Ein verzweifelter Kampf

Spatzenhaus in Neuperlach reicht nicht – Mobile Skulptur könnte helfen

Die Uhr tickt. Das Kulturhaus weicht Neubauten und auch die Skulptur muss weg. Nicht nur Vorgelfreund Hermann Benker macht sich Sorgen um die Zukunft der Spatzen am Hanns-Seidel-Platz und in München insgesamt.  F: RedP

Die Uhr tickt. Das Kulturhaus weicht Neubauten und auch die Skulptur muss weg. Nicht nur Vorgelfreund Hermann Benker macht sich Sorgen um die Zukunft der Spatzen am Hanns-Seidel-Platz und in München insgesamt. F: RedP

Neuperlach · Der verzweifelte Kampf der Spatzenfreunde – Der Bruthaus-Turm am Hanns-Seidel-Platz allein genügt nicht – Mobile Skulptur könnte Abhilfe schaffen. Vielleicht gibt es doch noch eine Lösung für die Spatzen vom Hanns-Seidel-Platz.

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Das städtische Kulturreferat will das Kunstwerk »Die Legung«, das den Vögeln vor Ort als Schutzraum und Brutstätte diente, auf einem beweglichen Fundament platzieren und an anderer Stelle etablieren. Womöglich auch im Bereich des neuen Bruthauses am Platz. Der Bezirksausschuss Ramersdorf-Perlach fand die Idee trotz einiger kritischer Stimmen insgesamt gut. Über die endgültige Standortfrage soll aber erst nach der Sommerpause entschieden werden. Neue Hoffnung für die gefiederten Freunde?

Die Spatzen pfeifen es sprichwörtlich von den Dächern: Am Hanns-Seidel-Platz setzt demnächst rege Abriss- und Neubauaktivität ein. Anfang Oktober diesen Jahres soll nach den Plänen der Stadt und der Betreiber des umfangreichen Neubauprojektes »Kultur Quadrat« (wir berichteten) das bisherige Kulturhaus am Platz endgültig abgerissen werden. Dann werden die Spatzen dort aber wohl nicht mehr pfeifen. Derzeit ist eine Kolonie von rund 100 Kleinvögeln noch in der Fassade und in den Dachritzen des Kulturhauses beheimatet und nutzt auch die gleich daneben platzierte Kunst-Skulptur »Die Legung« als Brutstätte. Daneben finden hier vor allem Jungvögel Schutz vor den vielen Krähen im Umfeld. Aber auch »Die Legung« muss aber ebenfalls weg und der neuen Vor-Ort-Planung weichen. Die Spatzen verlieren somit ihre Heimat.

Natur- und Vogelfreunde intervenierten bereits nach dem ersten Bekanntwerden der Pläne. Zwischenzeitlich wurde in knapp einhundert Meter südöstlicher Entfernung von der bislang angestammten Heimat des gefiederten Volks auf dem bisherigen Parkplatzgelände am Hanns-Seidel-Platz praktisch als Ausweichquartier ein Bruthaus aufgestellt und mit einer rund 300 Quadratmeter großen Grünfläche umgeben. Zudem wurden neben dem Kulturhaus einige Ligustersträucher gepflanzt. »Um zu sehen, dass diese Mini-Maßnahmen den Fortbestand der Spatzenkolonie nicht gewährleisten können, braucht es keinen ornithologischen Sachverstand – diese Spatzenkolonie ist so wohl dem Untergang geweiht«, ärgert sich Hermann Benker im Gespräch mit dem Südost-Kurier. Der Bürger aus dem Stadtteil ist ein ausgewiesener Vogelfreund und hat etwa in seinem früheren Arbeitsumfeld am Krankenhaus Neuperlach bereits Nistkästen für Mauersegler errichtet.

