"Eine eigene kreative Insel"

Kunstübungsraum Milbertshofen KÜR offiziell eröffnet

Das denkmalgeschützte Haus am Alten-St.-Georgs-Platz 4. Foto re.: Helena Katzwinkel und Ramata Niane (v. li.), zwei junge Künstlerinnen, und Amelie Gürster und Katharina Zink von KÜR. Foto: Tanja Beetz.

Das denkmalgeschützte Haus am Alten-St.-Georgs-Platz 4. Foto re.: Helena Katzwinkel und Ramata Niane (v. li.), zwei junge Künstlerinnen, und Amelie Gürster und Katharina Zink von KÜR. Foto: Tanja Beetz.

Milbertshofen · Das Haus mit dem Satteldach am Alten-St.-Georgs-Platz 4 ist alt. So alt, dass es denkmalgeschützt ist. Gut 190 Jahre hat es schon erlebt. Es wirkt, genauso wie die danebenliegende Kirche Alt St. Georg, ein wenig wie aus der Zeit gefallen. Gefüllt aber ist das Haus mit Leben. Mit jungem Leben, aber auch mit älterem.

Und mit jeder Menge Kunst. Am Dienstagabend wurde der Kunstübungsraum Milbertshofen, kurz KÜR, offiziell eröffnet. Wir sprachen vorab mit Amelie Gürster und Katharina Zink von KÜR sowie zwei jungen Künstlerinnen.

"Extremer Mangel"

Die Holzstufen knarzen unter jedem Schritt. Es geht nach oben in die kleine Küche und die Ateliers. "Wir haben acht Räume und derzeit 22 Ateliernutzerinnen und -nutzer", sagt Amelie Gürster. Entstanden sei die Idee zu KÜR aus einem Defizit heraus. "Es gibt in München einen extremen Mangel an bezahlbaren Atelierräumen für junge Kunstschaffende", so die 32-Jährige. Das soll sich hier ändern. KÜR bietet einen neuen Experimentierraum für junge Kunst und Kultur – offen für alle. Das Ganze steht unter der Trägerschaft des "Stadtteilarbeit e.V." in Kooperation mit der "Kontrapunkt gGmbH/IMAL". "Die Idee dazu gab es schon lange von Uli Gläß von Imal", blickt Amelie Gürster zurück. Imal, das International Munich Art Lab, bietet ebenfalls Raum für junge Kunstschaffende.

Ein Pilotprojekt

Das Angebot bei KÜR soll möglichst niederschwellig sein. Es ist in dieser Form ein Pilotprojekt. "Junge Künstlerinnen und Künstler suchen oft total dringend nach einem Atelierraum", so Katharina Zink. "Und manchmal auch kurzfristig, weil vielleicht ein Gesellenstück fertig werden oder eine Ausstellung vorbereitet werden muss."

Mit einer Projektvorstellung können sich Interessierte bei KÜR bewerben. Dazu genügt ein kurzes Anschreiben und eine Information dazu, wie lange das Projekt in etwa dauern wird. Es ist dabei egal, ob die Bewerbung von Studenten, Auszubildenden oder anderen Kunstschaffenden kommt. Das Angebot richtet sich in erster Linie an junge Menschen von 18 bis 27 Jahren. "Die Anfrage war von Anfang an sehr groß", sagt Katharina Zink. Die ersten Künstlerinnen und Künstler sind bereits eingezogen, um für eine bestimmte Zeit an ihren Werken zu arbeiten.

