Demokratische Zumutung

Keine Bürgerversammlungen in Zeiten von Corona

Geht im Moment gar nicht: Klassische Bürgerversammlungen wie hier in Ottenhofen. Bürgermeisterin Nicole Schley (am Pult) hat die für heuer verschoben.  Foto: kw

Geht im Moment gar nicht: Klassische Bürgerversammlungen wie hier in Ottenhofen. Bürgermeisterin Nicole Schley (am Pult) hat die für heuer verschoben. Foto: kw

Landkreis-Erding · Beim Kommunalwahlkampf haben noch alle und zumeist auch ehrlich das Standard-Versprechen „Bürgernähe“ abgegeben, und jetzt das: Wer seine Bürgerversammlung nicht schon gehalten hat wird es nach Lage der Dinge heuer nicht mehr tun.

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Am bösesten erwischte es den frisch gebackenen Bockhorner Bürgermeister Lorenz Angermaier: Während es im ganzen Landkreis Erding Absagen von Bürgerversammlungen hagelte, erschien dort das Amtsblatt mit der Ankündigung der Bürgerversammlung am neunten November auf der Titelseite. Die unter Terminmangel leidenden Medienvertreter im Kreis spitzten schon gedanklich die Bleistifte.

Angermaiers Versammlung hätte mangels anderer redaktioneller Masse viel Platz bekommen in den Blättern. Tage später auch hier die kalte Dusche in Form einer neuerlichen Absage. Die Bürgermeister der Verwaltungsgemeinschaft Mauern hatten sich abgestimmt: Ab einem bestimmten Inzidenzwert wird abgesagt. Der war schnell überschritten. Am längsten wartete Langenpreisings Gemeindechef Josef Straßer ab. Er hätte am 10. November halten wollen. Auch er musste sich schließlich dem Diktat beugen und sagte ab.

Gerade er, der wie kaum ein anderer Bürgerbeteiligung auf seine Fahne geschrieben hatte und auch schon dabei war, dies umzusetzen, musste also auch die zentrale Möglichkeit, sich einzubringen, abblasen. „Für mich ist das keine lästige Pflichtübung“, beeilte er sich in der jüngsten Sitzung des Gemeinderats klar zu stellen. Dabei hatten die Bürgermeister quer durch den Landkreis enorm viel Gehirnschmalz in die Sache gesteckt. Wartenbergs Gemeindechef Christian Pröbst hatte gar vier Versammlungen in vier Ortsteilen angesetzt, um nicht zu viele Menschen zusammen kommen zu lassen. Vier Hygienekonzepte für vier Säle, vier genaue Berechnungen über Höchst-Teilnehmerzahlen, und dann war doch alles umsonst.

Es gab einiges Interesse an einem Versuch aus dem Nachbarkreis Freising, wo der Bürgermeister von Eching seine Bürgerversammlung – deutlich vor dem Lockdown – als Live-Stream online gestellt hat. Gemeinderatssitzungen finden statt. Noch. Die Bedingungen sind teilweise schwierig. So tagen die Ottenhofener in der Josef-Vogl-Halle, also der Schulsporthalle. Die Akustik lässt zu wünschen übrig, die Öffentlichkeit, die hier übrigens recht gut vertreten ist, versteht längst nicht immer alles, was schon zu Kritik geführt hat.

Bürgermeisterin Nicole Schley muss immer wieder darum bitten, laut, langsam und deutlich zu sprechen, zumal eine Lautsprecheranlage einfach nicht „drin“ ist. Auf kreisweites Interesse der Kommunalpolitik stößt derweil ein Experiment, das ein Vereinsvorsitzender am 8. November gemacht hat: Dominik Rutz nutzt für die Hauptversammlung des Imkervereins Wartenberg das Programm, das auch für Online-Unterricht von Schulklassen genutzt wird und hält die Versammlung als virtuelles Meeting ab, wie es die Industrie schon lange kennt.

Wer teilnehmen will bekommt einen Link zugesandt. Viele Bürgermeister bleiben bei der klassischen Präsenz-Versammlung und denken mehr oder weniger laut über Nachholtermine nach, ohne sich angesichts der aktuellen Lage jetzt schon festlegen zu können. kw

Artikel vom 15.11.2020
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