Kann das Amerika Haus am alten Standort bleiben?

Zentrum · Alles in der Schwebe

Oskar Holl (l.) und Raimund Lammersdorf hoffen, dass der Standort des Amerika Hauses erhalten bleibt.	Foto: Sylvie-Sophie Schindler

Oskar Holl (l.) und Raimund Lammersdorf hoffen, dass der Standort des Amerika Hauses erhalten bleibt. Foto: Sylvie-Sophie Schindler

Zentrum · So langsam bekommt man das Gefühl, als hätte sich diese Sache ein Drehbuchautor ausgedacht, der für besondere Spannung sorgen will.

Denn sprach man in den vergangenen Wochen und Tagen nach einem Kabinettsbeschluss noch aufgeregt davon, dass das Amerika Haus von seinem Standort am Karolinenplatz vertrieben werden solle, so geht jetzt das Gerücht, dass die Betreiber aufatmen dürfen und alles so bleiben soll wie es ist. Doch noch ist alles viel zu sehr in der Schwebe, es gibt weder ein definitives Ja noch ein definitives Nein. »Ich sag mal so, wir sind guter Hoffnung«, so Raimund Lammersdorf, Chef des Amerika Hauses, der sich gestärkt fühlt durch die heftigen Proteste gegen die geplante Verlagerung: »Man will uns hier weiterhin haben, das haben uns viele Menschen und Verbände eindeutig signalisiert.«

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Doch der Freistaat Bayern, Eigentümer des Amerika Hauses, hat anderes im Sinn. Ein großer Aufschrei ging durch viele Reihen, als das Bayerische Kabinett in einer Sitzung im August den Beschluss fasste, das Amerika Haus solle seinen bisherigen Standort verlassen, damit das Gebäude an die Deutsche Akademie der Technikwissenschaften (acatech), der es in der Residenz längst zu eng geworden ist, übergehen kann. Zuvor soll die geschichtsträchtige Institution wegen des hohen Sanierungsbedarfs ab 2013 geschlossen und generalsaniert werden. »Die neue Nutzung des Gebäudes ändert nichts an den engen und freundschaftlichen Beziehungen zu den USA«, sagt der bayerische Wissenschaftsminister Wolfgang Heubisch. Der Freistaat Bayern werde auch in Zukunft bei seinen Aktivitäten in Bildung, Kultur und Wissenschaft den Vereinigten Staaten einen besonderen Stellenwert einräumen. Doch in einem Land, das wie kein zweites weltweit von Innovationen lebe, sei eine nationale Technikakademie von herausragender Bedeutung. »acatech ist eine europaweit wahrgenommene nationale Technikakademie. Dass sie ihren Sitz in München hat, ist ein international sichtbares Markenzeichen für Bayern. Das stärkt diesen exzellenten Forschungsstandort«, so Heubisch weiter.

Bürger zweifeln, ob es für die acatech ein geglückter Start wäre, wenn sie eine etablierte Einrichtung rausboxen und sich an deren Stelle setzen würde. »Das wäre ein enormer Geburtsfehler«, sagt Oskar Holl, Chef des Bezirksausschusses Maxvorstadt (BA 3). »Man würde der acatech und ihren Technikern und Industrieführern gern einen besseren Beginn und das Bewusstsein wünschen, dass das technisch Machbare nicht in allen Fällen das gesellschaftlich Wünschbare ist – und dass der neue Nachbar, der gewachsene Strukturen von Anfang an respektiert, der besonders willkommene Nachbar ist«. acatech wäre also von Anfang an mit einem Makel behaftet. Doch vielleicht kommt es gar nicht erst dazu, denn offenbar will die bayerische Staatsregierung ihren Beschluss nun doch überdenken. »Noch ist nichts von offizieller Stelle bestätigt. Doch mir ist bekannt, dass die Politiker inzwischen erkannt haben, dass sie die Folgen ihres Beschlusses unterschätzt haben«, sagt Raimund Lammersdorf.

»Lottolösung« umsetzbar?

Zupass kommt ihnen nun, dass wohl die Staatliche Lotterieverwaltung, ebenfalls mit Sitz am Karolinenplatz, aus München verlagert werden soll. Und damit wäre die Lösung umsetzbar, für die sich bereits Ex-Finanzminister Kurt Faltlhauser stark gemacht hatte: Das Amerika Haus bleibt, wo es ist, und die acatech zieht in die benachbarte Lotto-Immobilie. »Auch wir halten das für die beste Lösung«, bekräftigt Oskar Holl. »So erhält die acatech, die ebenfalls für München von großer Bedeutung ist, ein angemessenes Domizil ohne das Bestehende zu gefährden.«

Und wenn es doch nicht so rund laufen sollte, so hat sich der BA 3 laut eines Beschlusses vom 13. September eine weitere Möglichkeit überlegt, wie die acatech angemessen unterzubringen sei. Die Hochschule an der Karlstraße 6 plant nämlich mittelfristig, ihren Standort aufzugeben und für die Fakultäten Architektur, Geoinformation und Bauingenieurwesen einen Neubau auf dem Hauptcampus Lothstraße zu errichten. Die acatech könne dann in dieses leerstehende, denkmalgeschützte Gebäude umziehen, schlägt Holl vor.

Der Beschluss, das Amerika Haus zu installieren, erfolgte Mitte der 1950er-Jahre. Es entstand als Symbol für Demokratie. »Die Idee des Hauses war, zu zeigen wie Demokratie gelebt werden kann. Ziel war eine politische Umerziehung: Die Deutschen sollten dem Beispiel Amerikas folgen«, erklärt Lammersdorf. Den Standort in einem »NS-vergifteten« Gelände wählte man bewusst: Der Führerbau in der Arcisstraße, die heutige Hochschule für Musik und Theater, war die erste Adresse, wenig später legte man sich auf den Standort am Karolinenplatz fest, mitten in dem Viertel, wo unter anderem das Braune Haus seinen Platz hatte. »Diese Symbolkraft ist nach wie vor wichtig«, sagt Lammersdorf.

Amerika erklären – Beziehung stärken

Doch die Botschaft gehe auch in eine andere Richtung: »Wir wollen den Leuten Amerika erklären und die deutsch-amerikanischen Beziehungen stärken.« Mittlerweile übrigens hat das Amerika Haus auch Kanada mit unter seine Fittiche genommen. Und so finden sich im Programm Veranstaltungen, die die Kulturen beider Länder widerspiegeln. Pulitzerpreisträger waren bereits da, auch Schriftstellergrößen wie Jonathan Franzen, es gibt Theateraufführungen, Austauschprogramme, Lehrerfortbildungen – und das ist nur ein Ausschnitt der rund 200 Veranstaltungen im Jahr mit über 50.000 Besuchern. Allein die Vielfalt der Angebote macht laut Lammersdorf einen Ortswechsel unmöglich. »Es gibt keinen adäquaten Ersatz. Wer dieser Meinung ist, hat sich unser Programm nicht angeschaut.« Ohne Theatersaal und Bibliothek beispielsweise sei das Haus undenkbar. Auch die anderen Räume seien bestens gebucht. Lammersdorf ist stolz auf das rege Interesse, das stetig wachse: »Wir stehen so gut da, wie noch nie, und da kommt plötzlich dieser Hammer.« Doch wer weiß, was als Nächstes kommt. Laut Drehbuch müsste sich demnächst Ministerpräsident Horst Seehofer äußern. Sylvie-Sophie Schindler

Artikel vom 04.10.2011
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