Oase im Boomgebiet

Eines der ältesten Hirtenhäuser Bayerns erkunden

Das Herderhaus in Bergham steht in einem einzigartigen Ambiente, das zudem als Naturdenkmal ausgewiesen ist. Hier wird am Sonntag ein Fest gefeiert. Foto: kw

Das Herderhaus in Bergham steht in einem einzigartigen Ambiente, das zudem als Naturdenkmal ausgewiesen ist. Hier wird am Sonntag ein Fest gefeiert. Foto: kw

Erding · Im Erdinger Stadtteil Bergham steht das möglicherweise älteste Hirtenhaus von ganz Bayern. Das sogenannte Herderhaus aus dem Jahr 1650 wurde auf dem Platz eines Vorgängergebäudes mit gleicher Funktion errichtet, wie Forschungen ergeben haben.

Rund um dieses Haus findet am Sonntag, 7. Juli, von 11 bis 15 Uhr ein inzwischen zur Tradition gewordenes Fest statt. Veranstaltet wird es vom Kreisverein für Heimatschutz und Denkmalpflege, dessen Geschäftsführerin Sandra Angermaier dieses Haus wohl zu ihrem ganz persönlichen Projekt gemacht hat, bis hin dazu, dass sie es ist, die dort auch regelmäßig den Putzlappen schwingt.

Bei diesem Fest sorgen die Kohlstattmusikanten aus Allershausen (Kreis Freising) für Volksmusik, und die Geschäftsführerin bietet Führungen durch das Haus an, die jeweils etwa eine Viertelstunde dauern. Sie organisiert zum fünften Mal dieses Fest auf diesem Platz und ihr ist es gelungen, die Probleme, die die Vorgänger in diesem Amt mit dem Fest und seiner Organisation noch gesehen haben, zu überwinden. Das Gebäude steht nämlich mitten in einem Naturdenkmal.

Dort gibt es weder Strom noch Wasser, was die Durchführung eines solchen Festes tatsächlich erschweren kann. Es ist nach ihren Worten das einzige Haus dieser Art, dass überhaupt noch an seinem ursprünglichen Platz steht. Andere Häuser mit dieser Funktion sind nach ihren Worten in der Regel in Freilichtmuseen wieder aufgestellt worden. „Das ist eine große Besonderheit, dass wir das haben.“

Bewohnt wurde es bis 1956 vom Dorfhirten. In der frühen Neuzeit war er es, der das Kleinvieh der Dorfbewohner unterbrachte, versorgte, hütete. Dafür bekam er kein Geld, sondern wurde, wie Sandra Angermaier in der Geschichte herausgefunden hatte, dadurch entlohnt, dass er einen Teil etwa der Wolle oder der Milch oder des Fleisches oder der Eier hat für sich behalten dürfen.

Das Dach des Hauses ist eine Besonderheit: Es ist nämlich ein Reetdach. Früher war es mit Stroh gedeckt, aber die Pflanzenzüchtungen beim Getreide gehen schon lange hin zu niedrigeren Halmen, was zur Folge hat, dass man mit diesem Material keine Häuser mehr decken kann. Sandra Angermaier berichtete, dass für die Eindeckung des Hauses eine Spezialfirma aus Berlin hat anrücken müssen. Das Haus erfreut sich großer Beliebtheit in der Bevölkerung. Sandra Angermaier berichtete von stetig steigenden Besucherzahlen bei diesem Fest. Dabei ist dieses Fest längst nicht die einzige Möglichkeit, dieses Haus zu besichtigen. Vor allem richtet sich dieses Angebot des Kreisvereins an Schulen und Kindergärten. „Ich finde es so wichtig, dass alle Kinder ihre Heimatskultur auch kennen lernen.“ Aber auch Gruppen von Privatpersonen dürften sich jederzeit an den Kreisverein wenden, wenn sie eine Führung haben möchten. „Das lohnt sich wirklich und ist sicher interessant.“

Die engagierte Geschäftsführerin gestattete der Redaktion ausdrücklich, sogar ihre Telefonnummer für den Zweck der Terminabsprache zu veröffentlichen: 0157/77191883. Sie machte deutlich, dass sie sich über diesbezügliche Anfragen sehr freuen würde. Das Fest am Sonntag verstehe sie ausdrücklich als Teil der Öffentlichkeitsarbeit des Kreisvereins für Heimatspflege und Denkmalschutz.

Rund um das Gebäude, das in einem ausgewachsenen Naturdenkmal, dem Lindenhain steht, würden Bierbänke aufgebaut es gebe eine warme Brotzeit. Bier zum Selberzapfen werde angeboten und Steckerlfisch. Das einzigartige Ambiente verdankt das Gebäude dem Umstand, dass rund um das Hirtenhaus die Wiesen beispielsweise der Ortsgemeinde gehört haben, das Vieh also gewissermaßen auf Gemeindegrund herumlief.

Auf diese Weise ist sowohl das Gebäude als auch das gesamte Gelände in die Hände des Landkreises gekommen, der nach den Worten der Geschäftsführerin allein für den Erhalt des Gebäudes zuständig ist. Sie bezeichnete es als großen Glücksfall, dass mitten in der boomenden Stadt Erding mit ihrem gewaltigen Wohnraumbedarf eine solche Oase noch erhalten ist. Sie wusste von Gemeinden, die alle ihre Hirtenhäuser auf einmal abgerissen hat. Als 1956 der letzte Berghammer Hirte auszog war der Denkmalschutz bereits so stark, dass ein Abriss gar nicht infrage kam. Nur darum kann jetzt am 7. Juli dieses fröhliche Fest gefeiert werden. kw

Artikel vom 05.07.2019
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