Am 8. September: Industrie-Charme und feudale Pracht

Ismaning zeigt am Tag des offenen Denkmals seine Schätze

Industrie-Charme und feudale Pracht – Ismaning hat beides zu bieten: Das Sägewerk in der Seidl-Mühle im Kultur- und Bildungszentrum (oben) und der blaue Prunksaal im Schloss. 	Fotos: Schlossmuseum, W. Petzi

Industrie-Charme und feudale Pracht – Ismaning hat beides zu bieten: Das Sägewerk in der Seidl-Mühle im Kultur- und Bildungszentrum (oben) und der blaue Prunksaal im Schloss. Fotos: Schlossmuseum, W. Petzi

Ismaning · Der Ismaninger Bürgermeister hat einen der prächtigsten Amtssitze in Bayern. Von einem Schloss aus die Geschicke seiner Gemeinde zu lenken dürfte nur den wenigsten Bürgermeistern vergönnt sein.

Auch sonst ist Ismaning so sehr mit besonderen Bauten gesegnet, dass es anderen, weniger gut ausgestatteten Gemeinden etwas abgeben könnte. Das kommt aus vielerlei Gründen natürlich überhaupt nicht in Frage. Dennoch zeigt sich Ismaning in diesem Punkt freigiebig. Beim Tag des offenen Denkmals präsentiert die Gemeinde immer gerne ihre Schätze, so auch am kommenden Sonntag, 8. September.

Diesen Tag des offenen Denkmals richtet die Deutsche Stiftung Denkmalschutz seit vielen Jahren aus. Das Motto in diesem Jahr lautet: »Jenseits des Guten und Schönen: Unbequeme Denkmale?« Es greift die zentralen Fragestellungen der Denkmalpflege auf: Was ist wert, erhalten zu werden und weshalb? Welche Faktoren bestimmen die Auseinandersetzung und schließlich die Entscheidung darüber, ob ein denkmalgeschütztes Gebäude abgerissen oder erhalten wird? Gibt es überhaupt »bequeme« Denkmale?

In Ismaning hat man an drei Orten die Möglichkeit, sich über Erhalt und Nutzung von denkmalgeschützten Gebäuden zu informieren. Der Eintritt zu allen Veranstaltungen ist frei. Um 11 Uhr findet eine Führung im alten Sägewerk der Seidl-Mühle in der Mühlenstraße 17, statt.

Dr. Christine Heinz führt durch die geschichtsträchtige Anlage. Über Jahrhunderte versorgte der Seebach Ismaning mit Energie. Die Wasserräder trieben Mühlen und Maschinen an. Schon vor mehr als 800 Jahren gab es hier zwei Mühlen. Die Seidl-Mühle war bis Mitte der 50er Jahre aktiv. Dann liefen die Geschäfte schlechter, schließlich wurde der Betrieb eingestellt und das Gelände sich selbst überlassen. 2002 konnte die Gemeinde das Anwesen erwerben, 2009 wurde das Kultur- und Bildungszentrum Seidl-Mühle eingeweiht. Bei der Neugestaltung der Anlage wurde das Herzstück des Sägewerks – Gatter und Transmission – in den Gebäudekomplex integriert. Vom Lesecafé der Bibliothek aus lenken Fenster den Blick auf die beiden Sägegatter, die sich über zwei Ebenen erstrecken. Das historische Riemengetriebe wurde ebenfalls rekonstruiert und findet in der neuen Wasserturbine, die heute das Kultur- und Bildungszentrum mit Energie versorgt, sein zeitgemäßes Pendant.

Natürlich darf am Tag des offenen Denkmals das Schloss nicht fehlen. Bei den Führungen durch die historischen Prunkräume wird das Augenmerk in diesem Jahr unter anderem darauf gelegt, wie frühere Schlossbesitzer mit dem bereits zu ihrer Zeit historischen Bestand umgegangen sind. Außerdem werden die beiden Führerinnen Birgit Bayer und Anke von Leutsch der Frage nachgehen, was es bedeutet, wenn eine moderne, technisierte Verwaltung in einem denkmalgeschützten Gebäude arbeitet (Öffnung von 13 bis 17 Uhr, Führungen um 13, 14, 15 und 16 Uhr).

