„Wir müssen uns an ihn erinnern“

Andreas M. Bräu über das Wirken von Wilhelm Hausenstein

Andreas M. Bräu unterrichtet am Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium Deutsch, Geschichte und Sozialkunde ist außerdem Hausenstein-Pate. Foto rechts: Hinterließ viele Spuren in München: Wilhelm Hausenstein. F: Wasilius / Wilhelm Hausenstein Gesellschaft

Andreas M. Bräu unterrichtet am Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium Deutsch, Geschichte und Sozialkunde ist außerdem Hausenstein-Pate. Foto rechts: Hinterließ viele Spuren in München: Wilhelm Hausenstein. F: Wasilius / Wilhelm Hausenstein Gesellschaft

München · „Dem Sieg geweiht, vom Krieg zerstört, zum Frieden mahnend“: Dieser Schriftzug dürfte wohl allen Münchnern bekannt sein. Seit Beendigung des Zweiten Weltkriegs ziert er die Südseite des Siegestores. Nicht so bekannt ist wahrscheinlich, dass diese Worte von Wilhelm Hausenstein (1882-1957) stammen. Dabei hat der gebürtige Hornberger viele Spuren in München hinterlassen.

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Dass Wilhelm Hausenstein nicht vergessen wird, dafür setzt sich Andras M. Bräu leidenschaftlich ein. Er ist nicht nur Autor und Schauspieler, sondern auch Lehrer für Deutsch, Geschichte und Sozialkunde am Wilhelm-Hausenstein-Gymnasium sowie Hausenstein-Pate. Tanja Beetz sprach mit Andreas M. Bräu.

"Deutliche Zeichen hinterlassen"

Nach Wilhelm Hausenstein ist ein Gymnasium in München benannt. Dennoch ist, verglichen mit anderen Namensgebern wie Thomas Mann oder Sophie Scholl, relativ wenig über ihn bekannt. Woran liegt das?

Andreas M. Bräu: Das ist schade, da er deutliche Zeichen in der Stadt hinterlassen hat, wie die Inschrift am Siegestor, die nach dem zweiten Weltkrieg von ihm stammt und einen starken Ort des Gedenkens schafft. Im Gegensatz zu Mann und Scholl war er nicht Teil des aktiven Widerstandes und kein Nobelpreisträger. Literaten und mutige Kämpfer für die Freiheit wie Sophie Scholl sind da freilich populärer. Hausenstein stellte sich gegen das Regime, seine Bücher wurden vernichtet und er war nach dem Krieg diplomatisch aktiv. Dabei hat er sich große Meriten bei der deutsch-französischen Aussöhnung erworben. Auch deshalb müssen wir uns an ihn erinnern.

"Sprachgewaltiger Kunsthistoriker"

Was fasziniert Sie an Wilhelm Hausenstein?

Andreas M. Bräu: Ich schätze den sprachgewaltigen Kunsthistoriker. Ich lese mit Begeisterung seine Münchenbeschreibungen, wenn er die Ursulakirche und die Stabi lobt, Italien in Schwabing findet und die Asamkirche beschreitet. Dabei fühlte er sich als junger Student zunächst unwohl in der nasskalten Stadt im Winter. Im Vergleich findet er gar Mannheim und Stuttgart schöner! Für einen Münchner ist das ein Sakrileg. Wie er aber seine endlich wachsende Liebe zu München und zur Kunstmetropole entdeckt und niederschreibt, das ist eine dermaßen schöne Beschreibung, dass sie noch heute als Stadtführer dient. Schauen Sie sich an, wie schön der die Frauenkirche beschreibt: „Man redet von ihr, als gäbe es nur eine einzige Kirche Unserer Lieben Frau. […] Alte Liebe der Einheimischen, die von den hohen Ufern der Isar, ja von der Terrasse des blühenden Schlossgartens zu Dachau und von den herbstlichen Kastanien des Freisinger Domhofes her die lichtgrünen Kuppeln sucht“. Bloß der Nacken tut ihm weh, als er zu den „grünen Helmen“ der Türme hinaufsieht. Die Begeisterung aber geht weiter. Selbst abwegige historische, gar heidnische Vergleiche scheut er nicht: „Eine Pyramide der Ägypter steht nicht einfacher und wesentlicher in der Wüste als diese Kirche über der lärmenden Einöde der großen Stadt.“

"Wir lesen sein Tagebuch"

Wie kann man das Interesse von Schülern an Persönlichkeiten wie Wilhelm Hausenstein wecken?

Andreas M. Bräu: Ich versuche einen biografischen Zugang. Wie fühlt sich ein junger Student im Jahr 1903 ganz allein in einer neuen Stadt? Dazu lesen wir seine Tagebuchaufzeichnungen und sehen uns München in dieser Zeit an. In dem Jahr sperrten der Alte Simpl und der Elisabethmarkt auf, wurde die erste Frau als Medizinerin promoviert und der erste Umzug fand mit einem Auto statt! Damit kann man historischen Kontext mit biografischen Erinnerungen verbinden. Danach hole ich sie wieder in der Jetztzeit ab und frage sie, warum Sie Französisch als Sprachrichtung gewählt haben und wir einen deutsch-französischen Freundschaftstag an der Schule feiern. Die Antwort liegt dann wieder nah bei der Aussöhnung der beiden ehemals verfeindeten Länder und der Tätigkeit Hausensteins für genau dieses Ziel.

"Welche Botschaft würden Sie mitgeben?"

Könnten Sie Wilhelm Hausenstein drei Fragen stellen, dann wären das ...

Andreas M. Bräu: Warum haben Sie den Posten als Chefredakteur der SZ, der Ihnen von den Amerikanern nach 45 angetragen wurde, abgelehnt?
Sie als Verfechter und Liebhaber des Barock, wie gefallen Ihnen die architektonischen Errungenschaften des 21. Jahrhunderts, das Museum Brandhorst, die Pinakothek der Moderne und die Exponate darin, da Ihnen ja damals sogar Picasso suspekt war?
Welche Botschaft würden Sie den Schülern des nach Ihnen benannten Gymnasiums mitgeben, die Sie an den Namenspatron erinnern soll?
tab

Artikel vom 02.03.2021
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