Scheren stehen still

Wie werden Friseure die Corona-Krise überstehen?

Friseure können ihrem Handwerk nicht nachgehen, ohne dass eine körperliche Nähe entsteht. Social Distancing und Haare Schneiden passen schließlich nicht gut zusammen. Daher sind die Friseursalons leer, wie hier in Unterhaching. Foto: Privat

Friseure können ihrem Handwerk nicht nachgehen, ohne dass eine körperliche Nähe entsteht. Social Distancing und Haare Schneiden passen schließlich nicht gut zusammen. Daher sind die Friseursalons leer, wie hier in Unterhaching. Foto: Privat

München · Schon seit 20. März bleiben Friseursalons verschlossen, genau wie andere Dienstleistungsbetriebe im Bereich der Körperpflege. Die Ausbreitung des Corona-Virus gilt es einzudämmen und besonders die Friseure müssen ihren Beitrag dafür leisten: einen äußerst schwerwiegenden, denn es gilt, die Scheren und Kämme komplett beiseitezulegen. Erst ab dem 4. Mai dürfen Friseure wieder öffnen.

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Sabine Aufinger ist Inhaberin der Roth Friseurwelt in Unterhaching, in der sie 14 Jahre angestellt war, bevor sie den Salon am 1. Mai 2019 übernahm. Noch ist kein Jahr vergangen, schon steht ihr Start-Up in der Bredouille. "Zuerst verfiel ich in eine Schockstarre", sagt die Jung-Unternehmerin, "doch in meinem Fall hielt sie Gott sei Dank nicht lange an. Zuerst gab es viel zu tun, um unsere Kunden zu informieren, Anträge zu stellen, aber auch sofort neue Hygienemodelle zu entwickeln. Der Austausch mit den anderen Friseuren ist groß."

"Unsere Kunden sind wirkliche Schätze"

Das Wichtigste für die Neu-Chefin ist der permanente Kontakt zu ihrem achtköpfigen Team. "Im Moment nutzen wir die virtuellen Medien, um uns weiterzubilden. In Telefonkonferenzen tauschen wir uns immer wieder aus. Ich denke, hier ist gerade jetzt die Fürsorge und das Verständnis von Mensch zu Mensch wichtig", so die Unterhachingerin. "Unsere Kunden sind wirkliche Schätze. Sie geben uns enorm viel Kraft und Mut weiterzumachen und uns nicht unterkriegen zu lassen", freut sich die 33-Jährige.

Ihren Blick auf Systemrelevanz hat die Corona-Krise auch verändert: "Eine sehr schöne Aussage unserer Kunden ist, dass sie uns Friseure oftmals als sytemrelevant empfinden. Das war uns zuvor gar nicht bewusst. Bei diesem tollen Zuspruch fällt alles nur noch halb so schwer. Das tut wirklich gut, auch hier den Zusammenhalt zu spüren", erzählt sie.

Schnell stellten sich bei den Friseuren Fragen zu Soforthilfe, Kurzarbeitergeld oder zum Thema Ausbildung und ausgefallen Prüfungen. Dies ist eine Krise noch nie dagewesenen Ausmaßes. Als Fachverband ist die Innung München das wirtschaftliche und politische Sprachrohr der Friseur- und Kosmetikbetriebe.

Neben dem sehr großen Beratungsbedarf zum aktuellen Shutdown erarbeitet sie mögliche Vorgehensweisen für eine Exit-Strategie. "Die derzeitige Situation ist auch für uns einmalig", stellt Christian Kaiser, Obermeister der Innung, fest. "Persönlich und als Unternehmer zeige ich für die Maßnahmen viel Verständnis und halte die Reaktion der Regierung für vorbildhaft. Grundsätzlich müssen wir Corona-Auswirkungen wie in Italien oder Spanien vermeiden", bringt es der Landesinnungsmeister des bayerischen Friseurhandwerks auf den Punkt.

