Freie Wähler: "Das Kind mit dem Bade ausgeschüttet"

Ismaning · Dieselverbot diskutiert

Diskutierten mit den Bürgern: MdL Nikolaus Kraus, MdL Michael Piazolo und Stadtrat Hans-Peter Mehling (von links). Foto: job

Diskutierten mit den Bürgern: MdL Nikolaus Kraus, MdL Michael Piazolo und Stadtrat Hans-Peter Mehling (von links). Foto: job

Ismaning · Seit Februar gilt das Dieselfahrverbot in München: Diesel-Autos mit den Abgasnormen Euro 4/IV und schlechter sind seither aus der Umweltzone innerhalb des Mittleren Ringes ausgesperrt. Auch den Mittleren Ring selbst dürfen sie nicht mehr benutzen. Die Stadt will so dafür sorgen, dass der seit 2010 geltenden Stickstoffdioxid-Jahresgrenzwert (40 Mikrogramm NO2 pro Kubikmeter Luft) schnellstmöglich eingehalten wird.

"Unverhältnismäßig und ungerecht" finden die Freien Wähler das Diesel-Verbot. Jetzt diskutierten ihr Stadtvorsitzender, MdL Michael Piazolo, Stadtrat Hans-Peter Mehling und MdL Nikolaus Kraus mit Bürgern und vom Verbot Betroffenen diese Maßnahme.

Natürlich müsse man EU-Vorgaben einhalten und sich Gedanken machen, wie man Klima- und Umweltschutz verbessern könne, sagte Mehling. Das Diesel-Verbot sei aber kein verhältnismäßiger Schritt: die Umsetzung durch den Stadtrat sei zu schnell erfolgt und ohne die Betroffenen ausreichend zu informieren; die Absolutheit des Verbot (indem der komplette Mittlere Ring für Diesel-Autos gesperrt wurde) sei überzogen. Die Ausgestaltung sei schlecht vorbereitet worden, weshalb man im Nachhinein Ausnahmeregelungen ergänzen musste. Zudem sei das Verbot nur schwer zu kontrollieren. "Hier wurde das Kind mit dem Bade ausgeschüttet", fasste Mehling zusammen, "das ist nicht richtig!"

"Es ist eine soziale Ungerechtigkeit"

Allein in München seien 70.000 Diesel4-Autos gemeldet und von dem Verbot betroffen; dazu kommen noch einmal so viele Pendler von außerhalb. Kaum einer könne sich postwendend ein neues Auto leisten, sind sich die Freien Wähler einig. Deshalb sei das Diesel-Verbot auch eine soziale Ungerechtigkeit, unterstrich Nikolaus Kraus. Die Lebensumstände vieler Menschen - zum Beispiel der Pendler, die in München keinen bezahlbaren Wohnraum finden - habe das Verbot nicht berücksichtigt. Bei den Bürgern stießen die Freien Wähler damit auf offene Ohren: "Ich empfinde das Verbot als Enteignung", sagte ein Vater, der für seine Familie mit drei Kindern einen Diesel nutzt. Andere zweifeln, dass das Verbot der Umwelt unter dem Strich überhaupt etwas bringt: "Ein neues Auto zu kaufen, obwohl mein Diesel erst die halbe Lebensdauer erreicht hat, ist Unsinn", meinte ein Bürger, "das Verbot schützt die Luft auf Kosten des Klimas!"

"Die Werte ebben ab"

Die dem Verbot zugrundeliegenden Stickstoff-Grenzwerte werden nur noch an zwei von über 40 Münchner Messstellen überschritten - und auch das nur geringfügig, erinnerte Mehling: "In den letzten Jahren fallen die Werte ständig." An der Dachauer Straße messe man z.B. nur noch 20 Mikrogramm - also lediglich die Hälfte des Grenzwerts. "Die Werte ebben ab", meinte auch Piazolo und stellte die Notwendigkeit des Verbots in Frage: "Hätte sich das alles in wenigen Monaten nicht ohnehin erledigt?"

Der Stadtratsbeschluss sieht vor, dass am 1. Oktober das Diesel-Verbot auf Autos mit der Abgasnorm 5/V ausgedehnt wird, sofern dann die Grenzwerte immer noch überschritten werden. Angesichts sinkender Werte zeigte sich Mehling aber zuversichtlich, "dass die Diesel5-Stufe nicht zündet." Dafür müsse man jetzt alles tun, bekräftigte Piazolo.

Den Verkehr zum Fließen bringen

"Man hätte das Gleiche auch ohne dieses große Verbot erreichen können", ist sich Mehling sicher. Schadstoffwerte könne man am besten senken, wenn man den Verkehr zum Fließen - sei es auch langsam - bringe. Das sei wesentlich besser als das gegenwärtige Stop-and-go auf Münchens Straßen. Die einzelnen Werte der 42 im Jahr 2022 aktiven städtischen Messstationen können unter www.muenchen.de/messergebnisse abgerufen werden.

Artikel vom 07.03.2023
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