Als besonders interessant dürfte sich der Besuch des Elektrizitätswerks am Goldachhof, Mayerbacherstraße 130, erweisen. Denn dort sind die bestandserhaltenden Maßnahmen gerade erst abgeschlossen und der Zustand der Hofanlage mittlerweile wieder sehenswert. Vor allem die Sanierung der Wasserkraftanlage kann als besonders gelungenes Beispiel für den sensiblen Umgang mit einem »unbequemen« Denkmal angesehen werden. Das Gebäude ist von 14 bis 17 Uhr zur Besichtigung geöffnet; Führungen durch Architekt Andreas Eichlinger finden nach Bedarf statt.

Die Geschichte des Goldachhofs ist nicht nur für Ismaninger interessant. Die Isar und ihre Zuflüsse haben seit Jahrtausenden die Landschaft um Ismaning geprägt. Anfang des 19. Jahrhunderts wurde damit begonnen, das Moosgebiet zwischen Erding und Ismaning trockenzulegen. Der zu Ismaning gehörende Grund wurde auf die bestehenden Anwesen aufgeteilt. Zusätzlich entstanden im Moos neue Hofstellen, darunter 1853 auch die »Klitsch-Einöde«, das spätere Gut Goldachhof. Es gehörte unter anderem von 1905 bis 1949 der Familie Randlkofer, den Besitzern des Delikatessenhauses »Dallmayr«.

Wirtschaftlich nahm der Goldachhof mit seinen fast 800 Tagwerk Grund unter den Moosbauern eine Sonderstellung ein. Er war aber zugleich ein Familien-Domizil der Randlkofers, gleichermaßen geliebt von Alt und Jung, von Freunden und Gästen. Dass der Hof 1949 verkauft werden musste, um das kriegszerstörte Delikatessenhaus in der Münchner Dienerstraße wieder errichten zu können, bedauert man bis heute.

Ein eigenes Wasserkraftwerk für den Goldachhof

1906 beschloss Therese Randlkofer, den Goldachhof durch ein Wasserkraftwerk mit Strom zu versorgen. Der Ortsbereich von Ismaning hatte bereits seit 1898 sein eigenes, privat geführtes Elektrizitätswerk – nur gehörte das Gut zu dieser Zeit noch zu Aschheim und eine Elektrifizierung der Moosgebiete war nicht geplant.

So baute der Ingenieur Julius Möhrle, ein Freund der Familie, für das Randlkofer’sche Gut eine elektrische Kraft- und Lichtanlage in die Goldach. Die Baugenehmigungen und die »Concession zur Ausnützung der Wasserkraft« zogen sich hin, erst im April 1907 durfte das Kraftwerk offiziell Strom erzeugen. Inoffiziell aber war der Hof bereits seit Sommer 1906 elektrifiziert. Bis in die 60er Jahre hinein blieb der Goldachhof auf das Kraftwerk angewiesen, dann erst erfolgte der Anschluss an das Ismaninger Stromnetz.

Bei der aktuellen Sanierung des Kraftwerks wurde darauf geachtet, die Anforderungen des Denkmal- und Gewässerschutzes mit der Technik von heute zu kombinieren. Mit der revitalisierten Anlage lassen sich jährlich bis zu 80.000 kWh Strom erzeugen, das entspricht dem Stromverbrauch von etwa 23 Haushalten im Jahr. Wer mehr zur Geschichte des Goldachhofs erfahren möchte: Unter dem Titel »Zwischen Goldach und Seebach« läuft von 21. September bis 2. Februar eine Sonderausstellung im Ismaninger Schlossmuseum Gabriele Heigl

Artikel vom 04.09.2013
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