Um Entlassungen zu vermeiden, haben viele einen Antrag auf Soforthilfe sowie Kurzarbeitergeld gestellt. "Nachdem unsere Betriebe mit der Schließung einen nahezu 100-prozentigen Umsatzausfall verzeichnen, können hierdurch die wirtschaftlichen Schäden etwas abgefedert werden", sagt der Obermeister. Bis jetzt haben Bund und Land ein großes Hilfsprogramm aufgelegt, "jedoch kommen nicht alle Hilfen ausreichend im Friseur- und Kosmetikhandwerk an", muss Kaiser feststellen.

Mit der Existenzangst schwebt immer ein Fünckchen Hoffnung mit. "Wir hoffen stark auf ein baldiges Ende der Betriebsschließungen, um weitere wirtschaftliche Schäden abzuwenden. Ein langfristiger Shutdown könnte nämlich Entlassungen nach sich ziehen und die hohe Ausbildungsleistung in unserem Handwerk beeinflussen", konstatiert Christian Kaiser.

Mit Spannung erwarten die Friseure die ersten Informationen zu einem lagsamen Wiederhochfahren des Geschäfts. "Das Friseur- und Kosmetikhandwerk ist seit jeher von Hygienemaßnahmen geprägt. Ich sehe gerade hier aufgrund der Vorkenntnisse über Hygiene im Arbeitsalltag die Möglichkeit, die Arbeiten mit minimiertem Ansteckungsrisiko fortsetzen zu können", so der Obermeister. Die Folge wird eine rigorose Umsetzung der geforderten Hygienemaßnahmen sein.

Absolut Tabu in Zeiten des Social Distancing sind persönliche Anfragen von Kunden, welche die Friseure zu Schwarzarbeit und Heimbehandlung nötigen wollen. Strafen von bis zu 25.000 Euro drohen, wenn sie sich darauf einlassen. "Solche Situationen erhöhen nur den Druck auf einen Unternehmer. Schwarzarbeit schädigt unsere Branche langfristig", so Kaiser, daher sein Appell an die Kunden: "Halten Sie noch etwas durch und unterstützen die Betriebe durch einen Salonbesuch, wenn wir wieder aufmachen dürfen. Das sichert Arbeitsplätze."

"Steht zum Ansatz und den lagen Haaren"

Die Kunden des Salons Lachermeier haben für die Maßnahmen Verständnis, aber nur zum Teil. "Einige würden gerne, dass wir zu ihnen kommen und die Haare schneiden, was wir natürlich nicht machen. Meine Gesundheit ist mehr wert als alles andere", so der Inhaber Georg Lachermeier.

Er übernahm seinen elterlichen Friseurbetrieb, der 1971 in Neufahrn öffnete, und ist mit seinem Salon mittlerweile im 24. Jahr in Garching. Er sah die Schließungen kommen. "Ich war ein Vorreiter, der es nicht verstanden hat, warum wir noch aufhaben dürfen, wenn der Sicherheitsabstand 1,5 Meter beträgt." Er arbeitete nicht bis zum letzten Tag vor dem Shutdown im Salon. "Das letzte Mal habe ich am 18. März die Haare geschnitten, da wir selbst schon ab dem 19. März eine Reduzierung der Kunden im Salon vornahmen und entsprechend mit weniger Personal arbeiteten."

Eine Lockerung erhofft sich Lachermeier finanziell gesehen so bald wie möglich, "vom gesundheitlichen Blickwinkel aus allerdings erst dann, wenn es nur noch ein minimiertes Risiko für Mitarbeiter, Kunden und mich gibt", und so liefert Lachermeier momentan Produkte wie Haarfarben an Kunden aus, beschäftigt sich aber auch mit einer Charityaktion für "Die Haarspender" und steht mit einem telefonischen Hilfsdienst bereit, um den Kunden zu helfen. Ein Ratschlag, den er in letzter Zeit oft sagt: "Steht zum Ansatz und den langen Haaren."
Von Daniel Mielcarek

Artikel vom 17.04.2020
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