Die Akzeptanz bröselt

Kommunal-Archäologie steht vor Herausforderungen

Volles Haus beim archäologischen Sommersymposium in Erding. Archäologie ist in und um Erding noch einmal wichtiger als im Durchschnitt. Bild re.: Professor Bernd Päffgen begleitet das große Forschungsprojekt „Erding im ersten Jahrtausend.“ F.: kw

Volles Haus beim archäologischen Sommersymposium in Erding. Archäologie ist in und um Erding noch einmal wichtiger als im Durchschnitt. Bild re.: Professor Bernd Päffgen begleitet das große Forschungsprojekt „Erding im ersten Jahrtausend.“ F.: kw

Erding · Der Raum Erding ist der am besten erforschte im Bereich des Frühmittelalters. Diese Vorrangstellung hat beim unlängst in Erding durchgeführten archäologischen Sommersymposium einer festgestellt, der es wissen muss: Jochen Haberstroh vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege wurde diesbezüglich deutlich.

Er prägte noch weitere Begriffe: So sprach er vom „Erdinger Modell“, was die Behandlung von Bodendenkmälern angeht. Dieses zeige, wie es gehen könne, lobte er ausdrücklich und stellte fest: „Das kommunale Engagement ragt hier wirklich heraus. Ganz wichtig für ihn die Feststellung: „Es geht nur gemeinsam.“

Der Fachmann antwortete mit diesen unmissverständlichen Feststellungen auf ein durchaus ernstes Grußwort von Oberbürgermeister Max Gotz, der durchaus auch die Gefahren für dieses „Erdinger Modell“ aufzeigte. Er musste nämlich feststellen: „Die Akzeptanz für die Archäologie bröselt.“ Gotz kündigte Gespräche mit den Abgeordneten an. Es gebe Möglichkeiten, die Bauherren bezüglich der Kosten für die Ausgrabungen zu entlasten. Genau hier vermutete der Oberbürgermeister nicht zuletzt vor dem Hintergrund der zuletzt stark gestiegenen Baukosten den Hauptgrund für die zurückgehende Akzeptanz.

Nach wie vor ist es so, dass das Verursacherprinzip gilt. Daraus folgt zwingend, dass der, der in den Boden und damit in ein mögliches Bodendenkmal eingreift, für die Kosten, die dadurch entstehen, aufkommen muss. Das können durchaus fünfstellige Summen werden, und wenn dann auch noch die Feststellung des Vorsitzenden des archäologischen Vereins Erding Harald Krause stimmt, dass in jeder zweiten Baugrube in Erding die Archäologen tätig werden müssen, wird das Ausmaß des Problems erst richtig deutlich. Nun sind die von Max Gotz vorgeschlagenen Wege über die Mehrwertsteuer und eine Entlastung für Bauherren auf diesem Weg durchaus umstritten. Jochen Haberstroh kannte diese Modelle schon und wusste auch, wie umstritten sie sind. Die Diskussion aber muss geführt werden, darüber waren sich alle einig.

Es war auch Max Gotz, der dieses „Erdinger Modell“ näher beschrieb: „Wissenschaft, Landesamt und Bürgerschaft“ würden hier zusammenwirken. Harald Krause hatte die Archäologie im Kreis Erding auf einem guten Weg gesehen. Dabei war er auch voll des Lobes, was das Rathaus in Erding hier zustande bringt: „Die untere Denkmalbehörde leistet hier Dinge, die sie gar nicht tun müsste.“ Der Rückhalt im Stadtrat für diese Belange sei großartig. Harald Krause erinnerte daran, dass die dazugehörigen Beschlüsse stets einstimmig gefasst worden seien.

„Wir nehmen unsere Verantwortung war in Erding.“ Er berichtete auch von neuen Entwicklungen in dieser Thematik: kommunal-Archäologie sei ein großes Thema. Die Bürgerschaft und ihre Einbindung passiert in erster Linie über eben diesen archäologischen Verein, der tatsächlich auch in der Lage sei, für die kostengeplagten Bauherren eine gewisse Entlastung herbeizuführen. Ehrenamtliches Engagement etwa bei der Reinigung der Fundstücke nannte der Vorsitzende hier ausdrücklich. Er deutete an, dass der Verein helfe wo er könne. Die Basis dafür stimmt. Auch der Verein ist nach den Worten des Vorsitzenden „auf einem guten Weg.“

Anders als viele andere Vereine nämlich hat es beim archäologischen Verein keine Austritte in den vergangenen Jahren gegeben, die Tendenz sei eher in die andere Richtung. Harald Krause machte aber auch deutlich, warum die Archäologie im Kreis Erding dermaßen wichtig sei. Gerade in der Zeit, wo die Schweden Spiele gelaufen sind musste der Kreisvorsitzende darauf aufmerksam machen, dass diese Schweden Einfälle alles andere als ein Spiel waren, sondern der 30-jährige Krieg. Dabei ist alles, was in Erding an schriftlichen Unterlagen vorhanden war, verbrannt. Jeder, der Geschichte studiert, der weiß heute, was das für ein unglaublicher Verlust war. Historiker sind auf schriftliche Quellen angewiesen.

Diese gibt es in Erding nicht mehr für alles, was bis zu diesem Zeitpunkt niedergeschrieben worden ist. Harald Krause: „Wir haben nur die Archäologie.“ Oberbürgermeister Max Gotz hat sehr wohl begriffen, was das für die Heimatsgeschichtsforschung bedeutet, und so formulierte er: „Ich fände es traurig, wenn wir das nicht mehr begleiten würden.“

Nun ist aber die gewünschte Akzeptanz von Archäologie auch abhängig davon, was diese an sichtbaren Ergebnissen produziert. Das wiederum hat keiner deutlicher zum Ausdruck gebracht als der wissenschaftliche Begleiter des großen Forschungsprojektes „Erding im ersten Jahrtausend“. Professor Bernd Päffgen war es, der deutlich machte: „Wir sind der Bevölkerung Rechenschaft schuldig.“ In der Wissenschaft besteht diese Rechenschaft in aller Regel aus konkreten Veröffentlichungen von Forschungsergebnissen. Genau an diesem wird weiter gearbeitet. Das Sommersymposium, das auch heuer wieder ausgezeichnet besucht war, ist regelmäßig eine Gelegenheit, mit solchen Veröffentlichungen auch tatsächlich in die besagte Öffentlichkeit zu gehen. Schon allein deshalb war Jochen Haberstroh so glücklich, dass diese Veranstaltung wieder hat stattfinden können. „Wenn es dieses Format nicht gäbe müsste man es erfinden.“ kw

Artikel vom 29.07.2022
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