Gemeinsam stark

Rote Karte gegen Gewalt an Frauen und Kindern

Nicht nur während der aktuellen Aktionswochen gilt: Wir zeigen Gewalt gegen Frauen und Kinder ganz klar und vor allem gemeinsam die Rote Karte! Foto: Anne Wild

Nicht nur während der aktuellen Aktionswochen gilt: Wir zeigen Gewalt gegen Frauen und Kinder ganz klar und vor allem gemeinsam die Rote Karte! Foto: Anne Wild

München/Landkreise · Im Jahr 2020 wurden 158.477 Opfer häuslicher Gewalt polizeilich registriert. Das entspricht einem Anstieg von sechs Prozent gegenüber dem Jahr 2019. Die Polizei führt diesen Anstieg auf die Corona bedingten Lockdowns zurück, die dazu beitrugen, die oftmals angespannte Situation in den Familien noch zu verschärfen. Zwei Drittel der erfassten Opfer sind dabei Frauen.

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Allerdings sind sich Experten einig, dass die Dunkelziffer deutlich höher liegt. Zum einen hätten viele Frauen Angst Anzeige gegen den gewalttätigen Partner zu erstatten, zum anderen schämten sich viele von ihnen und versuchten, die Folgen der Gewalt zu vertuschen und zu verharmlosen. Nicht selten sind sie finanziell abhängig vom Partner, sehen für sich und ihre Kinder keinen Ausweg und erdulden deshalb still ihr Martyrium. Die Schuld an den Übergriffen durch den Partner geben sich die Frauen nicht selten selbst.

Dabei stellt das Bayerische Staatsministerium für Familien klar, dass Gewalt in der Partnerschaft weder ein Kavaliersdelikt noch Privatsache ist. Wer seine Partnerin oder seinen Partner schlägt, demütigt oder gar vergewaltigt, begeht eine Straftat. Wer zuschlägt muss die Wohnung verlassen, lautet knapp zusammengefasst die Botschaft des Familienministeriums.

Um auf die schwierige Situation der Betroffenen aufmerksam zu machen, lädt die Stadt München, aber auch der Landkreis dazu ein, anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen am 25. November sich mit dem Thema verstärkt auseinanderzusetzen, auch oder gerade wenn man nicht persönlich davon betroffen ist. Denn ohne couragierte Nachbarn, Freunde, Betreuer oder Lehrer kann der Teufelskreis oftmals nicht durchbrochen werden.

Seit 1999 gibt es den internationalen Aktionstag

Im Dezember 1999 verabschiedet die UN-Generalversammlung eine Resolution, nach der der 25. November zum Internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen, auch „Internationaler Tag gegen Gewalt an Frauen“, bestimmt wurde. Ziel des internationalen Gedenktags soll sein, das öffentliche Interesse auf die Gewalt gegen Frauen zu lenken und Strategien zur Bekämpfung vorzustellen.

Die Wahl fiel nicht zufällig auf den 25. November, vielmehr wurden bereits seit 1981 alljährlich Veranstaltungen zum Thema an diesem Datum initiiert.

Hintergrund für die offizielle Einsetzung des Aktionstages 1999 durch die Vereinten Nationen war die Entführung, Vergewaltigung und Folterung dreier Schwestern und ihre Ermordung im Jahr 1960. Die Schwestern Mirabal waren in der Dominikanischen Republik durch Militärangehörige des damaligen Diktators Rafael Trujillo verschleppt, vergewaltigt und ermordet worden. Als die Taten bekannt wurden, riefen 1961 lateinamerikanische Frauen eben an diesem Tag zum Kampf gegen Gewalt gegen Frauen auf.

In München ist es nun ein breites Aktionsbündnis aus 46 beteiligten Organisationen, darunter Hilfsorganisationen für Frauen, Mädchen und Jungen bei Gewalt, Frauen- und Mädchenprojekte, Netzwerke, Verbände, die Kath. Stiftungshochschule, den ZONTA Clubs, Parteien, sowie städtische Dienststellen, wie zum Beispiel die Gleichstellungsstelle für Frauen der Landeshauptstadt München, die nun während der Aktionswochen an einem Strang ziehen. Schirmpatin ist 2. Bürgermeisterin Katrin Habenschaden: "Gewalt gegen Frauen ist weltweit die häufigste Menschenrechtsverletzung. Wir setzen mit den Aktionswochen gegen Gewalt an Frauen, Mädchen, Jungen und nonbinären Menschen ein entschiedenes Zeichen gegen geschlechtsspezifische Gewalt".

Gewalt an Frauen und Mädchen ist aber nicht ein Problem, das immer nur die "Anderen" betrifft. Jede vierte Frau in Deutschland erlebt Gewalt durch den aktuellen/früheren Partner. 58 Prozent der Frauen in Deutschland erleiden sexuelle Belästigung. Beim Polizeipräsidium München wurden 2020 3016 Fälle "Häusliche Gewalt" und 1457 Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung erfasst.

Es kam im Bereich "Häusliche Gewalt" zu 9 Tötungsdelikten, hiervon wurden 6 vollendet. 2020 wurden beim Amtsgericht München durch zivilrechtliche Schutzanordnungen nach dem Gewaltschutzgesetz 702 Täter wegen häuslicher Gewalt der Wohnung verwiesen und/oder mit einem Kontaktverbot belegt. Grund genug, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen und Gewalttätern gemeinsam die Rote Karte zu zeigen.

