Villa im Zaubergarten

Bogenhausen · Luxus für Millionenbetrag: Thomas Mann-Villa wechselt den Besitzer

Besitzerwechsel: Die Thomas-Mann-Villa im Herzogpark wurde für 30 Millionen Euro verkauft.	Foto: hgb

Besitzerwechsel: Die Thomas-Mann-Villa im Herzogpark wurde für 30 Millionen Euro verkauft. Foto: hgb

Bogenhausen · Es ist eines der schönsten und wohl auch luxuriösesten Eigenheime in München, mit Sicherheit eines der teuersten, wenn nicht gar das teuerste: Die nach historischen Vorbildern 2006 wieder erbaute Thomas-Mann-Villa an der Thomas-Mann-Allee im noblen Herzogpark.

Unlängst wechselten Anwesen und Areal, wo einst der berühmte Schriftsteller und Nobelpreisträger fast 20 Jahre gelebt hatte – sein Todestag jährte sich am 12. August zum 60. Mal – den Beisitzer: Für in Immobilienkreisen kolportierte mehr als 30 Millionen Euro.

Nomen est Omen, der Name ist ein Zeichen: Der neue Eigentümer des Prachtbaus heißt laut dem Magazin Wirtschaftswoche, das sich auf einen Grundbucheintrag bezieht, Thomas Manns. Wohlgemerkt mit einem »s« am Ende des Namens. Der in der Öffentlichkeit wenig bekannte, 37-jährige Käufer stammt aus Osterode unweit von Göttingen. Er hatte 1998 nach dem Tod seines Vaters die Führung des Familienunternehmens Pema übernommen. Die Firma vermietet Lastwagen an Speditionen. Zehn Jahre später verkaufte Manns den Konzern mit einer Flotte von 15.000 Fahrzeugen. Er ist seither als strategischer Investor tätig.

Das Grundstück unweit der Isar hatte 2001 Alexander Dibelius erworben, früherer Deutschland-Chef von Goldman Sachs. Fünf Jahre später ließ er laut Immo-Insidern für angeblich zehn Millionen Euro die Thomas-Mann-Villa nach den Originalplänen von 1913 – zumindest äußerlich – durch seinen Cousin Thomas, von Beruf Architekt, rekonstruieren. Das Prestigeobjekt hat 1.200 Quadratmeter Wohnfläche auf vier Ebenen. Laut Dirk Heißerer, Vorsitzender des Thomas-Mann-Forums, sind die Maße des Hochparterres in etwa gleich geblieben. An jener Stelle, an der einst Manns Schreibtisch stand, befindet sich nun eine Sitzecke auf Glasboden mit Blick auf einen Swimmingpool im Souterrain. In den beiden Untergeschossen gibt’s noch eine Fitnessanlage samt direkten Parkzugang und Außenpool sowie eine Tiefgarage für etwa ein halbes Dutzend Fahrzeuge.

Thomas Mann, genauer Paul Thomas Mann, am 6. Juni 1875 in Lübeck geboren, Spross einer reichen Kaufmannsfamilie, hatte 1891 das Gymnasium in der Obersekunda verlassen und war seiner Mutter und den Geschwistern nach München gefolgt. Zunächst hatte er als Volontär gearbeitet, war danach als freier Schriftsteller sowie als Lektor und Korrektor bei der satirischen Zeitschrift »Simplicissimus« tätig. Im Februar 1905 hatte er Katia Pringsheim, Tochter einer angesehenen Münchner Familie, geheiratet. Aus der Ehe gingen sechs Kinder hervor, wobei Erika, Klaus und Golo wie er und sein älterer Bruder Heinrich als Schriftsteller gearbeitet hatten. Die Familie hatte zuerst in Schwabing und anschließend in der Mauerkircherstraße 13 in Bogenhausen gewohnt. Der leidenschaftliche Spaziergänger Thomas Mann war von hier aus fast täglich mit seinem Hund Bauschan – verewigt in der Novelle Herr und Hund – zu Wanderungen durch die damals unbebaute, teils wilde Landschaft bis nach Unterföhring gestartet. Verewigt ist der Herzogpark mit seiner Aussage: »Das ist kein Wald und kein Park, das ist ein Zaubergarten, nicht mehr und nicht weniger.«

Für die Großfamilie hatte Mann dann ein größeres Zuhause benötigt. Er kaufte das Grundstück Poschinger Straße 1, die heutige Thomas-Mann-Allee 10, ließ eine mehrstöckige Villa bauen, die von den Kindern beim Bezug im Januar 1914 liebevoll »Poschi« getauft wurde. 1929 erreichte Mann dort die Nachricht, dass er für den Nobelpreis ausgewählt worden war.

Der Hausbau hatte den Schriftsteller finanziell extrem beansprucht, er sah sich nach eigenem Bekunden »zur allergrößten Sparsamkeit gezwungen«. Unberührt waren davon die regelmäßigen Abstecher in sein Stammlokal »Restauration Herzogparkquelle« zu Treffen auch mit Erich Kästner geblieben. In der nicht mehr bestehenden Wirtschaft an der Mauerkircherstraße 40 hatte über lange Zeit der Bezirksausschuss Bogenhausen getagt. Heute befinden sich dort Geschäftsräume.

Kurz nach Hitlers Machtergreifung 1933 war die Familie nach einer Vortragsreise ins Exil in die Schweiz gegangen. Die Villa wurde beschlagnahmt, Mann enteignet, die Organisation »Lebensborn« bezog das Haus. Obwohl bei einem Bombenangriff 1944 schwer beschädigt, wurden später in dem Gebäude viele russische Flüchtlinge untergebracht.

Nach der Rückerstattung plus 3000 Mark für entgangene Mieteinnahmen ließen die zurückgekehrten Thomas und Katia Mann – entsetzt ob des Zustands »der entstellten Poschi« – das Haus 1952 abreißen. Das Ruinengrundstück wurde an den Apotheker Otto Roeder verkauft – für 20.000 Mark. Der ließ auf den noch vorhandenen Grundmauern einen kleinen Bungalow bauen, der 2002 wieder abgetragen wurde.

Roeders Erben veräußerten das geschichtsträchtige Areal Ende der neunziger Jahre an Florian Haffa, Miteigentümer des Unternehmens EM.TV. Mit dem Absturz des Konzerns an der Börse, waren auch die hochfliegenden Pläne Haffas dahin. Schließlich kaufte Alexander Dibelius das Grundstück und baute die Luxus­immobilie. Es fand also eine Art Wiederauferstehung der »Poschi« statt. Doch nicht alle Nachbarn konnten sich mit dem schillernden Investmentbanker anfreunden, man traf sich gar vor den Schranken des Gerichts. Und ein Scheidungskrieg im Hause Dibelius sorgte für Schlagzeilen.

Schließendlich verkaufte Dibelius das Schmuckstück: Thomas Manns Villa ist nunmehr die Villa Thomas Manns. Helmut G. Blessing

Artikel vom 18.08.2015
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