Stichtag rauchfrei

Nikotinentwöhnung: Nico Mulatz bietet Sozialprojekt »REFAM«

Victor Schiau (l.) will nach seinem 33. Geburtstag aufhören zu rauchen. Hypnosetherapeut Nico Mulatz soll ihm dabei helfen.	Foto: Kirsten Ossoinig

Victor Schiau (l.) will nach seinem 33. Geburtstag aufhören zu rauchen. Hypnosetherapeut Nico Mulatz soll ihm dabei helfen. Foto: Kirsten Ossoinig

Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt · Für Nico Mulatz, Hypnosetherapeut mit Räumen in der Jahnstraße, beginnt heute ein besonderes Projekt: Zum ersten Mal können sich ab dem heutigen Mittwoch, 11. September, arbeitssuchende Münchner bei ihm melden, denen er eine kostenlose Hypnosesitzung zur Raucherentwöhnung anbietet.

Die Idee für sein soziales Projekt »Raucherentwöhnung für arbeitssuchende Münchner« (REFAM) kam dem Hypnosetherapeuten, nachdem ihn ein Hartz-IV-Empfänger angerufen hat, der ihm erzählte, er habe sich das Geld für die Hypnosetherapie mühsam zusammengespart. Die Preise für eine Therapie liegen zwischen 250 und 350 Euro. Mulatz hat nun vor, jeden Monat kostenlos einen Termin für zehn Harz-IV-Empfänger anzubieten, die aufhören wollen zu rauchen.

Victor Schiau hat einen Job – aber mit dem Rauchen aufhören will er trotzdem: Sein »Stichtag« ist sein 33. Geburtstag am 29. September. Gelingen soll das ebenfalls mit Hilfe von Nico Mulatz. Schiau ist verzweifelt. In den vergangenen Jahren hat er oft versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. Durch das Nikotin hat er körperliche Beeinträchtigungen: Er ist beim Sport nicht mehr so leistungsfähig und kommt beim Treppensteigen außer Atem. Außerdem entspricht diese Sucht seiner Ansicht nach nicht mehr dem Zeitgeist: »So viele Menschen rauchen mittlerweile nicht mehr – und mir wird das langsam peinlich.« 2005 hat er es sogar für drei Monate geschafft, aufzuhören. Dann ist er rückfällig geworden – aus einem nichtigen Grund: Er hat eine neue Arbeitsstelle angetreten. Was ja eigentlich überhaupt nicht plausibel ist als Grund für einen Rückfall, aber wohl zeigt, wie sehr der Körper nach dem Gift lechzt. Seither versucht Schiau immer wieder, die Finger von den Zigaretten zu lassen – bislang vergeblich. Nun soll es eine Hypnosesitzung bei Nico Mulatz richten. Skeptisch gegenüber dieser Methode ist Viktor Schiau nicht, er hat auch keine Angst vor der Hypnose. Hilfreich ist hier für ihn vielleicht, dass er Nico Mulatz bereits seit eineinhalb Jahren kennt, das schafft Vertrauen.

Für den Hypnosetherapeuten sind Bedenken seiner Klienten, Ängste und auch der Frust, dass man es nicht alleine schafft, mit dem Rauchen aufzuhören, nichts Neues. Schließlich hat er selber über zehn Jahre geraucht. Und hat bei seinen vielen Versuchen, aufzuhören, alles selbst erlebt: Frust, weil es mit der Nikotinabstinenz einfach nicht klappen wollte. Scham vor Verwandten und Freunden, weil Mulatz wieder einmal »versagt« hatte. Jeder Rückfall ist für den 31-Jährigen damals eine »Riesenenttäuschung« gewesen. Und Mulatz dachte früher, dass er das alleine schaffen müsse. »Was total irrsinnig ist, denn sonst holt man sich ja auch Hilfe, etwa um den Führerschein zu machen – Autofahren lernt man ja schließlich auch mit Fahrlehrer.« Durch Zufall ist er im Internet auf Rauchentwöhnung mittels Hypnose gestoßen. Und so hat er kurzerhand die Hypnosetherapeutin angerufen, die gleich am Telefon durch gezielte Fragen für eine vertrauensvolle Basis gesorgt hat – so wie Nico Mulatz das heute mit seinen Klienten auch tut. Bis zu seinem Hypnosetermin durfte der 31-Jährige damals noch weiter rauchen. Die letzte Zigarette zündete er sich direkt vor seiner Hypnosesitzung vor den Therapieräumen an – die letzte von gleich vier hintereinander.