Das vielfältige Veranstaltungsprogramm der Aktionswochen bietet neben dem Aufruf zur zentralen Demo am 25. November, Informationsveranstaltungen, Performances, Frauencafés, Fortbildungen, Vorträge (online und präsent), sowie Workshops und die Aktion "Orange the city".

Zur zentralen Veranstaltung anlässlich des Internationalen Tages gegen Gewalt an Frauen, laden das Aktionsbündnis 2021, die Gleichstellungsstelle für Frauen der Stadt München, Katholische Stiftungshochschule und der Verein "Frauen helfen Frauen" e.V. München am Donnerstag, 25. November, um 19.00 Uhr, zu einem Online-Vortrag zum Thema: "Schutz von Frauen vor Gewalt in Afghanistan".

Bürgermeisterin Katrin Habenschaden wird als Schirmpatin der Aktionswochen ein Grußwort sprechen. Weiter Informationen gibt es unter www.muenchen.de/gst Anmeldung ist unter E-Mail gst@muenchen.de

Das Veranstaltungsprogramm der Münchner Aktionswochen ist auch unter www.muenchen.de/frauengleichstellung oder www.aktiv-gegen-maennergewalt.de zu finden.

Aber auch jenseits der Aktionswochen versucht der Freistaat den geschundenen Frauen eine Perspektive zu bieten. Von häuslicher Gewalt betroffene Frauen und ihre Kinder können in Frauenhäusern vorübergehend Schutz und Unterstützung in Notsituationen erhalten. Um den Übergang in den Alltag nach dem Frauenhausaufenthalt zu erleichtern, gibt es sogenannte Second-Stage Projekte, die gewaltbetroffene Frauen, welche den hohen Schutz eines Frauenhauses nicht oder nicht mehr benötigen, bei der Suche nach einer geeigneten Wohnung unterstützen und sie psychosozial beraten. Die modellhafte Förderung der Second-Stage Projekte wird nun erneut bis Ende 2022 verlängert. Bayerns Sozialministerin Carolina Trautner: „Für mich ist es äußerst wichtig, von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen und ihren Kindern einen dauerhaften Übergang in ein selbstbestimmtes, gewaltfreies Leben zu ermöglichen. Keine Frau soll nach dem Frauenhausaufenthalt gezwungen sein, zum gewalttätigen Partner zurückzukehren, weil sie keinen bezahlbaren Anschlusswohnraum findet. Daher haben wir bereits 2019 beschlossen, 15 Second-Stage Projekte modellhaft zu fördern. Ich freue mich sehr, dass wir die Modellförderung nunmehr bis Ende des Jahres 2022 verlängern und die Förderbedingungen sogar verbessern konnten.“ Die Umsetzung der Modellprojekte wurde auch im Jahr 2021 stark durch die Corona-Pandemie beeinträchtigt. „Dennoch sind die bisher vorliegenden Ergebnisse durchaus positiv und erfolgsversprechend. Durch eine Verlängerung der Modellphase bis Ende 2022 können ein weiteres Jahr wertvolle Erfahrungen gesammelt und ausgewertet werden, um künftig noch besser auf die besonderen Bedürfnisse der von Gewalt betroffenen Frauen und ihren Kindern reagieren zu können“, so Trautner weiter. Die Zwischenbilanz ist bislang vielversprechend: Dank der geförderten 15 Second-Stage Projekte konnte, trotz der durch die Corona-Pandemie erschwerten Umstände, bereits vielen Frauen geholfen werden, z. B. bei der Suche nach einer geeigneten Wohnung oder der gezielten begleitenden Beratung der Frauen und ihrer Kinder.

Durch die Aktionswochen sollen alle für das Thema "Häusliche Gewalt" sensibilisiert werden. Wer als Nachbar etwas derartiges wahrnimmt sollte die Polizei verständigen, denn Gewalt in der Familie ist nicht Privatsache, wie viele denken. Zu erreichen ist die Polizei unter Tel. 110. Wer Hilfe sucht, findet Ansprechpartner auch unter der Hotline für Frauen, die unter Gewaltsituationen leiden unter Tel. 0800/116016, für Kinder gibt es die Nummer gegen Kummer unter Tel. 116111. Der Freitstaat hat eigens zu diesem Thema eine eigene Homepage unter www.bayern-gegen-gewalt.de erstellt. Hier finden Betroffene die entsprechenden Ansprechpartner. Auch Männer, die aus der Gewaltspirale ausbrechen wollen, finden hier entsprechende Hilfsangebote. hw/ar

Zahlen & Fakten
  • Gewalt gegen Frauen ist weltweit die häufigste Menschenrechtsverletzung.
  • Jede vierte Frau in Deutschland erlebt Gewalt durch den aktuellen/früheren Beziehungspartner.
  • 58 % der Frauen in Deutschland erleiden sexuelle Belästigung.
  • 70 % der Frauen werden im Rahmen des Umgangsrechtes der Kinder erneut vom Expartner misshandelt.
  • Beim Polizeipräsidium München wurden 2020 3.016 Fälle „Häusliche Gewalt” und 1.457 Delikte gegen die sexuelle Selbstbestimmung erfasst. Es kam im Bereich „Häusliche Gewalt” zu 9 Tötungsdelikten, hiervon wurden 6 vollendet.

Artikel vom 19.11.2021
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