Unterschleißheim · Weg mit der Käseglocke

Sabine Schönfeld (Mitte) ist der diesjährige Weihnachtsengel. Vorgeschlagen von Sissy Melinz (re.) – für den engagierten Kampf der Mutter von Nathalie (13) und Lukas (10) um die schulische Integration von Kindern mit Down-Syndrom. Foto: ko

Unterschleißheim · Die Idee, die Unterschleißheimerin Sabine Schönfeld der Münchener Nord-Rundschau als Weihnachtsengel vorzuschlagen, hatte eigentlich der 13-jährige Justin – Sohn von Sissy Melinz, die dann schließlich den entscheidenden Brief geschrieben hat. Justin ist nämlich ein guter Freund von Schönfelds zehnjährigem Sohn Lukas.

Natürlich gibt es so richtige »Männerfreundschaften« in jungen Jahren öfter. Aber Justin war es wirklich wichtig, dass Lukas’ Mutter geehrt wird. Denn sein Spielkamerad hat das Down-Syndrom, und Sabine Schönfeld tut alles dafür, dass ihr Sohn und seine Leidensgenossen so normal wie möglich aufwachsen: »Lukas soll nicht in irgendeiner Einrichtung verschwinden.«

Deswegen hatte die engagierte Mutter frühzeitig dafür gesorgt, dass Lukas in einen normalen Kindergarten ging. Und sich danach überlegt, warum das nicht auch bei der Schule funktionieren sollte. Jetzt besucht Lukas zwar eine Schule für geistig behinderte Kinder – doch einige Unterrichtsstunden finden gemeinsam mit nicht behinderten Kindern statt, betreut von einer Grundschullehrerin, einer Kinderpflegerin und einer Sonderpädagogin. Und von dem gemeinsamen Unterricht profitieren auch die nicht behinderten Mitschüler. Etwa in Sachen Sozialverhalten, das auf einmal viel mehr zählt. Justin zum Beispiel bringt auch mal schlechtere Zensuren nach Hause. Doch dass der 13-Jährige es sich nicht hat nehmen lassen, für Lukas vom eigenen Geld ein Geburtstagsgeschenk zu kaufen, ist »eine tolle Leistung, von der auch Justins Lehrer ganz begeistert war«, findet seine Mutter.

Sabine Schönfeld kämpft nun dafür, dass der Unterricht gemeinsam mit nicht behinderten Kindern auch bestehen bleibt, wenn Lukas und seine Klassenkameraden im nächsten Schuljahr in die fünfte Klasse kommen. Die Grundschulzeit ist dann vorbei, und Schönfeld hat sich vorgenommen, weiterführende Schulen »abzuklappern«. Nachzufragen, ob das Konzept, gesunde und geistig behinderte Schüler gemeinsam zu unterrichten, nicht auch dort möglich sei. »Momentan bin ich an nur einer Schule dran, denn es macht keinen Sinn, bei fünfen gleichzeitig anzufragen«, berichtet die engagierte Mutter – der behördliche Aufwand sei sehr groß. Sollte sie fündig werden, würde die ganze Klasse gerne zusammen bleiben. Und nicht nur das: »Auch die Eltern der gesunden Kinder sind ausgesprochen interessiert daran, gemeinsam weiter zu machen.«

Für Schönfeld ist jeder Tag ein Kampf, denn »nichts läuft automatisch wie bei einem gesunden Kind«. Neben den für das Down-Syndrom typischen körperlichen Merkmalen sind in der Regel die kognitiven Fähigkeiten beeinträchtigt. Wird Sabine Schönfeld von Lukas’ Freunden gefragt, was ihr Sohn denn nun eigentlich habe, erklärt sie: »Stell Dir vor, du musst mit ständig angezogener Handbremse Fahrrad fahren.« Sein Handicap soll Lukas so wenig wie möglich daran hindern, ein normales Leben zu führen – das ist der größte Wunsch seiner Mutter. Deshalb ist ihr die Schule so wichtig, erläutert sie: »Wie soll er sich denn sonst zurecht finden, wenn er wie unter der Käseglocke aufwächst?!« Kirsten Ossoinig

Artikel vom 22.12.2008
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