Ausstellung im Gasteig – Interview mit der Künstlerin Gesche Piening

München/Haidhausen · »brenne und sei dankbar«

Der Titel ist Programm bei der Ausstellung »brenne und sei dankbar« der Künstlerin Gesche Piening im Münchner Gasteig. 	Foto: © TESTSET, 2012.

Der Titel ist Programm bei der Ausstellung »brenne und sei dankbar« der Künstlerin Gesche Piening im Münchner Gasteig. Foto: © TESTSET, 2012.

München/Haidhausen · Die Münchner Wochenanzeiger sprachen mit der Münchner Schauspielerin und Regisseurin Gesche Piening von der Künstlergruppe TESTSET über ihr Ausstellungsprojekt »brenne und sei dankbar«.

Dieses beschäftigt sich mit den Arbeits- und Lebensbedingungen von freien Theater- und Tanzschaffenden in Deutschland und ist vom 25. Oktober bis 4. November im Rahmen des 13. Internationalen Festivals für zeitgenössischen Tanz »DANCE 2012« im Gasteig zu sehen.

Kilian Senft: Frau Piening, worum geht es bei Ihrem Projekt?

Gesche Piening: Die Ausstellung »brenne und sei dankbar« beleuchtet auf zwölf Plakattafeln schlaglichthaft die Lebens- und Arbeitsbedingungen in der Freien Theater- und Tanzszene in Deutschland. Nach der Premiere in der Berliner Akademie der Künste ist sie nun als Wanderausstellung in weiteren Bundesländern an Freien Theaterhäusern, auf Festivals der Freien Szene, in Ausbildungsstätten und politischen Institutionen zu sehen.

Also eine Werbeaktion für die Freie Szene?

Gesche Piening: Ja schon, aber anders. »brenne und sei dankbar« visualisiert mit einem faktenbasierten Erzählstil die Arbeits- und Lebenssituation freier Theater- und Tanzschaffender, die auch beispielhaft für andere Formen flexibilisierter Arbeit in Deutschland steht. Die Ausstellung basiert auf Ergebnissen des Ende 2010 erschienenen »Report Darstellende Künste« und soll eine Informations- und Diskussionsgrundlage schaffen, die ich als Gerüst und Ausgangspunkt für weitere notwendige Aktionen von Künstlerinnen und Künstlern und ihren Interessenvertretern sehe.

Wie kommt man auf so eine Idee?

Gesche Piening: Weil sie notwendig ist und manchmal Dinge einfach getan werden müssen.

Heißt?

Gesche Piening: Als im Februar 2011 der Herausgeber des »Report Darstellende Künste« Günter Jeschonnek die Ergebnisse der komplexen Untersuchung in München vorstellte, war ich Zuhörerin auf der Veranstaltung. Im Anschluss erwarb ich das 720 Seiten starke Opus. Der Report ist eine außerordentlich wichtige Arbeit für die Freie Theater- und Tanzszene. Ohne Frage. Nur, wer bitte liest sowas? So kam ich zusammen mit meinem Kollegen Ralph Drechsel auf die Idee, Teilergebnisse herauszugreifen, zu verdichten und als Ausstellung zu konzipieren. Wir formierten uns zu diesem Zeitpunkt gerade als Künstlergruppe TESTSET und haben die Ausstellung »brenne und sei dankbar« zu einem unserer ersten Projekte gemacht.

Und Ihr Projekt ist jetzt eine Art Kunstvariante der Untersuchung?

Gesche Piening: Das kann man so sagen, ja.

Warum das Medium Ausstellung? Sie sind doch Bühnenkünstlerin.

Gesche Piening: Na ja, ich kann schlecht meine Erkenntnisse zu den Arbeits- und Lebensbedingungen freier Künstler »vertanzen«. Ralph Drechsel, mein künstlerischer Kollege bei diesem Projekt, ist Grafiker. Wir haben uns bei der Bearbeitung des Themas als komplementär erlebt. Das hat von Anfang an gut gepasst. Wir arbeiten seit längerem in verschiedenen Projekten interdisziplinär zusammen.

Was ist Ihr Ziel?