Benker ist einer jener, die gegen das zunehmende Sperlingssterben (»Spatzen« im Volksmund genannt) in München auftreten. »Gerade in Zeiten des Artenschwundes ist es kontraproduktiv, diese große Spatzenkolonie zu gefährden«, bricht Benker eine Lanze für die Vögel. Der Rückgang der Spatzenpopulation gerade in Städten wie München bereite Sorge. Benker argumentiert aber auch noch in anderer Richtung. »Auch wäre es aus künstlerischer Sicht ein Frevel, ein Kunstwerk, mag es einem gefallen oder nicht, zu zerstören.« Benkers Hoffnung liegt nun ebenso darin, dass »Die Legung« künftig unter dem neuen, erhöht auf Stangen platzierten Bruthaus am Platz platziert werden könnte. Eine Hoffnung, die nach der neuen Nachricht aus dem Kulturreferat und dem Credo, des BA, einen neuen Standplatz des künftig mobilen Kunstwerks zu suchen, womöglich neue Nahrung hat.

Einhellig war die Begeisterung im Bezirksausschuss zur weiteren Ausrichtung in der Spatzenfrage allerdings nicht.

Erwin Bohlig (CSU) sprach sich gegen jede weitere Befassung mit dem Thema aus. »Wir hatten uns klar für eine Verschrottung der Skulptur entschieden«, beharrte er auf früherer Ausrichtung. »Die Legung fungiert mittlerweile vor allem als Pissoir für Leute, die keine Kinderstube und Erziehung haben.« Zudem sei die Brutzeit der Vögel ohnehin vorbei. Bohligs Parteikollege Werner Ruf sprach in Bezug auf seinen Vorredner von einer »guten Idee«. Allerdings gebe es noch eine »zweite Möglichkeit«, fügte er schmunzelnd an. Man könne die Skulptur »ja auch einem Nachbar-Stadtbezirk schenken«. Ruf nannte explizit Berg am Laim. Auf jeden Fall war er auf Bohligs Linie, »kein weiteres BA-Geld« in dieser Sache auszugeben. Grünen-Sprecher Christian Smolka dagegen fand die Idee einer Verlegung einer künftig mobilen Skulptur »grundsätzlich gut«.

Bevor man das Arrangement aber beim neuen Bruthaus oder anderswo platziere, solle der BA erst noch »Expertenmeinungen« etwa beim Landesbund für Vogelschutz einholen. Verstimmt zeigte sich SPD-Fraktionssprecherin Astrid Schweizer. »Herr Ruf sollte gut zuhören. Ich finde es befremdlich, wenn wir uns hier im Gremium über Bürger-Anträge und Anfragen lustig machen«, kritisierte die Genossin. Wie BA-Chef Thomas Kauer bereits vorher ausgeführt habe, hätten gleich sechs Bürgeranliegen in dieser Sache vorgelegen. Darüber könne man nicht so einfach hinweggehen.

Nach der Politik durfte doch noch Hermann Benker die Sichtweise der Vogelfreunde argumentativ unterstreichen. »Ein Spatz zieht nicht um«, so sein Credo. Nur das neue Bruthaus in lichter Höhe reiche jedenfalls nicht, um den Fortbestand vor Ort zu sichern. »Spatzen sind Höhlenbrüter«, argumentierte Benker. Die Skulptur direkt zum Bruthaus zu verlegen, könne da helfen. BA-Chef Kauer war am Ende spürbar um Verständigung bemüht. »Soll das Kulturreferat die Skulptur doch erst einmal transportfähig machen«, befand er. Das sei ein erster Schritt. Danach könne man im Herbst weitersehen. Auch der Vorschlag von Jürgen Gau (CSU), einen Ortstermin durchzuführen, fand Anklang. Vielleicht pfeifen, tschilpen oder zwitschern die Spatzen am Hanns-Seidel-Platz am Ende doch noch auch künftig von den (Bruthaus-)Dächern. Oder aus der mobilen, Orts veränderten Skulptur »Die Legung« heraus. Eigentlich haben die gefiederten Freunde ja das gleiche Problem wie wir Zweibeiner. Der Lebens- und Wohnraum Stadt wird immer knapper. RedP

Artikel vom 04.08.2018
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