Ein Besuch der Heimat des Kriegsverweigerers Franz Jägerstätter

Nein zum Krieg aus Überzeugung

Überzeugter Christ: Franz Jägerstätter wollte den Krieg der Nazis nicht mitmachen und musste dafür mit seinem Leben bezahlen. Foto: Erna Putz

Überzeugter Christ: Franz Jägerstätter wollte den Krieg der Nazis nicht mitmachen und musste dafür mit seinem Leben bezahlen. Foto: Erna Putz

München · Die Erinnerung an Franz Jägerstätter ist allgegenwärtig in St. Radegund, einem kleinen Ort in Österreich nahe Tittmoning: Hinweisschilder am Ortseingang, ein blumenreich gestalteter Weg mit großem Schriftzug seines Namens führt zum Grab an der Kirche und zum Franz-Jägerstätter-Platz, vor dem Rathaus erinnert ein Kreuz, außerdem gibt es einen Franz-Jägerstätter-Rundweg, der auch zu dessen Wohnhaus führt.

Franz Jägerstätter wurde 1907 in St. Radegund geboren, wuchs auf dem elterlichen Hof auf, war fest in die Dorfgemeinschaft integriert und übernahm dann zusammen mit seiner Frau Franziska den Bauernhof. Ihre – für damals ungewöhnliche – Hochzeitsreise machten sie 1936 nach Rom, auch ein Zeichen für Jägerstätters tiefe Religiosität, genauso wie die Übernahme des Mesneramtes in der Pfarrei und die tägliche Bibellektüre.

Der Nationalsozialismus war für ihn unvereinbar mit christlicher Überzeugung, weshalb er bei der Volksabstimmung über den Anschluss Österreichs ans Deutsche Reich 1938 auch mit „Nein“ stimmte und sich Spendensammlungen der Nazis verweigerte. Dem Vorwurf „fehlender Vaterlandsliebe“ hielt er entgegen: „Haben wir denn überhaupt auf dieser Welt noch eine Vaterland? Denn wenn ein Land mein Vaterland sein soll, so darf es für mich nicht bloß Pflichten geben, sondern man muß auch Rechte besitzen, hat man das aber bei uns heute noch?“

Zweimal wurde er zum Kriegsdienst einberufen, zwischendurch wieder freigestellt für die Arbeit zuhause. Aber die Zweifel an diesem Krieg wuchsen immer mehr, wie seine Aufzeichnungen belegen, die er seit 1941 begann: „Was wird von uns jetzigen Christen verlangt? Man soll nicht bloß opfern, sondern Menschen überfallen, berauben und sogar morden, damit man ein nationalsozialistisches Weltreich gründen könnte.“

Einer neuerlichen Einberufung wollte Jägerstätter nun nicht mehr nachkommen, ungeachtet der Folgen. Davon konnten ihn auch Gespräche mit dem Ortspfarrer oder dem Linzer Bischof nicht abbringen, auch nicht Freunde und Verwandte mit dem Hinweis auf die drei Kinder des Ehepaars Jägerstätter. Diesem Willen fügte sich schließlich auch seine Frau Franziska, weil sie um die tiefe Überzeugung ihres Mannes wusste. Jägerstätter meldete sich zur erneuten Einberufung am 1. März 1943 in der Kaserne in Enns und erklärte dort seine Weigerung, Kriegsdienst zu leisten. Er wurde verhaftet, ins Wehrmachtsgefängnis nach Linz und schließlich im Mai nach Berlin verfrachtet. Am 6. Juli wurde Jägerstätter dort vom Reichskriegsgericht wegen „Zersetzung der Wehrkraft“ zum Tode verurteilt und am 9. August 1943 mit dem Fallbeil hingerichtet.

Die heute sichtbare Erinnerung an Franz Jägerstätter, der 2007 seliggesprochen wurde, verdeckt freilich das jahrzehntelange Beschweigen dieser Geschichte. Im Gespräch mit der Gruppe der Traunsteiner VVN-BdA erzählte Jägerstätters Tochter Maria Dammer vom Nichtgrüßen, dem Aus-dem-Weg-Gehen, der Ausgrenzung, die ihre Mutter Franziska in St. Radegund erfuhr; sie berichtete auch, dass es in Österreich lange Zeit kaum öffentliches Interesse am Schicksal ihres Vaters gegeben hat. Die Mutter Franziska aber hat durchgehalten und konnte schließlich noch lange Zeit tatkräftig mithelfen, dass mehr Menschen vom mutigen Handeln ihres Mannes erfuhren; sie verstarb 2013 mit 100 Jahren. Tochter Maria verriet dann auch noch die verschmitzte Sorge ihrer Mutter: Ob sie ihr Franz nach den 70 Jahren Trennung überhaupt noch erkennen würde im Himmel?

Artikel vom 08.10.2020
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