Unterm Dach

Zwei von ihnen sind gerade anwesend: Ramata Niane und Helena Katzwinkel. Gemeinsam arbeiten sie im Atelier unterm Dach. "Das ist voll praktisch, denn man kann kommen, wie man will", sagt Ramata Niane. Denn auch das gehört zum Konzept: Die Nutzerinnen und Nutzer übernehmen Verantwortung, organisieren sich selbst, schauen, dass alles läuft im Haus. Zuhause, so Ramata Niane, sei ein Arbeiten an ihrer Kunst in dieser Form gar nicht möglich gewesen. "Ich arbeite viel mit Karton und Müll und sammel viel. Ich bin eine Sammlerin." Sie hat sich ihren Platz in einer Ecke des großen Ateliers mit den schweren Dachbalken eingerichtet. "Das ist ein sehr dynamisches Ding hier und jeder hat eine eigene kreative Insel."

Helena Katzwinkel sitzt an ihrer Bewerbung für London. Sie hat die Meisterschule für Mode in München absolviert, jetzt gilt es, ein Portfolio für Modedesign zu erstellen. "Ich muss erst einmal nur ein kleines Portfolio von etwa zehn Seiten abgeben", sagt sie. Abgabetermin sei im Januar. Über einen Freund sei sie auf KÜR gestoßen. Auch Helena Katzwinkel schätzt besonders die Freiheit, zu kommen, wann man wolle.

Offen für alle

Zudem sei es der Austausch mit Gleichgesinnten, von dem man profitieren könne. Da sind sich die beiden jungen Künstlerinnen einig. Man berate sich gegenseitig, bekomme einfach andere Dinge mit.

Einen Austausch gibt es auch rund alle zwei Wochen bei den Haustreffen. "Da wird besprochen, wie es mit den Projekten vorangeht und es werden Bedarfe ermittelt", sagt Amelie Gürster. Und: "Die Kunstschaffenden können sich auch als Workshopleiterinnen und -leiter einbringen." Denn zum Konzept von KÜR gehört auch die Öffnung für alle Altersgruppen in die gesamte Nachbarschaft. "In generationenübergreifenden Formaten laden wir dazu ein, an unserem Angebot teilzuhaben. Unser Ziel ist die Schaffung eines lebendigen und offenen Kulturorts für alle, die Förderung des Dialogs der Kulturen und Generationen sowie eines guten Zusammenlebens mit der Nachbarschaft", heißt es auf der Internetseite von KÜR. Kurse in Keramikdesign sind dabei ebenso im Angebot wie Töpferkurse. Gleich neben dem Gemeinschaftsraum mit der Theke befindet sich ein weiterer Raum mit einem Brennofen.

Fünf Jahre

Vorträge, Ausstellungen, Kurse, zwanglose Treffen: es ist viel geplant in dem alten Haus, in das bereits so viel Leben eingezogen ist. Das Projekt ist vorerst auf fünf Jahre angelegt. Das Kommunalreferat überlässt das Gebäude mietfrei, das Kulturreferat fördert das Programm mit jährlich bis zu 110.000 Euro. "Wir denken natürlich darüber hinaus und hoffen, dass es auch danach weitergeht", sagt Amelie Gürster. Dass das Ganze überhaupt möglich sei und Workshops bis Ende dieses Jahres kostenfrei angeboten werden können, sei nichtzuletzt auch der Unterstützung durch den Bezirksausschuss 11 Milbertshofen-Am Hart zu verdanken. Weitere Infos über KÜR und die Angebote gibt es unter www.kuer-milbertshofen.de im Internet. tab

"Mehr Platz"
Münchens Kulturreferent Anton Biebl sprach ein Grußwort zur Eröffnung des Kunstübungsraums Milbertshofen. Er betonte die Notwendigkeit eines Ortes für junge Kunstschaffende. "Junge Menschen brauchen mehr Platz in dieser Stadt und vor allem nicht-kommerzielle Räume. Mit dem Konzept KÜR sollen ihnen Möglichkeiten eröffnet werden, sich kreativ und künstlerisch zu erproben. Eigeninitiative, Experimentierfreude und Engagement stehen im Vordergrund – einfach mal machen lassen. Ich bin mir sicher, dass diese Freiheit inspirierend wirkt", so Biebl.

Artikel vom 27.10.2021
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