Von Carmen Unger

Bogenhausen · Studium aus Langeweile

Bogenhausen · Eilig läuft der 15-Jährige über den Campus der Technischen Universität München (TUM). Für seine Vorlesung ist er ein bisschen spät dran, denn er kommt direkt von der Schule. »Aber das macht nichts«, meint er gelassen, »dann setze ich mich heute eben weiter hinten hin«.

12-teilige Reihe: Wir hinterfragen Geschichten

Matthias kennt sich auf dem Gelände der TU in Garching bestens aus. Seit seinem zehnten Lebensjahr kommt er regelmäßig hierher um sich Ausstellungen anzuschauen. Doch seit einiger Zeit ist er dort noch öfter, nämlich dreimal in der Woche um, im Rahmen des »Schüler in TUM«-Projekts, einem Informatik Frühstudium, zu studieren.

Begeisterung für Informatik

Die 30 Teilnehmer des Projekts hören an zwei Nachmittagen pro Woche Vorlesungen und belegen zusätzlich ein wöchentliches Praktikum. Sie nehmen aktiv, zusammen mit den Studierenden der unteren Semester, an den Lehrveranstaltungen teil und dürfen die Prüfungen mitschreiben. Initiiert wurde das Programm von Prof. Alfons Kemper, das zum Hauptziel hat, »junge Menschen für das Fach Informatik zu begeistern und ihnen ein realistisches Bild davon zu vermitteln«. Auch der Nachwuchsmangel in diesem Fachgebiet ist ein Grund für das Angebot, das von der Klaus Tschira Stiftung finanziell unterstützt wird. Erstmals angeboten wurde »Schüler in TUM« im Wintersemester 2007/2008 und wird seitdem sehr erfolgreich von Schülern abgeschlossen, sodass bereits überlegt wird, das Projekt auf andere Fakultäten auszuweiten.

Interesse für Informatik ist bei dem großen, braunhaarigen Schüler schon lange vorhanden, er programmiert selbstständig, seit er acht Jahre alt ist. Für das Informatik-Frühstudium habe er sich entschieden, weil »mir Informatik Spaß macht und ich es kann«, begründet er selbstbewusst. Außerdem sucht er die Herausforderung, die er in der Schule nicht hat. Im Informatikunterricht langweilt er sich, weil er bereits alles weiß, oder sogar noch den Lehrer verbessert. Dank seines Frühstudiums hat er nun auch die Möglichkeit das »UNI-Leben« zu erfahren, welches ihm sehr gefällt. »Wir haben hier eine sehr schöne, moderne Uni, die Leute sind nett und wir Schüler werden gut betreut«, erzählt er, »bei Fragen können wir uns an zwei Studenten aus den höheren Semestern wenden oder zu einem wissenschaftlichen Mitarbeiter gehen«.

Voraussetzung für Schüler die an einem Frühstudium teilnehmen wollen, ist der Besuch der Oberstufe des Gymnasiums und vor allem gute Noten. »Außerdem brauchte ich noch ein Empfehlungsschreiben meines Informatiklehrers und ein selbstverfasstes Motivationsschreiben, in dem ich begründen sollte, warum ich an dem Projekt ›Schüler in TUM‹ teilnehmen will«, zählt Matthias auf. Fachliche Vorkenntnisse sind dagegen nicht nötig, allerdings ist eine Begabung für Mathematik hilfreich. Um an »Schüler in TUM« teilnehmen zu können, sollte man auch im Einzugsgebiet München wohnen. »Unter dem Studium leidet die Schule nicht«, sagt der damalige Elftklässler, »nur ganz selten wird mal eine Hausaufgabe vergessen«, gibt er dann doch schmunzelnd zu. Da er in allen Fächern gut ist, sei das aber kein Problem. Seine Begabungen wurden von der Schule früh erkannt und gefördert, deswegen durfte er die 7. Klasse überspringen.

Zeit für Hobbys neben Schule und Studium findet er trotzdem noch. Matthias engagiert sich bei der Jugendfeuerwehr, macht Leichtathletik, ist in der evangelischen Kirchenjugend aktiv, spielt Schlagzeug und hilft in der Schule bei der SMV mit. Vorletztes Jahr war er Schülersprecher, letztes Jahr leitete er den Arbeitskreis Technik. Von seinen Mitschülern erfährt er Zustimmung für sein Studium, »viele sind sehr interessiert und löchern mich mit Fragen«, erzählt er lachend. Auch seine Lehrer loben sein großes Engagement. Vorteile in der Schule hat er dadurch aber nicht.

Punkte sammeln fürs Studium

Dafür aber in seinem späteren Studium, denn die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projekts können während des Frühstudiums sogenannte Credit Points (Leistungsnachweise) sammeln. Diese werden einem späterem Studium an der TU München angerechnet. »Dadurch lässt sich später vielleicht ein ganzes Studienjahr sparen«, so Alfons Kemper. Das eigentliche Studium wird aber nicht ersetzt. Durch die Verkürzung entstehen allerdings Freiräume, die zum Beispiel für Auslandsaufenthalte genutzt werden können. Die Schüler können dadurch außerdem schon vor dem Abitur das Studienfach Informatik testen und wichtige Grundlagen erlernen, die heute in fast allen Studienfächern hilfreich sind. Die Teilnahme an »Schüler in TUM« ist kostenlos, es fallen keine Studiengebühren an. Das Frühstudium endet parallel zur Schulzeit. Projekte wie »Schüler in TUM« werden an mehreren Universitäten in Bayern angeboten, in Regensburg beispielsweise können Schüler, im Rahmen des Frühstudiums, unter anderem Politikwissenschaft, Mathematik, Physik, VWL, Geschichte und Chemie belegen.

Ob er nach der Schule wirklich Informatik studieren will, weiß Matthias noch nicht, »aber ich will auf jeden Fall etwas Technisches machen«. Er könne sich gut vorstellen in der Forschung zu arbeiten und nebenbei eine Ausbildung zum Eventmanager machen.

Artikel vom 18.01.2012
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