Radio-Live-Sendung von der »Arche Flora« über Außenseiter

Haar · In Salmdorf herrscht Nächstenliebe

Ulrich Hoppe und Gerhard Hauptmann im Gespräch mit den BR-Moderatoren Sabine Winter und Werner Buchberger. Foto: Rammelsberger

Ulrich Hoppe und Gerhard Hauptmann im Gespräch mit den BR-Moderatoren Sabine Winter und Werner Buchberger. Foto: Rammelsberger

Haar · Die beiden Salmdorfer Buben nicken etwas schüchtern, aber mit breitem Grinsen im Gesicht. »Ein bisserl scho«, antworten sie auf die Frage des Radiomoderators Werner Buchberger, ob ihr Nachbar, der grüne Rebell Uli Hoppe, ein bisserl verrückt sei. Der Betroffene selbst schmunzelt zufrieden.

Die Frage war ja auch alles andere als böse gemeint, denn genau so einen Menschen wie Uli Hoppe hatte die Radiosendung »Notizbuch« von Bayern 2 gesucht. Live wurde gesendet von der »Salmdorfer Arche Flora«, wo Hoppe, der ehemals die Obdachlosensiedlung in der Nähe von Salmdorf gegründet hatte, nun Pflanzen Obdach gewährt. Die Frage, der die beiden Moderatoren Buchberger und Sabine Winter nachgingen, beinhaltete eine Menge Zündstoff: »Sind die Außenseiter einer Gesellschaft, das Salz oder doch das Haar in der Suppe?«

Menschen, die nicht ganz mithalten können mit der Gesellschaft, die sich eine Wohnung schlichtweg nicht mehr leisten können, die auf der Straße landen – solche Menschen waren es auch, die bis vor drei Jahren auf dem Gnadenacker in einer Bauwagensiedlung eine Bleibe gefunden hatten.

Auch Georg Hauptmann lebte hier sechs Jahre lang. Erst jetzt zur Radioübertragung kam er zurück nach Salmdorf, traf zum ersten Mal seinen Freund Uli Hoppe wieder, den er zur Begrüßung herzlich drückte. »Der Gnadenacker war Heimat«, sagt er. Es täte ihm heute noch in der Seele weh, hier entlang zu laufen. Schlimme Zeiten habe er nämlich seit der Räumung des Gnadenackers erlebt: Untergebracht in einer ungemütlichen maroden städtischen Notunterkunft hat er den totalen Zusammenbruch erlebt. Er wurde zum schweren Alkoholiker. »Drei Wochen hätte ich vielleicht noch gehabt«, sagt er leise ins Mikrofon.

Heute sieht er gut aus: Er habe eben komplett mit dem früheren Leben gebrochen, ist weg vom Alkohol, hat einen Job im Tierheim. Doch so ganz zufrieden sei er trotzdem nicht. »Eine schöne Wohnung wär’ schon recht«, sagt er, während er seinen schwarzen Hund Ingo streichelt.

Wie schwierig dieser Traum zu erfüllen ist, davon kann Ferdinand Rotzinger, Leiter dese Amtes für Wohnen und Migration der Stadt München, ein Lied singen. Auch er war zum Radiotermin erschienen und berichtete von den Vorurteilen der Vermieter gegenüber Obdachlosen. Doch durch das kommunale Wohnbauprogramm, welches die Stadt München vor einigen Jahren gestartet hat, würde das Angebot an Unterkünften immer besser.

Uli Hoppe hatte diesbezüglich einen unkonventionellen Vorschlag zu machen: Nach dem Motto »Rent a Gent« sollten sich doch gerade Alleinstehende einen Obdachlosen als Untermieter in ein möbliertes Zimmer nehmen. Gerade weil das Klima gegenüber gesellschaftlicher Außenseiter immer rauer würde, würde Hoppe seiner Heimat Salmdorf am liebsten eine Verdienstmedaille verleihen – für Nächstenliebe und Toleranz. »Die Obdachlosenkolonie hier wurde akzeptiert – von vielen sicherlich mit Zähneknirschen, aber trotzdem«, freut er sich. Einige dieser Nachbarn waren auch zur Live-Sendung erschienen. Sie alle sprachen mit größtem Respekt vom Salmdorfer Rebellen.

Auch wenn man bei einem Rückblick in seine Vergangenehiet schnell das Gefühl bekommt, dass sich eine gewisse Rebellion wie ein roter Faden durch sein Leben zieht. Als Beamtensohn wollte er genau das Gegenteil von dem machen, was er aus seinem Elternhaus kannte. Er arbeitete lange als Journalist, schrieb eine ganze Reihe Bücher, lebte dann als Hausmann mit Frau und zwei Töchtern. Finanziell war es für ihn als Freischaffenden immer schon eher schwierig, die Gerichtsvollzieher kannten seine Adresse sehr gut. Irgendwann kam er dann auf den alten Hof in Salmdorf. Ursprünglich wollte er sich hier eine Art Dichterwerkstatt einrichten, da es ihm nicht möglich war, zuhause zu schreiben. Doch dann führte ihn sein Weg immer seltener heim zu Frau und Kindern.

Heute hat er einen Gnadenhof für Pflanzen, vor allem lebt er aber von seiner Familie und einigen Gönnern. »Ich sehe mich als Robinson Crusoe, denn eigentlich meide ich die Menschen.«

Nach knapp einer Stunde wurden die Mikrofone dann wieder eingepackt. »Es war eine schöne Sendung«, freuten sich die Moderatoren. Und Uli Hoppe war ohnehin glücklich: Er konnte noch in seiner grünen Oase ein Pläuschchen mit seinen ehemaligen Gnadenacker-Bewohnern, Nachbarn und Freunden halten.

Claudia Erl

Artikel vom 27.08.2008
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