Schüler begegnen psychisch Kranken

Haar · Vorurteile abbauen

Haar · Psychische Erkrankungen sind in unserer Gesellschaft immer noch ein Tabu-Thema, ist in der Familie jemand betroffen, wird darüber geschwiegen. Und weil das so ist herrscht bei vielen Menschen das Vorurteil: »Psychisch krank? Die sind doch bekloppt, mit denen will ich nichts zu tun haben.«

Doch nur aus Erfahrung wird man klug und so hat die Projektstelle des Kreisjugendrings ebs (erfahren, begegnen, solidarisieren) unter der Leitung von Sylvia Schlund wieder einmal ein Projekt gestartet, diesmal im Bezirkskrankenhaus Haar (BKH). Schüler des Gymnasiums Moosach aus den Jahrgangsstufen neun bis elf durften zwei Tage lang auf dem Gelände verweilen, Patienten mit psychischen Erkrankungen kennenlernen und mit ihnen arbeiten, sich mit Ärzten und Betreuern unterhalten.

Als die Gruppen im Café Regenbogen eingeteilt werden, müssen einige erst mal schlucken. »In der Gemüseverarbeitung arbeiten Patienten aus der Forensik, das heißt psychisch Kranke mit Gewalthintergrund«, erklärt Karin Feige vom Jugendtreff Mooskito in Moosach und Initiatorin von City Bound (Erlebnispädagogik in der Stadt), die das Projekt begleitet. Die vier Schüler schlucken, entscheiden sich aber dann, sich darauf einzulassen. Es gibt keine Probleme und mittags erzählen sie überrascht, dass man den Leuten ihre Krankheit gar nicht sofort ansieht.

Eine andere Gruppe darf einer Kunsttherapie-Stunde im »Haus 23« beiwohnen, wo der Regenbogen e.V. ein Wohnheim für psychisch Kranke betreibt. Doch was sind überhaupt psychische Erkrankungen? Geschäftsführerin Maria Thomaser und Heimleiter Peter Sedlmeier erklären die Unterschiede bei einem gemeinsamen Frühstück. »Dazu gehören Depressionen, Schizophrenie oder Manien«, erläutert Thomaser. Es seien körperliche Krankheiten, die medikamentös behandelt werden können. Nicht dazu gehörten Persönlichkeitsstörungen oder geis-tige Behinderungen wie z.B. das Down-Syndrom.

Wurden psychisch Kranke früher in sterilen Räumen »verwahrt«, ohne Intimsphäre, ohne Aktivitäten, so hat sich die Psychiatrie in den letzten 20 Jahren stark gewandelt. Nun arbeitet sie zukunftsorientiert. Die Patienten sollen in das normale Leben zurückgeführt werden und lernen sich selbst zu versorgen.

In der Kunsttherapie dürfen die Schüler zusammen mit den Patienten ein großes Bild malen. Nach anfänglichem »Fremdeln« auf beiden Seiten kommt es bald zu kreativer Zusammenarbeit und Gesprächen. »Mit den meisten kann man sich ganz normal unterhalten und sie haben auch Humor« stellen die Schüler fest.

»Eine tolle Erfahrung«, sind sich am Schluss alle einig. Und sie wären gerne noch länger im BKH geblieben, um noch mehr zu sehen und zu erfahren. Sybille Föll

Artikel vom 20.10.2005
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