Gesche Piening: Ziel der Wanderausstellung ist es, Informationen über die Situation von freien Theater- und Tanzschaffenden möglichst vielen Interessierten zugänglich zu machen und damit eine breitere Öffentlichkeit zu schaffen. Denkbar wären auch begleitende Diskussionsveranstaltungen, die der Frage nachgehen »wie viel Kultur wollen wir uns leisten?« Aber das müssen dann andere Akteure machen. Das Ausstellungsprojekt soll zeigen, dass die Freie Theater- und Tanzszene durchaus in der Lage ist, ihre Situation klar und deutlich zu beschreiben und selbstbewusst zur Diskussion zu stellen. Die Klarheit im Ausdruck verhindert, dass die inhaltlich zu diskutierenden Fakten mit einem Verweis auf das Klischee »sinnlich begabter Theaterleute« abgetan werden kann, die sich hoch emotional in einen künstlerischen Prozess begeben, dessen Ergebnis dann das Produkt künstlerischen Selbstzwecks ist.

Sie meinen die raunende Unverbindlichkeit der Kunstsphäre?

Gesche Piening: Genau. Je klarer aber sich die freien Theater- und Tanzschaffenden als solche zu erkennen geben und dem Publikum und der Politik vermittelnd gegenüber treten und auch vertreten, wer sie sind und warum die Freie Szene eine wichtige, zu erhaltende Alternative zur institutionellen Hochkultur ist, umso größer ist die Chance, dass die Freie Szene eines Tages die Anerkennung erhält, die sie verdient. »brenne und sei dankbar« soll diesen Prozess unterstützen.

Keine Angst davor, als »unkünstlerisch« zu gelten, wenn Sie sich auf so direkte Weise mit Politik beschäftigen?

Gesche Piening: Die Produktion von Kunst im Elfenbeinturm ist doch eine Vorstellung, die längst passé ist – wenn ich davor Angst hätte... Nein, das interessiert mich nicht.

Was hat es mit dem Titel auf sich?

Gesche Piening: Der Titel »brenne und sei dankbar« ist Programm. Er verweist auf die Ambivalenz des Themas. Zunächst einmal sind Theater- und Tanzschaffende Bittsteller um öffentliche Förderung und zunehmend auch um privates Sponsoring. Die Tatsache, dass Kultur häufig der Förderung bedarf, nicht kostendeckend arbeiten kann, bringt Theater- und Tanzschaffende in Erklärungsnot, lässt die Frage nach der Legitimation von Kulturausgaben aufflammen und stellt die Frage nach der Relevanz künstlerischer Ideen, die es immer wieder neu zu beweisen gilt. Für Fördergelder sind die Theater- und Tanzschaffenden den jeweiligen Förderern zu Dank verpflichtet. Wenn aber die Wertschätzung der künstlerischen »Gegenleistung« ausbleibt, oder das weit verbreitete Vorurteil greift, die eingesetzten Gelder dienten lediglich der »Selbstverwirklichung« einzelner kreativer Künstlernaturen und nicht der kulturellen und identitären Selbstbeschreibung einer Stadt, eines Landes, einer Region, dann wird es nötig, selbstbewusst und hörbar über die Relevanz von Kunst und Kultur zu sprechen – egal ob diese »institutionalisiert« oder »frei« ist – und Informationen zur Produktionsweise zu geben. Schaut man sich die Ergebnisse des »Report Darstellende Künste« für die Freie Szene an, die Grundlage von »brenne und sei dankbar« sind, dann wird schnell deutlich, dass die Arbeits- und Lebensbedingungen in der Freien Theater- und Tanzszene in Deutschland äußerst prekär sind. Dass dennoch eine so große Zahl an freien Produktionen und Produktionsstätten existiert und erhalten wird, zeugt von der großen Begeisterungsfähigkeit und Überzeugung der Akteure sowie von einem gewissen Hang zu einem protestantischen Arbeitsethos und künstlerischer Selbstdisziplin. Alle diese Ambivalenzen schlagen sich im Titel »brenne und sei dankbar«w nieder.

Wie lange haben Sie daran gearbeitet?

Gesche Piening: Das Projekt hat uns insgesamt ein gutes Jahr lang beschäftigt. Natürlich nicht täglich und mit Pausen, aber doch beharrlich.

Was war am aufwändigsten?

Gesche Piening: Die Kommunikationsarbeit. Gefühlt war es der reinste Verhandlungsmarathon. Anfragen, Konzepte, Konzeptvarianten, unzählige E-Mails und Telefonate, Zusagen, Absagen. Zwischenzeitlich war das Projekt mal komplett tot. Dann hat es doch wieder Fahrt aufgenommen. Vermittlungsarbeit auf allen Ebenen. Das Thema betrifft die Existenzgrundlage unseres Berufes, kein Wunder also, dass einige Aufregung im Spiel ist.

Artikel vom 22.10.2012
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