"KindErleben" stärkt gefährdete Familienbande

Hasenbergl · Neustart für Eltern

Lena Hummel (links, Einrichtungsleiterin) und Nataliya Muravova , Mitarbeiterin, stellen eine Szene von "KindErleben" nach. Foto: Diakonie

Lena Hummel (links, Einrichtungsleiterin) und Nataliya Muravova , Mitarbeiterin, stellen eine Szene von "KindErleben" nach. Foto: Diakonie

Hasenbergl · Vorsichtig streicht Elena den kleinen Löffel am Rand der Schüssel ab und nimmt erneut eine kleine Menge Püree auf. Heute gibt es Brei von der Pastinake. Lara, Elenas kleiner Tochter, schmeckt es. Das acht Monate alte Mädchen gluckst und prustet gut gelaunt – und isst. Das war nicht immer so. Elena kann sich noch gut an die ersten Wochen mit ihrer neugeborenen Tochter erinnern. "Die erste Zeit war einfach furchtbar. Sie hat nur geschrien und ich wusste gar nicht mehr, was ich noch machen soll."

"Wir möchten Entlastung bieten"

"Viele unserer Familien haben anfangs Schwierigkeiten die Bedürfnisse ihrer Babys und Kleinkinder zu interpretieren. Mit Neugeborenen, die viel schreien, wird es für sie oft noch komplizierter, da oft ein Teufelskreis entsteht", sagt Lena Hummel. Die Magister-Pädagogin leitet "KindErleben", eine Einrichtung der Diakonie Hasenbergl. Hier arbeiten Pädagogen gemeinsam mit den Eltern in einer Gruppe für acht Kinder an den sich entwickelnden belastenden Problemen zwischen Mutter und Kind, um frühzeitig Wege für ein besseres Miteinander und Verstehen zu finden. Ziel ist es, dass sich das Kleinkind altersentsprechend entwickelt, dass die Eltern Sicherheit in Erziehungsfragen bekommen und dass eine stabile und sichere Bindung zwischen Eltern und Kind aufgebaut wird. "Für viele der Familien, die wir betreuen, ist es alltäglich, dass ihre Kinder nicht schlafen, nicht zu Ruhe kommen, nicht essen, oder vielleicht auch viel schreien. Zum Schlafmangel der Mütter kommt dann häufig die Verzweiflung, dem Kind nicht das geben zu können, was es braucht", so Lena Hummel. "Wir unterstützen auch Mütter, die an Ängsten leiden, oder sich seit der Geburt in einer schwierigen psychischen Lage befinden und das Gefühl haben, mit ihrem Baby nicht richtig umgehen und keine Beziehung aufbauen zu können. Wir möchten einschreiten, bevor die Mütter zunehmend negative Gefühle zu ihrem Kind entwickeln. Wir möchten Entlastung, bieten bevor sie am Ende ihrer Kraft angelangt sind."

Junge Familien aus der ganzen Stadt

Die Mütter kommen mit ihren Babys und Kleinkindern täglich (außer am Wochenende) in die Räumlichkeiten im Pfarrer-Steiner-Zentrum (Riemerschmidstr. 16). Waren es in den Anfangsjahren Mütter aus dem Quartier im Münchner Norden, so kommen seit einigen Jahren vermehrt junge Familien aus der ganzen Stadt zusammen. "Wir essen gemeinsam mit den Kindern, wir spielen und bekommen viele Tipps, was wir mit den Babys machen können." Seit einigen Monaten ist Elena Teil der "KindErleben"-Gruppe. Die 22-Jährige heißt in Wirklichkeit anders, steht jedoch exemplarisch für viele junge Mütter, denen es schwer fällt, Muttergefühle zu entwickeln. Eine innige und liebevolle Beziehung zu ihrem Neugeborenen, den verträumten Blick aufs Baby, das wohlige Gefühl im Herzen kennen sie nur aus der Fernsehwerbung, selbst haben es viele von ihnen noch nicht erlebt. Vielmehr ist der Alltag mit ihren Kindern eher eine anstrengende Zumutung. Sie sind genervt, weil sich das Kind nicht eindeutig verständigt und vieles fordert, das sie nur unter größter Anstrengung bieten können.

Der normale Alltag mit Kind

Bei "KindErleben" üben sie gemeinsam einen normalen Alltag mit Kind und lernen, die Bedürfnisse ihres Babys erkennen - und zu beantworten. Jeden Morgen um neun beginnt die Gruppe. "Wir beginnen den Tag mit einer gemeinsamen Morgenrunde. So erfahren die Mütter und auch ihre Kinder ganz nebenbei eine wichtige Struktur, die ihnen hilft, den Alltag zu gestalten. Wir sprechen darüber, was sie sich vom Tag erwarten und lassen die Ereignisse des Vortags noch einmal Revue passieren", weiß Lena Hummel. Wickeln, Babymassage oder Körperpflege und das gemeinsame Spiel stehen danach auf dem Plan. Aber auch Ruhephasen sind wichtig. Rituale entwickeln, mit denen die Kinder zur Ruhe kommen und lernen, dass sie schlafen dürfen. "Vieles findet in kleinen Gruppen statt. Die Frauen können sich zu jeder Gelegenheit austauschen und erfahren Motivation und Unterstützung in der Gruppe. Außerdem bekommt auch jede Mutter eine sozialpädagogische Betreuung und Begleitung im Einzelsetting sowie Einzelgespräche bei unserer psychologischen Psychotherapeutin und psychologischen Leitung Sabine Pommer. "Das ist ganz wichtig, um Unsicherheiten noch einmal im Vertrauen zu besprechen. Die individuelle Beratung unterstützt die Arbeit in der Gruppe und unterstreicht noch einmal Gelerntes." Wenn die Kinder schlafen, können die Mütter entspannen und zur Ruhe kommen.

Bis zu zwölf Monate

Die Mutter-Kind-Paare können bis zu zwölf Monate im "KindErleben" begleitet werden. In die Einrichtung kommen sie auf Empfehlung des Kinderarztes, aber zunehmend auch auf Initiative von ambulanten Hilfen und Bezirkssozialarbeitern. Lena Hummel arbeitet seit sechs Jahren bei "KindErleben", seit über zwei Jahren ist die Pädagogin als Einrichtungsleiterin tätig. Nach einem langen Arbeitstag die Tür hinter sich zu schließen und damit die Erlebnisse ihrer Klienten im Gruppenraum zu lassen und Abstand zu finden, hat sie über die Jahre gelernt. "Wir sind ein eingespieltes Team von vier Pädagoginnen und Pädagogen und einer psychologischen Psychotherapeutin mit familien- und traumatherapeutischer Zusatzausbildung, Sabine Pommer. Sie leitet die Gruppe, die Beratungsstelle und das Pädagogen-Team seit über 20 Jahren. Wir tauschen uns regelmäßig aus und haben ein offenes Ohr füreinander."

Gemeinsam backen

Mittagessen, Gesicht und Hände waschen. Dann geht es in die Küche. "Wir backen heute gemeinsam, zuckerfrei und nur mit ganz wenig Salz. Davon dürfen auch die Kleinen naschen", freut sich Elena. Sie hat in den vergangenen Monaten nicht nur zarte Freundschaften mit den Müttern in der Gruppe geschlossen, sondern auch große Fortschritte gemacht. "Gestern hat mich Lara zum ersten Mal lange angelächelt, das hat mich richtig stolz gemacht."

red

Artikel vom 11.07.2022
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...