Tatort Hauptbahnhof

Die Bundespolizei klagt über Behinderungen bei der Arbeit

Am Hauptbahnhof kommt es immer wieder zu Zwischenfällen. Auch Münchner Bürger benehmen sich daneben.	Foto: Bundespolizei

Am Hauptbahnhof kommt es immer wieder zu Zwischenfällen. Auch Münchner Bürger benehmen sich daneben. Foto: Bundespolizei

München · Ein Dienstagabend in diesem August: Die Bundespolizei muss bei einem erbitterten Streit zweier 24-Jähriger im Münchner Hauptbahnhof einschreiten. Ein Togoer soll durch ungebührliche Belästigungen die Begleiterinnen der beiden im Englischen Garten vergrault haben.

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Offensichtlich Grund für seinen Freund aus Mauretanien, ihn mit der Faust ins Gesicht zu schlagen und zwischen Bahnsteigkante und einen stehenden Zug zu stoßen. Erst eine Streife der Bundespolizei kann die Streithähne mühevoll trennen. Zwei Beamte erleiden dabei leichte Verletzungen und müssen dem Togoer Handfesseln anlegen. Denn er ist so aggressiv, dass er sich auf dem Weg zur Dienststelle gegen die Laufrichtung sperrt und mithilfe weiterer Polizisten zur Wache getragen werden muss. Wo man noch einen Alkoholwert von 1,7 Promille ermittelt. Wieder so ein Fall, wie sie sich in letzter Zeit zu häufen scheinen? Immer wieder Ausländer, die streiten, rauben oder sich ziemlich heftig daneben benehmen?

»Ohne Statistik kann ich das nicht bestätigen«, sagt Simon Hegewald, Sprecher der Bundespolizei. Generell bewegten sich die Straftaten derzeit auf Vorjahresniveau, so der Polizist, »die Münchner Bahnhöfe haben sich nur zu Treff- und Infopunkten vieler Menschen aus fremden Ländern und junger Männer aus Afrika entwickelt. Entsprechend ballen sich hier die Delikte.«

Was der Polizei die größeren Sorgen bereitet, ist der zweite Teil des Vorfalls. Hegewald nennt es die »falsch verstandene Zivilcourage.« Sie führte nämlich dazu, dass der Abtransport des Togolesen an johlenden, pöbelnden und fotografierenden Menschen vorbei erfolgte. Denn ob in Bahnhöfen, Discos, Vergnügungsparks oder auf offener Straße: Dass sich immer mehr Menschen bemüßigt fühlen, aktiv in die Arbeit der Polizei einzugreifen, scheint ein neuer Trend zu sein. Es wird gefilmt, geflucht, geschimpft und – meist gegen die Polizei – Partei ergriffen. »Das geht von massiven Beleidigungen bis hin zu Sprechchören und der Verhinderung von Festnahmen«, so Hegewald, »gerade, wenn der Alkohol alle Hemmungen weggespült hat.«

Die weiblichen Polizisten bekommen das besonders schmerzhaft zu spüren, wenn die Ausfälle tief unter die Gürtellinie zielen.

»Das macht uns die Arbeit in letzter Zeit immer schwerer«, so der Pressesprecher. Dabei könnten die selbsternannten Richter gar nicht wissen, was im Einzelfall hinter einer Maßnahme steht. Manch harmlos erscheinender Zeitgenosse wird vielleicht schon länger gesucht, manche Straftat mag Stunden zurückliegen.

»Wir Beamten würden uns da Zurückhaltung und Vertrauensvorschuss von den Bürgern wünschen, um der Polizei die Arbeit nicht zusätzlich zu erschweren.« Schließlich weiß sie schon, was sie tut. Und mit den Möglichkeiten der modernen Medientechnik wird auch alles unternommen, um die Gerechtigkeit nicht dem Zufall zu überlassen.

So sind beispielsweise seit dem Frühjahr sogenannte »Bodycams«, die mobilen Körperkameras, bei der Münchner Polizei in Erprobung. Die beiden Ausführungen als Brust- oder Schulterkamera besitzen ein Weitwinkelobjektiv, mit dem sich Einzeltäter gerade bei größeren Tumulten und Gruppenbildung leichter überführen lassen. Dass sich ein mit Kamera ausgestatteter Beamter mit gelb-schwarzem Aufkleber zu erkennen geben und jede Filmaufnahme vorher ankündigen muss, hat zweierlei Funktionen: Nur so erkennt der Richter die Bilder auch als Beweismittel an. Zudem hat sich bei sogenannten Standardmaßnahmen, wie etwa Routinekontrollen, gezeigt: Bereits der bloße Hinweis auf einen möglichen Kameraeinsatz übt auf viele aggressive Personen eine abschreckende Wirkung aus. Allerdings nicht auf alle. Von einzelnen, sehr gewaltbereiten Störern wird selbst die Kamera ignoriert. Das Aggressionspotenzial überlagert hier jegliche Skrupel.

Immerhin: In den vergangenen Monaten wurden die Körperkameras runde 125-mal getragen. Von 21 Aufnahmen wurden 17 wieder gelöscht. In vier Fällen wurden die bewegten Bilder gesichert und für strafrechtliche Ermittlungen verwandt.

Auch in Anbetracht kleinerer Kinderkrankheiten, hat sich das System »Bodycam« aber bisher bewährt. Was sich die Polizei allerdings noch dringend wünschen würde, so Simon Hegewald, wäre die zusätzliche Ausstattung mit Mikrofonen.

Denn den allergrößten Teil der Einsatzgründe machen stark alkoholisierte Personen aus. Und damit überwiegend die verbalen Beleidigungen und Bedrohungen.

Die Bundespolizeiinspektion München ist zuständig für die Gefahrenabwehr und Strafverfolgung im Bereich der Anlagen der Deutschen Bahn und im größten deutschen S-Bahnnetz mit über 210 Bahnhöfen und Haltepunkten auf 440 Streckenkilometern. Der Zuständigkeitsbereich umfasst neben der Landeshauptstadt und dem Landkreis München die Landkreise Dachau, Ebersberg, Erding, Freising, Fürstenfeldbruck, Miesbach, Starnberg und Bad Tölz-Wolfratshausen. Beheimatet ist die Inspektion unter anderem im Münchner Hauptbahnhof neben Gleis 26. Telefonnummer rund um die Uhr: 0 89/51 55 50-0.

Um die Arbeit noch effektiver zu gestalten, haben sich Bundespolizei und Landespolizei zusammengetan und laufen seit einiger Zeit gemeinsam Streife. Schließlich geht es ja immer nur um unsere Sicherheit. ph

Artikel aktualisiert am 22.08.2016

Artikel vom 22.08.2016
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