So ähnlich und so anders

Wie feiern orthodoxe Christen Weihnachten?

Warum ist für einige "nach" Weihnachten "vor" Weihnachten? Foto: Daniel Mielcarek

Warum ist für einige "nach" Weihnachten "vor" Weihnachten? Foto: Daniel Mielcarek

München · Können Sie sich vorstellen, mit dem Weihnachtsfest bis zum 7. Januar zu warten? Viele räumen schon direkt nach dem 27. Dezember den Weihnachtsbaum und die Lichterketten in den Keller und schalten den Radiosender um, sollte er immer noch "Last Christmas" spielen. Doch ein besonderer Teil der Christen kommt dann erst so richtig in Weihnachtsstimmung, denn für sie ist "nach" Weihnachten "vor" Weihnachten. Warum ist das so?

München ist bekanntlich lange nicht mehr einfach nur katholisch. Und Weihnachten ist nicht für jeden im Dezember. Auch nicht für Bakar, 25 Jahre alt, denn er ist orthodoxer Glaubensanhänger. Er ist aus Georgien zum Studieren ins internationale Garching hergekommen. Abgesehen von seinem Studium der Informatik, trifft er auch jeden Sonntag viele weit Hergereiste: eben bei der georgisch-orthodoxen Kirchengemeinde in Ludwigsfeld.

Während Katholiken und Protestanten ab dem Heiligen Abend, dem 24. Dezember, das Weihnachtsfest einläuten, sind es die Orthodoxen, die sich Zeit lassen und später feiern. Oder sind es die Katholiken und Protestanten, die zu früh feiern?

Jedenfalls beträgt die Differenz zwischen den beiden Weihnachtsfesten genau 13 Tage. Aus dem so einfachen wie komplexen Grund, da es unterschiedliche Kalender gibt. Die katholischen und evangelischen Glaubensanhänger denken nach dem neu aufgelegten gregorianischen Kalender und die orthodoxen (mit Ausnahme u.a. der Griechen) nach dem viel älteren, julianischen Kalender. Sie nennen sich treffend "Altkalendarier". Bei ihnen fällt Weihnachten auf den 7. Januar.

Tamaz Lomidze ist Priester der georgischen orthodoxen Kirchengemeinde Hl. König Vakhtang Gorgasali in München. Ihre Gottesdienste halten die Georgier in München seit 2006 in der Gogathakirche in Ludwigsfeld ab. Die wichtigsten demnächst sind am 6. Januar um 16:30 Uhr (Abendgottesdienst) sowie am 7. Januar um 9:30 Uhr (Heilige Liturgie). Es wird gebetet, gesungen und: gegrillt. Denn hinter der Kirche befindet sich ein großzügiger Garten.

Das Kirchengebäude selbst wirkt von außen nicht besonders prunkvoll, geradezu unscheinbar, fast wie ein normales Einfamilienhaus. Doch bietet sie innen jede Woche rund 60 bis 100 regelmäßig zu dem Gottesdienst erscheinenden Menschen Raum für die Gebete: georgische wie auch deutsche, alle sind willkommen. Am georgischen Weihnachten werden bis zu 400 Besucher erwartet.

Beim Betreten des Gotteshauses fallen die vielen bunten und gold verzierten Bilder ins Auge, die so genannten "Ikonen". Das sind Darstellungen von Jesus und den Heiligen, zu denen teils bekannte Georgier gehören. Sie sind allesamt auf einer Höhe aufgehängt und somit im wahrsten Sinne des Wortes zum Anfassen nah.

Zu den Heiligen gibt es in der orthodoxen Kirche keine Distanz. Viele küssen ihre Abbildungen und fühlen sich so den Heiligen nahe. Die Gebete erfolgen oftmals singend und ohne Orgelbegleitung. Da merkt auch das ungeschulte Ohr, dass viele sehr fromm und stimmlich exzellent in Übung sind. Professionell anmutend singen sie einen Großteils des Gottesdienstes hindurch.

Nicht nur die Ohren, auch die Nase erfreut sich an den Sinneseindrücken. Der Weihrauch ist genauso Bestandteil des Gottesdienstes wie bei den anderen Christen. In der Kirche ist es hell und warm - dank der vielen Kerzen, die die Kirchgänger anzünden. Sie machen es sich also ziemlich angenehm in dem Gottesdienst, was sehr einleuchtend ist, schließlich harren sie für einen Gottesdienst mindestens zwei bis drei Stunden stehend aus. Bänke gibt es nur in Ausnahmefällen direkt an den Wänden.

In Anbetracht der beeindruckenden Länge kommt es oft vor, dass einige Kirchgänger zum Gottesdienst erst später dazustoßen. Wenn sie die Kirche betreten, wählen sie sich ein freies Plätzchen, auch in der Nähe der so genannten "Himmelspforte", aus. Nur betreten dürfen sie sie nicht, denn sie ist dem Priester, respektive seinen Ministranten vorbehalten. Hinter dieser Himmelspforte befindet sich nämlich das "Himmelsreich".

Wenn die Gebete und der gesamte Gottesdienst vorbei sind, geht es wieder in die Münchner Welt. Und genau da findet seit einigen Jahren Weihnachten mehr als nur einmal statt: dank der georgischen Gemeinde und den vielen weiteren Konfessionen, die in München leben und glauben. Und wenn ein Georgier in München "besonders brav" war, kann er es sogar zweimal feiern, freut sich Bakar.

Daniel Mielcarek

Orthodoxe in München
Die orthodoxen Gläubigen leben unter anderem in Russland (ca. 100 Millionen), Serbien (ca. 8 Millionen), Griechenland (ca. 10 Millionen) und Georgien (ca. 3 Millionen). Wandern sie aus, gründen sie oft eine Gemeinde im Ausland und veranstalten Gottesdienste auf ihren Sprachen und auch auf deutsch. So auch in München, wo es unter anderem:
die Russisch-Orthodoxe Kirche (Lincolnstraße 58),
die Serbisch-Orthodoxe Kirche (Putzbrunner Str. 49) und
die Griechisch-Orthodoxe Kirche (Salvatorstraße 17) gibt.
Die Georgisch-Orthodoxe Kirche befindet sich aktuell in der Kristallstraße 8.
Weitere Infos zur georgisch-orthodoxen Gemeinde in München gibt es unter www.eklesia-gorgasali.de

Artikel vom 30.12.2019
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