"Sie musste funktionieren"

Ausstellung und neues Buch zeigen Liesl Karlstadts "Schwere Jahre"

Liesl Karlstadt in ihrer neuen Wohnung Maximilianstraße 24, 1939. Foto: Valentin-Karlstadt-Musäum

Liesl Karlstadt in ihrer neuen Wohnung Maximilianstraße 24, 1939. Foto: Valentin-Karlstadt-Musäum

Altstadt/München · Zum Erscheinen des neuen Buches „Liesl Karlstadt: Schwere Jahre 1935-1945“ (herausgegeben von Andreas Koll und Sabine Rinberger, beide vom Valentin-Karlstadt-Musäum) gibt das Valentin-Karlstadt-Musäum im Isartor ab dem 24. Oktober bis Anfang 2020 allen Museumsbesuchern die Möglichkeit, nochmals die gleichnamige Sonderausstellung zu Liesl Karlstadt in München zu sehen.

Ausstellungseröffnung ist am Donnerstag, 24. Oktober, um 19 Uhr. Eine Autorenlesung mit den Autoren des Buches Musäums-Chefin Sabine Rinberger und Kurator Andreas Koll, begleitet von einer sehr feinen Musik von Evi Keglmaier, findet statt am Donnerstag, 14. November, 19 Uhr im Turmstüberl.

Kartenvorbestellung für alle Veranstaltungen ist möglich telefonisch unter der Nummer 089/22 32 66 oder mit einer E-Mail an info@valentin-musaeum.de In der bereits 2018/2019 sehr gut besuchten Ausstellung zum 125. Geburtstag von Liesl Karlstadt zeigte das Valentin-Karlstadt-Musäum Auszüge der bisher unveröffentlichten Briefe von Liesl Karlstadt an ihre Freundin Norma Lorenzer aus der Zeit von 1935 bis 1945.

Diese sehr persönlichen Briefe, werden nun mit der Publikation historisch aufgearbeitet und präsentiert. Mit vielen Bildern, Dokumenten und bisher unveröffentlichten Briefen beleuchtet dieses Buch die schwere Zeit im Leben und Wirken von Liesl Karlstadt und ermöglicht so einen persönlichen Blick auf eine ungewöhnliche Frau, die aus dem Schatten von Valentin, sollte sie je in ihm gestanden sein, endgültig heraustritt.

Im Jahr 2006 hatte das Musäum überraschend ein neuer Quellenschatz aus Amerika erreicht, sehr persönliche Briefe von Liesl Karlstadt an ihre Freundin Norma Lorenzer. Norma Lorenzers Tochter Brigitte Eriksson brachte sie damals ins Valentin-Karlstadt-Musäum, wenige Jahre vor ihrem Tod. 139 Briefe und Postkarten, feinsäuberlich gebündelt, ein Archivschatz, von dem bisher niemand etwas wusste.

Die Familie hatte im legendären Kefernest gelebt, Keferstraße 10 am Englischen Garten, Treffpunkt von Künstlern und Literaten. Auch Karl Valentin und Liesl Karlstadt waren Teil dieses Kreises. Im Kefernest war Karlstadt, geboren am 12. Dezember als Elisabeth Wellano in der Zieblandstraße in der Maxvorstadt, ein gern gesehener Gast der Familie, oft blieb sie dort über Nacht.

"Liesl Karlstadt war die Seele des Duos Valentin/Karlstadt" schreiben die Autoren in ihrem Buch "Schwere Zeiten": "Darstellerin, Sekretärin, Stückemontiererin, Regisseurin, Maskenbildnerin, Souffleuse, Agentin, Büroange-stellte.

Aber nicht nur das. Sie war auch Geliebte, Partnerin, Kindermädchen für den »großen Bruder« Karl Valentin, Nervenärztin, einfach alles." Und weiter: "Diese beiden Menschen waren sowohl in ihrer Arbeit wie auch in ihrem Privatleben heillos miteinander verstrickt.

Valentin war das Netz, Liesl Karlstadt der Fisch. Hieraus gab es für sie kein Entkommen. Valentin war besessen von der Angst, sie zu verlieren, privat und beruflich. Jeden Schritt, den sie alleine machte, betrachtete er mit Argwohn. Selbst ihre geliebten Ausflüge ins Gebirge duldete er nicht, es könnte ja etwas passieren. Sie konnte machen, was sie wollte, er war dagegen.

Sein Argument: Ich hab dann so viel Angst, und das kannst du mir nicht antun. Im Mittelpunkt stand immer er mit seiner Angst."

Seine Angst war zugleich seine Macht. Sie musste funktionieren, doch plötzlich funktionierte sie nicht mehr.

Am 6. April 1935 versuchte Liesl Karlstadt sich das Leben zu nehmen. Es folgten schwere Jahre, geprägt von langen Aufenthalten in Kliniken und Rehabilitation, von Gehversuchen und Rückschlägen. Ihre Verzweiflung spiegelt sich in den Briefen aus der Zeit. Valentin konnte sie oft nicht mehr ertragen, aber auch nicht aufgeben.

Nach einem erneuten Zusammenbruch im April 1939 und einer darauffolgenden schweren und langwierigen Erkrankung, begann sie sich von ihm zu lösen. 1941 und 1943 erholte sie sich im Gebirge. Auf Wanderungen freundete sie sich mit Soldaten auf der Ehrwalder Alm an und tat als einziger weiblicher „Mulitreiber“ in Uniform auf der Alm Dienst. In der Gemeinschaft mit den Soldaten und im Einklang mit den geliebten Bergen, erholte sie sich von den Strapazen. Das Kriegsende erlebte sie in München.

Artikel vom 23.10.2019
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