Begeisterung führte zu Jobwechsel

Mulatz hat es so geschafft, mit dem Rauchen aufzuhören – damals war er 25. Und so begeistert von dem Verfahren, dass er einige Jahre später seinen Beruf als Versicherungskaufmann an den Nagel gehängt hat und selbst mehrere Ausbildungen im therapeutischen Bereich absolviert hat. Spezialisiert hat er sich dann auch auf die Raucherentwöhnung durch Hypnose, denn das liegt ihm. Wer zu Nico Mulatz kommt, um sich hypnotisieren zu lassen, führt mit ihm zunächst ein Gespräch: Bei diesem »kognitiven Wirkdialog«, wie es im Fachjargon heißt, werden laut Mulatz Motivation und Entschlossenheit gestärkt.

Mulatz nimmt außerdem Ängste, erklärt generell die Sitzung, aber auch, wie der Körper auf die Nikotinabstinenz reagieren wird. Denn die Hypnose erleichtert zwar das Aufhören, aber natürlich »fehlt« dem Körper zunächst das Gift, das ihm jahrelang zugeführt wurde. So können etwa Unruhe, Gereiztheit und Müdigkeit auftreten. Laut Mulatz ist das aber nur ein Zeichen für die Heilung des Körpers.

Wer raucht, gewöhne sich dadurch über Jahre hinweg Verhaltensweisen an, die tief im Unterbewusstsein verankert sind: etwa das Rauchen in bestimmten Situationen, nach dem Essen, in Stresssituationen, erkärt der Hypnosetherapeut. Außerdem sei die Zigarette mit positiven Gefühlen besetzt: als Trost, als Belohnung, zur Entspannung. Diese »Verknüpfungen« würden mit der Hypnose aufgelöst, das Raucherdasein aus dem Unterbewusstsein »gelöscht«.

Bei der Hypnose bekommt der Klient im Übrigen alles mit, nur rücken Umgebungsgeräusche in den Hintergrund, die Stimme des Therapeuten dafür in den Vordergrund. Körper und Geist »fahren herunter«, man ist entspannt. In dieser Situation setzt Nico Mulatz »Wirksuggestionen« ein, das heißt, er erzeugt hier während der Hypnose verbal Bilder zu den Vorteilen des Nichtrauchens.

Auf Zertifizierung achten

Wer sich für Rauchentwöhnung mittels Hypnose interessiert, sollte bei der Suche nach dem richtigen Therapeuten auf jeden Fall auf Zertifizierungen achten. Denn leider, sagt Mulatz, sei der Begriff »Hypnosetherapeut« nicht geschützt. Aus diesem Grund hat der 31-Jährige auch die Gründungsurkunde des Deutschen Verbandes für Hypnose München mit Sitz ebenfalls in der Jahnstraße mit unterschrieben. Diesen Verein gibt es seit 2008. Mittlerweile hat er rund 500 Mitglieder.

Wer in den Verband aufgenommen werden will, muss bestimmte therapeutische Ausbildungen nachweisen können. »Außerdem wollten wir eine Plattform haben, auf der wir uns austauschen können«, erklärt Mulatz einen weiteren Anlass für die Vereinsgründung. Wer sich über die Raucherentwöhnung mittels Hypnose informieren will, für den bietet Nico Mulatz eine kostenlose Informationsveranstaltung an am Montag, 16. September, um 19 Uhr in den Verbandsräumen, Jahnstraße 35.

Wer sich am Projekt »REFAM« beteiligen will, erreicht Nico Mulatz unter Tel. 12 28 07 40 oder per E-Mail unter kontakt@sani-rauchfrein.de. Weitere Infos gibt es im Internet unter www.sani-rauchfrei.de.

Laut dem Drogen- und Suchtbericht 2013 der Bundesregierung stellt das Rauchen mit etwa 110.000 Todesfällen pro Jahr das größte vermeidbare Gesundheitsrisiko in Deutschland dar. Mehr als die Hälfte aller regelmäßigen Raucher stirbt vorzeitig an Lungenkrebs, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung oder einer anderen Atemwegserkrankung. Jeder zweite dieser vorzeitigen Todesfälle tritt bereits im mittleren Lebensalter ein.

Nach den Daten des Mikrozensus 2009 des Statistischen Bundesamts (Destatis) rauchen in Deutschland insgesamt 14,7 Millionen Frauen und Männer ab 15 Jahren (25,7 Prozent). Unter Männern sind dies 8,5 Millionen (30,5 Prozent), unter Frauen 6,3 Millionen (21,2 Prozent). Kirsten Ossoinig

Artikel vom 10.09.2013
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