FDP) die Atomenergie als »Auslaufmodell«, sprach sich aber nur für einen »mittelfristigen« Ausstieg und Verlängerung der Laufzeiten neuerer Atomkraftwerke aus. Die CSU will eine Verlängerung der Laufzeiten »um fünf bis zehn Jahre« (Hahn). Lenz-Atkas (SPD) will den beschlossenen Ausstiegsplan strikt einhalten, die Grünen auch, wobei Hofreiter erklärte, dass man eigentlich noch schneller aussteigen müsse, da auch das Festhalten an Atomkraft auf Zeit alternative Stromproduzenten behindere, da auf diese Weise zurzeit eher zu viel als zu wenig Strom produziert werde. Seidel (Linke) sprach sich für einen sofortigen Ausstieg aus, da Atomkraftwerke »so sicher wie die Titanic« seien.

Schwer taten sich die Vertreter aller Parteien mit dem Thema Afghanistan. Einen sofortigen Rückzug deutscher Truppen verlangt nur die Linke – alle anderen schwankten zwischen dem Anspruch, eine funktionierende Infrastruktur und kein heilloses Chaos zu hinterlassen sowie dem Eingestehen des bisherigen Scheiterns. Lenz-Aktas (SPD) wagte einen interessanten Vorstoß: »Wir müssen uns vielleicht überlegen, ob wir für solche Einsätze nicht doch gut ausgebildete Menschen einer Berufsarmee brauchen.«

Beim Thema Terrorbekämpfung und Datenschutz sprach sich nur Hahn (CSU) für die Rechtmäßigkeit von Online-Durchsuchungen aus »Wir müssen auch in diesen Bereichen aktiv sein«, sagte er, nachdem auch Terroristen das Internet zu nutzen wüssten. Alle anderen sprachen sich dagegen aus. Lachen, Applaus und einhellige Zustimmung der drei übrigen Kandidaten bekam Schulz (FDP) schließlich für seine Analyse, dass gerade Terroristen sehr wohl wüssten, wie sie Datenspuren verwischen könnten, und entsprechende Maßnahmen daher »nur digitale Falschparker wie Sie und mich« träfen. Eva Mäkler

Artikel vom 22.09.2009
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