Geschichten des Lebens

Staatsarchiv München sucht Bürgergeschichten aus München und dem Landkreis

Dr. Ulrike Claudia Hofmann und Robert Bierschneider freuen sich auf die gemeinsame Recherche interessanter Geschichten aus München und dem Landkreis.	Fs: ar

Dr. Ulrike Claudia Hofmann und Robert Bierschneider freuen sich auf die gemeinsame Recherche interessanter Geschichten aus München und dem Landkreis. Fs: ar

München/Landkreis · Da bekannterweise das Leben die besten, skurrilsten, schönsten und auch traurigsten Geschichten schreibt, können Bürger aus München und dem Münchner Landkreis ihre eigenen Geschichten aus der Vergangenheit im Staatsarchiv München jetzt aufleben lassen.

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»Geschichte schlägt sich in Quellen nieder. Doch nicht alles findet seinen Weg ins Archiv, so dass viele Ereignisse und Geschichten verloren gehen. Dem möchten wir mit diesem Aufruf entgegenwirken und suchen deshalb ab sofort die Geschichten des »kleinen Mannes« aus München Stadt und Land«, erklärt Archivarin Dr. Ulrike Claudia Hofmann vom Staatsarchiv München.

Archive sind das »Gedächtnis« einer Gesellschaft. Ihre Aufgabe ist es, originale und einmalige Zeitzeugnisse im Leben der Menschen aufzubewahren, zu erschließen, zur Benutzung bereitzustellen, auszuwerten und so zusammengefasst vor dem Vergessen zu sichern.

»Wenn Bürger Geschichten über eine Person, ein Ereignis und / oder eine Liegenschaft (Straßenveränderungen, Gebäude, auch kleine Gedenksteine) wissen, einen eigenen Bezug dazu haben oder hatten und darüber Dokumente oder Bilder entweder selber besitzen oder sich anderweitig besorgt haben, können diese sich an uns wenden. Dazu ist lediglich nötig, Dokumente wie Fotos, Postkarten, Baupläne und auch Fragestellungen zu einem Dokument dem Staatsarchiv leihweise für die weitere Recherche zur Verfügung zu stellen«, erklärt Hofmann den Vorgang. Im Staatsarchiv wird dann, ausgehend von den gelieferten Dokumenten, nach weiterem Material dazu geforscht, und das in den etwa 42 laufenden Regalkilometern Akten. »Beispielsweise haben wir Anfragen von Bürgern, die von ihren Großvätern Schutzhaftbefehle gefunden haben.

In der Regel hat die Familie nur dieses Dokument. Wie es zu diesem Befehl kam, ob der Großvater eingesessen hat und wo, sind meist ungeklärte Fragen, denen wir im Archiv auf den Grund gehen können«, ergänzt Robert Bierschneider, Archivar und Spezialist für Zeitgeschichte und NS-Zeit am Staatsarchiv München. Als Beispiel einer Bürgergeschichte erzählt Bierschneider: »Es gab einen Schutzhaftbefehl des Hilfsarbeiters Friedrich Haas aus München-Denning (Bogenhausen) wegen Verbreitung von sogenannten Greuelnachrichten über das KZ Dachau im Dritten Reich. Im Staatsarchiv fand man aufgrund der Dokumentation der Bayerischen Politischen Polizei heraus, dass Haas von einem Arbeitskollegen angezeigt worden war. Laut Protokoll der Vorführungs-Note (Vorladung) stritt Haas vehement jegliche Äußerungen ab. »Er weiß nix über die Zustände im KZ Dachau. Seine Äußerungen darüber wären nur dahergesagt, ein Spaß«, versuchte er vermutlich sich noch herauszureden.

Denn zu dieser Zeit wurde gegen Bürger, die die tatsächlichen Umstände im KZ Dachau verbreiteten, massiv vorgegangen. Die weiteren Dokumente belegen, dass fünf weitere Zeugen von der Bayerischen Politischen Polizei herangezogen worden waren, die die Äußerungen von Haas, dass im KZ Dachau Unrecht geschieht, bestätigten. Das verdeutlicht den Druck, den die Nazis nach der Devise »Wer Dinge nicht anzeigt, wird selber schuldig!«, ausübten nur ansatzweise. Für diese Äußerungen wurde Haas fünf Monate hinter Gitter gebracht.«

»Denkbar wäre aber auch zum Beispiel, dass jemand zum Flugzeugabsturz 1958 in Trudering, in dem die Fußballmannschaft von Manchester United saß, in irgendeiner Form etwas beitragen kann. Indem er sich an den Bergungs- oder Rettungsaufgaben beteiligte oder Angehörige betreute und aus dieser Zeit Material besitzt und wir dadurch ein weiteres Puzzleteil bekommen, vielleicht für eine Münchner Heldengeschichte«, führt Hofmann als weiteres Beispiel für eine mögliche Bürgergeschichte an. Aktiv mitzuforschen ist ebenfalls erlaubt. »Bürger, die sich selbst an der Recherche beteiligen möchten, können mit Hilfestellung eines Archivars gerne ihrer Geschichte selbst auf den Grund gehen«, so Hofmann weiter.

Ferner können auch die Unterlagen im vorhandenen Kataster des Staatsarchivs München einen Ansatz für eine interessante Geschichte liefern. »Wir bearbeiten insgesamt 6.000 Fälle im Jahr, davon sind ein Drittel Anfragen über alte Baupläne«, erzählt Bierschneider. Ebenso lässt sich in den vielen Nachlassakten das eine oder andere Aufschlussreiche über Personen finden. »Die Nachlassregelung der bekannten Münchner Betrügerin Adele Spitzeder, war genauso turbulent wie ihr gesamtes Leben«, erzählt die Archivarin mit einem Schmunzeln.

Präsentiert werden die Ergebnisse der Bürgergeschichten voraussichtlich in einer Ausstellung im Staatsarchiv München, die am Tag der Archive am 5. und 6. März 2016 unter Mitwirkung aller beteiligten Hobbyforscher eröffnet wird. »Im Anschluss daran sollen die Bürgergeschichten in einer kleinen Publikation veröffentlicht werden«, so Hofmann abschließend und voller Vorfreude auf die kleinen oder auch großen Münchner Stadt- und Landgeschichten.

Bei Interesse und Nachfragen wenden Sie sich bitte bis zum 1. August 2015 direkt an das Staatsarchiv München (Schönfeldstraße 3) an Dr. Ulrike Claudia Hofmann unter E-Mail ulrike.hofmann@stam.bayern.de oder Telefon 0 89 / 2 86 38 -25 36. ar

Artikel vom 08.04.2015
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