Buch erschienen zum Projekt »Kochen und Erzählen«

Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt · Probier erst mal!

Beim Projekt »Kochen und Erzählen« der Nachbarschaftshilfe kann man kulinarisch in fremde Länder eintauchen.	Foto: Nachbarschaftshilfe München

Beim Projekt »Kochen und Erzählen« der Nachbarschaftshilfe kann man kulinarisch in fremde Länder eintauchen. Foto: Nachbarschaftshilfe München

Ludwigsvorstadt/Isarvorstadt · Sula Zamanis saß in der Kantine und fragte sich: »Mein Gott, was sind denn das für Bälle?« Typisch bayerische Knödel nämlich hatte die gebürtige Griechin vorher noch nie gesehen.

Probieren wollte sie damals nicht. Noch nicht. »Alles, was fremd ist, da ist man erst mal vorsichtig«, erzählt sie. Doch bald habe sie Rezepte mit Nachbarn und Kollegen ausgetauscht. »Über das Essen lernen sich Kulturen schnell besser kennen«, weiß sie. Und so musste sie auch nicht lange überredet werden zu dem ehrenamtlichen Projekt »Kochen und Erzählen«, das von der Nachbarschaftshilfe München initiiert wurde. Soeben ist das gleichnamige Buch erschienen, mit dem Untertitel »Geschichten aus der Ferne und der Heimat« (12,50 Euro/Eigenverlag). Ein Kochbuch der besonderen Art, wie Christa Liebscher, Mitarbeiterin des Vereins Nachbarschaftshilfe sagt. »Es stehen die Menschen im Vordergrund.« Sie kommen aus unterschiedlichen Kulturen und erzählen über sich und ihren Weg nach München. Und dabei stellen sie einige ihrer Lieblingsrezepte vor.

Auf 80 Seiten lernt man so elf Frauen, unter anderem aus Palästina, Taiwan und Brasilien näher kennen. Sie geben Einblick in ihre Erfahrungen mit Deutschland und mit den unterschiedlichen Essgewohnheiten und Bräuchen. Auch Mitglieder der jüdischen Gemeinde München lassen in ihre Kochtöpfe blicken und geben beispielsweise Auskunft darüber, was genau unter dem Begriff »koscher« zu verstehen ist. Dazwischen finden sich Rezepte für kulinarische Köstlichkeiten aus aller Welt, etwa Mercimek Corbasi, eine Linsensuppe, das CousCous-Gericht Aftach und Walnussküchlein, sogenannte Ma´Amoul. »Wir wollen die Neugier wecken«, sagt Sula Zamanis. Denn mit der Neugier beginne es schließlich. »Man soll Lust entwickeln, mehr über den anderen erfahren zu wollen, der uns erst so fremd ist«, sagt sie. Über das gemeinsame Interesse am Kochen könne man Brücken schlagen, die einem sonst vielleicht viel schwerer fallen.

»Und mit dem Blick über den Tellerrand verschwinden auch viele übliche Vorurteile, man kommt raus aus dem Schubladendenken«, sagt Elke Darwish, die nicht nur an dem Buch mitgearbeitet hat, sondern seit 15 Jahren in der Nachbarschaftshilfe aktiv ist und bereits mehrere Kochkurse begleitet hat, die der Verein anbietet und in denen Menschen aus unterschiedlichen Kulturen aufeinandertreffen. »Kaum ein Teilnehmer, der nicht sein persönliches Aha-Erlebnis hat«, erzählt Darwish. Jeder habe ja so seine Bilder im Kopf. »Doch wenn man aufeinander zugeht, dann stellt man meistens fest, so wie man es sich dachte, ist es eigentlich gar nicht.« Zum Aufeinander-Zugehen könne man nicht oft genug auffordern. »Ich habe den Eindruck, dass die Menschen wieder mehr Feindbilder haben als das noch vor Jahren der Fall war«, sagt Darwish. Diese Entwicklung macht ihr Sorgen.

Für gegenseitige Offenheit plädiert auch Nükhet Kivran, der Vorsitzende des Ausländerbeirats der Landeshauptstadt München. »Um einen Menschen kennenzulernen, sollte man bereit sein, seiner ganz eigenen Lebensgeschichte zuzuhören. Um in ein neues Land einzutauchen, sollte man ebenfalls bereit sein, sich mit all seinen Sinnen auf seine Essenskultur einzulassen«, sagt er. Dazu motiviere das Projekt »Kochen und Erzählen«. Die Eltern von Elke Darwish beispielsweise sind diesen Schritt gegangen. Damals lernte sie ihren Mann kennen, einen Palästinenser aus dem Westjordanland oder »Westbank«. »Meine Eltern hatten anfangs schon so ihre Bedenken, doch die waren schnell ausgeräumt«, erzählt die inzwischen 50-Jährige. »Man soll Menschen, und das habe auch ich gelernt, nicht immer nach dem ersten Eindruck beurteilen. Das ist genau wie beim Essen. Es lohnt immer ein ›Probier´ erst mal‹.«

Weitere Informationen und Buchbestellung unter Tel. 53 66 67 oder per E-Mail unter christaliebscher@die-nachbarschaftshilfe.de.

Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 07.05.2013
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