Lärmschutz erst 2010 – Bahnhofsanierung auf Eis gelegt

Haar · Im Schneckentempo voran

Vor sieben Jahren wurde Haar in das Lärmsanierungsprogramm des Bundes aufgenommen – die Wände stehen immer noch nicht.	Foto: Rammelsberger

Vor sieben Jahren wurde Haar in das Lärmsanierungsprogramm des Bundes aufgenommen – die Wände stehen immer noch nicht. Foto: Rammelsberger

Haar · Der Lärmschutz an der Bahn in Haar kommt frühestens 2010. Dies erfuhr der Haarer Bundestagsabgeordnete Dr. Toni Hofreiter (Grüne), Obmann im Verkehrsausschuss des Bundestages, auf Nachfrage beim Verkehrsministerium.

Dauerbaustelle S-Bahnhof Haar

Mit zunehmender »Fassungslosigkeit« verfolgt Haars Bürgermeister Helmut Dworzak die anhaltenden Entwicklungsverzögerungen beim Planfeststellungsverfahren seitens des Eisenbahnbundesamts. »Mittel des Bundes und der Kommune stehen abrufbereit. Gerade angesichts der wirtschaftlichen Krise sollte die Umsetzung von Bauvorhaben höchste Priorität haben«, echauffiert sich das Gemeindeoberhaupt. Priorität hat laut Bahn die Lärmschutzmaßnahme auch und deshalb gibt es einen sofortigen Finanzstopp für die lange umkämpfte Sanierung des Haarer S-Bahnhofes. »Wir sind geschockt«, so die Pressesprecherin der Gemeinde Haar, Ute Dechent. Im März diesen Jahres sollten die Arbeiten beginnen. Doch weil der Bau der Lärmschutzwand für 2009 vorgesehen war und zwei Maßnahmen gleichzeitig an einer Stelle laut Eisenbahnbundesamt nicht möglich seien, muss der Bahnhof warten. »Aber wenn der Lärmschutz jetzt doch erst 2010 kommt, dann überschneiden sich die beiden Sachen zeitlich gar nicht. Das ärgert uns am meisten«, betont Bauamtsleiter Rainer Wöhrl.

Die Bahn wollte im Frühjahr ihren Teil der Arbeiten am Bahnhof Haar durchführen, »wir hätten uns mit der Herstellung der Unterführung, eines behindertengerechten Zugangs und dem Bau des Parkhaus Nord gleich drangehängt, so dass die Sanierung nach etwa einem Jahr abgeschlossen gewesen wäre«, so Wöhrl. Der behindertengerechte Ausbau des Zugangs auf der Nordseite des Bahnhofs droht sogar komplett aufs Abstellgleis zu geraten. Haar kann auf dem Bahngrundstück nicht ohne weiteres bauen, weil die Fläche von einer Bahn-Tochter verwaltet wird, die eigenständig die Grundstücksinteressen vertritt. Das bedeutet konkret, die Gemeinde kann das Grundstück zu Marktpreisen kaufen, wenn es für Bahnzwecke nicht mehr gebraucht wird. Die Prüfungsphase dafür beträgt nach Bahnaussagen vier Jahre. In der Gemeindeverwaltung wird vermutet, dass bei der Bahn »die eine Hand nicht weiß, was die andere tut«, denn dem Münchner Bahnmanagegment war nicht bekannt, dass die Frankfurter Bahn-Zentrale die Lärmschutzmaßnahmen verschoben hatte.

Bürgermeister Dworzak kann die Zeitlöcher und die mangelnde Auskunftsbereitschaft seitens der Bahn nicht nachvollziehen. Bereits Ende 2002 wurde Haar in das Lärmsanierungsprogramm des Bundes aufgenommen. Zügig wurden daraufhin die Pläne für einen durchgehenden Schallschutz inklusive aller erforderlichen Gutachten erstellt und bei der Bahn zur Weiterleitung an das Eisenbahnbundesamt (EBA) eingereicht. Doch dann tauchten immer neue bürokratische Hürden auf: Im November 2006 informierte die Bahn die Gemeinde, dass nur noch eine zwei Meter hohe Lärmschutzwand errichtet werden soll statt einer geplanten 2,50 Meter hohen. Nach Protesten der Gemeinde wurde die Planung ein halbes Jahr später zurückgenommen. Wiederum ein halbes Jahr später stimmte die Gemeinde zu, dass ein übergreifendes Planfeststellungsverfahren anstelle eines begrenzten Plangenehmigungsverfahrens eingeleitet werden soll. Nichts geschah.

Als man sich wieder ein halbes Jahr später nach dem Sachstand erkundigte, hieß es seitens des EBA, dass die Entscheidung Planfeststellungs- oder Plangenehmigungsverfahren noch nicht gefallen sei. Es müsse zusätzlich ein Arten- und Naturschutzgutachten erstellt werden. Sowohl die Gemeinde Haar als auch die Bahn gaben dies laut Wöhrl sofort in Auftrag. Nichts geschah. Auf erneute Nachfrage hin teilte die Bahn im Oktober 2008 mit, dass jetzt alle Unterlagen vorlägen und man prüfe, ob nicht eine drei Meter hohe Wand durchsetzbar sei. »Dadurch spart sich die Bahn unter Umständen Kosten beim passiven Lärmschutz, zum Beispiel beim Einbau von Schallschutz-Fenstern oder Ähnliches«, erklärt Wöhrl. Im Dezember erhielt Wöhrl die Auskunft von einem zuständigen Bahnmitarbeiter, dass im Januar 2009 das Planfeststellungsverfahren eingeleitet würde. Doch bis heute ist nichts geschehen. »Wie sollen wir auf gemeindlicher Ebene dieses bürokratische Treiben dem Bürger erklären?«, fragt Bürgermeister Dworzak.

Solche Vorgänge erschütterten das Vertrauen der Bevölkerung in die Handlungsfähigkeit des Staates. Immerhin sollen die defekten Aufzüge, für die es keine Ersatzteile mehr gibt, laut Projektleiter Heiko Hamann noch 2009 ausgetauscht werden. Einen genauen Termin konnte Hamann nicht nennen. Eine Stellungnahme der Bahn war bis Redaktionsschluss leider nicht zu bekommen.

Sybille Föll

Artikel vom 04.03.2009
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