Hohe Ehre für Anzingerin

Tschernobyl-Helferin Ingeborg Nünke erhält Bundesverdienstkreuz

Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer (rechts) verlieh das Bundesverdienstkreuz an Ingeborg Nünke aus Anzing, die seit fast 30 Jahren Kindern in der Region um Tschernobyl hilft. Foto: StMAS/Gert Krautbauer

Bayerns Sozialministerin Kerstin Schreyer (rechts) verlieh das Bundesverdienstkreuz an Ingeborg Nünke aus Anzing, die seit fast 30 Jahren Kindern in der Region um Tschernobyl hilft. Foto: StMAS/Gert Krautbauer

Anzing · Anzing und Wolinzy trennen nicht nur fast 2000 Kilometer, sondern auch politisch und kulturell Welten.

Ohne Ingeborg Nünke und ihren Verein hätte vermutlich kaum jemand in der Region München vom Schicksal der Menschen in dem kleinen weißrussischen Dorf erfahren, das von der Reaktorkatastrophe bei Tschernobyl im April 1986 wie viele andere hart getroffen wurde. Für ihre langjährige Hilfe hat die Anzingerin vor kurzem das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten.

Nach dem Super-GAU in der Ukraine zog die radioaktive Wolke nach Weißrussland, in die Region um Homel. Fünf Jahre später besuchte Ingeborg Nünke erstmals das Dorf Wolinzy. Sie hatte einen Konvoi zusammengestellt, der den Menschen Kleidung und Nahrungsmittel brachte. "Die Leute lebten in Angst", erinnert sich Nünke. Die Kühe und Kälber waren weggebracht, einige Nachbardörfer zwangsevakuiert worden.

"Man kann nicht anders, als zu helfen"

Das ist fast 30 Jahre her, doch eine Katastrophe solchen Ausmaßes wird die Region wohl nie ganz überwinden können. "Wir haben hier keine Ahnung, was dort passiert", meint Ingeborg Nünke. Zahlreiche Bewohner seien an Krebs erkrankt, viele sterben, bevor sie 40 Jahre alt werden. "Wenn man die Menschen kennt, dann kann man gar nicht anders, als zu helfen."

Im März hat Nünke das Bundesverdienstkreuz am Bande erhalten. Die bayerische Sozialministerin Kerstin Schreyer nahm die Ehrung vor und lobte dabei die Arbeit des Vereins "Hilfe für Kinder aus der Gegend von Tschernobyl". Auch wenn heute kaum noch jemand darüber spreche, sei die atomare Strahlung in der Region immer noch vorhanden. Ingeborg Nünke zeichne sich durch ihren "fortdauernden Einsatz" besonders aus. "Seit vielen Jahren tritt sie mit großer Hingabe für eine Verbesserung der Situation der Kinder und Jugendlichen ein", sagte Schreyer.

Nünke selbst nimmt die hohe Ehre bescheiden an. "Mir ist es wichtig, den Kindern dort zu helfen. Wenn ich das geschafft habe, freut es mich", betont die Anzingerin. Das Bundesverdienstkreuz gehöre eigentlich dem gesamten Verein, allen Gasteltern und jedem, der die Initiative finanziell unterstützt hat. Die Katastrophe von Tschernobyl sei auch in Bayern ein Einschnitt in die persönliche Freiheit und in die Natur gewesen, meint Nünke: "Aber es war klar, dass die Leute vor Ort noch mehr leiden."

Zum Zeitpunkt des Unglücks war ein Kontakt mit Weißrussland allerdings fast unmöglich. Erst nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion konnte Ingeborg Nünke mit ihrer Hilfsarbeit vor Ort beginnen. Bei ihrem ersten Besuch im Jahr 1991 sei die Dankbarkeit überwältigend gewesen. Der Bürgermeister von Wolinzy empfing die Gäste aus Deutschland. "Ich dachte, ihr wärt' unsere Feinde", meinte er mit Anspielung auf den Zweiten Weltkrieg. "Doch jetzt seid ihr die ersten, die kommen, um zu helfen."

Inzwischen hat Nünke acht Hilfstransporte nach Wolinzy geleitet. Bei ihrem bislang letzten Besuch im November 2018 waren auch Anzings Bürgermeister Franz Finauer und seine Frau dabei.

Der Verein hat es sich zudem zur Aufgabe gemacht, Kinder aus dem verstrahlten Gebiet zu einem Erholungsurlaub nach Bayern einzuladen, der ihr geschwächtes Immunsystem und auch ihr Selbstbewusstsein stärken soll. Die Initiative versucht daher, alle Kinder der Schule Wolinzy jedes Jahr für vier Wochen in einer Gastfamilie unterzubringen. Auch für heuer werden noch dringend Gasteltern gesucht. Weitere Informationen gibt es unter www.anzinger-initiative.de


Benjamin Schuldt

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