In schweren Zeiten da sein

Christel Karger sieht ihr Ehrenamt als Selbstverständlichkeit

»Die Ehrung war sehr menschlich und nett«: Aus den Händen von Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml (rechts) erhielt Christel Karger vom Hospizkreis Ismaning vor kurzem den »Weißen Engel«, eine Auszeichnung des Freistaats Bayern.	Foto: StMGP

»Die Ehrung war sehr menschlich und nett«: Aus den Händen von Gesundheits- und Pflegeministerin Melanie Huml (rechts) erhielt Christel Karger vom Hospizkreis Ismaning vor kurzem den »Weißen Engel«, eine Auszeichnung des Freistaats Bayern. Foto: StMGP

Ismaning · Jeder Autofahrer kennt die »Gelben Engel«. Weniger prominent ist der »Weiße Engel«, bei dem es sich um eine hohe Auszeichnung des Freistaats Bayern handelt. Wenn man so will, ist auch Christel Karger ein weißer Engel: Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) hat die 76-jährige Mitbegründerin des Hospizkreises Ismaning vor kurzem für ihr langjähriges ehrenamtliches Engagement ausgezeichnet.

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Dazu gekommen war Christel Karger durch einen schweren Schicksalsschlag in der eigenen Familie.

Maximal 70 Personen in Bayern, zehn pro Regierungsbezirk, können jährlich den »Weißen Engel« erhalten. Christel Karger ist jetzt eine von ihnen. Vor drei Wochen war sie in Schloss Nymphenburg, um Urkunde und Ehrennadel entgegenzunehmen. Ministerin Melanie Huml würdigte damit besonderes ehrenamtliches Engagement im Bereich Gesundheit und Pflege. »Die ehrenamtlich Tätigen sind Vorbilder für gelebte Mitmenschlichkeit«, betonte Huml bei der Ehrung.

Christel Karger war sehr überrascht, für den Preis vorgeschlagen worden zu sein. »Ich hätte nicht damit gerechnet«, meint die 76-jährige Ismaningerin im Gespräch mit dem Landkreis-Anzeiger. »Ich sehe mein Ehrenamt als eine Selbstverständlichkeit an.« Die Ehrung habe ihr sehr gut gefallen, erzählt Karger. »Die Ministerin hat das menschlich und nett gestaltet.«

Im Jahr 2003 gründete sich der Hospizkreis Ismaning. Christel Karger hat den Verein mitaufgebaut. Seit 2008 ist sie zweite Vorsitzende. »Hospiz«, abgeleitet vom lateinischen Wort für Herberge (hospitium), das bedeutet: Sterbende und Trauernde zu begleiten und betreuen. Keine leichte Aufgabe, schließlich gilt der Tod für viele als Tabuthema. »Menschen machen sich oft keine Gedenken, was es bedeutet, wenn jemand nicht mehr da ist«, sagt Christel Karger. »Bis sie selbst davon betroffen sind.«

Karger, die seit über 50 Jahren in Ismaning lebt, weiß, wovon sie spricht: 1999 starb ihr Ehemann nach schwerer Krankheit relativ jung. »Man ist etwa ein Jahr lang wie gelähmt, fühlt sich wie ein Stein, kann nichts mehr empfinden«, sagt Karger. Vielen Menschen gehe es so, wenngleich es manch-einer schneller wegstecke. Christel Karger hatte ihren Mann bis zu seinem Tod begleitet. Sie beschäftigte sich viel mit Sinnfragen. Zwei Jahre nach dem Schicksalsschlag begann sie mit der Hospizarbeit. Karger, die beruflich Gedächtnistraining lehrte, ließ sich ausbilden und half, den Hospizkreis Ismaning zu etablieren. Heute ist der Verein mit Sitz im neuen Hillebrandhof einer von 17 Hospizdiensten im Landkreis München.

Im Einsatz auch am 24-Stunden-Telefon

Der Hospizkreis Ismaning arbeitet zu 100 Prozent ehrenamtlich. Die Mitarbeiter kämen pro Vierteljahr auf 60 bis 100 Stunden, erläutert Karger. Neben Sprechstunden, Informationsveranstaltungen und Büroarbeit lautet ihre Hauptaufgabe: bei Bedarf einfach da zu sein. »Wir werden angefordert«, sagt Christel Karger. »Die Leute rufen bei uns an, wenn es Verwandten schlecht geht oder jemand im Sterben liegt.« Hierfür hat der Hospizkreis ein 24-Stunden-Telefon eingerichtet, dessen Dienst auch Karger zeitweise übernimmt. In der Woche, bevor sie den »Weißen Engel« erhielt, gab es drei Anfragen. »Allerdings werden wir meist erst so spät angefordert, dass wir keine lange Beziehung zum Sterbenden mehr aufbauen können«, erläutert Christel Karger. Zur Hospizarbeit gehört dann vor allem, die trauernden Hinterbliebenen bestmöglich zu betreuen und zu beraten.

»Ich wünsche mir, dass wir nicht erst so spät gerufen werden«, sagt Karger. Die Leute sollten das Angebot annehmen. Für alle Betroffenen sei die Betreuung durch den Hospizdienst eine Hilfe gewesen, erklärt die 76-Jährige. »Gerade Menschen, die alleine sind, sind sehr dankbar, wenn jemand vorbeikommt.« Christel Karger selbst ist als zweifache Mutter und achtfache Oma nicht allein. Ihre Familie bringe viel Verständnis für das Zeit in Anspruch nehmende Ehrenamt auf, betont sie.

»Es ist schön, wenn sich jemand freut«

In 15 Jahren als Hospizhelferin hat Karger schöne Momente erlebt, aber natürlich auch traurige. »Wenn jemand sich gefreut hat, dass ich mit ihm seine Zeit geteilt habe, dann war das schon schön für mich«, sagt Christel Karger. »Man denkt dann: Das ist mir gut gelungen!« Um die traurigen Erlebnisse nicht so sehr an sich heranzulassen, gebe es verschiedene Techniken, erklärt sie. »Wir reden später auch intern darüber.« Nach außen darf nichts dringen – es gilt die Schweigepflicht. »Wenn es in einer Situation nicht mehr geht, kann man sich Hilfe vom Supervisor holen«, sagt Christel Karger. Grundsätzlich helfe ein gewisser Abstand. Und man müsse lebensbejahend denken.

Den »Weißen Engel« braucht die Ismaningerin indes nicht als Ansporn für ihre Tätigkeit. »Man fühlt sich innerlich verpflichtet, zu helfen – oder eben nicht«, betont Christel Karger. Die Gesundheitsministerin hat für ihr großes Engagement viele lobende Worte gefunden. »Dank ihrer einfühlsamen Art gelingt es ihr, mit schwerstkranken Menschen über Tod und Sterben zu sprechen«, sagte Melanie Huml bei der Ehrung. »Sie schafft es, in dieser schwierigen Lebenssituation für sie da zu sein, zuzuhören und im richtigen Moment zu reden oder zu schweigen.«

Hospizarbeit bezweckt dabei weder, den absehbaren Tod zu beschleunigen noch diesen hinauszuzögern: Es geht um das Begleiten des Sterbenden – und darum, das Schicksal anzunehmen. »Schließlich sind wir alle mit dem Tod auf die Erde gekommen«, meint Christel Karger.

Benjamin Schuldt

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Artikel vom 01.05.2018
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