Flüchtlingshilfe via Facebook

Haar · Eine großartige Kinderwagenspende über Nacht organisiert

Traudl Vater vom Haarer Tisch nimmt den Kinderwagen von Ribana Nardi mit ihrer Tochter Soraya entgegen. Foto: Gemeinde Haar

Haar · Ein Hauch von Gänsehaut war schon im Spiel, als vergangene Woche der E-Mail-Account der Gemeinde eines um andere Mal mit einem »Bin« neue Nachrichten anzeigte.

Es waren allesamt Haarer die schrieben – und die helfen wollten. Wobei? Ein vier Wochen altes Baby einer syrischen Flüchtlingsfamilie benötigte dringend einen Kinderwagen.

Nach einem Aufruf auf der facebook-Seite der Gemeinde Haar hat das Baby nun praktisch eine komplette Erstausstattung. Doch hier zunächst die Geschichte: Eine Woche war es her, dass die syrische Mutter mit dem Mitte Dezember geborenen Säugling zum ersten Mal beim »Haarer Tisch« auf-tauchte. Das Baby war trotz der winterlichen Temperaturen nur in einige Tücher gehüllt am Arm der Mutter – was die Helferinnen spontan ihre Schals abnehmen ließ, um das Neugeborene damit einzuwickeln.

Ein Kinderwagen und Winteranzüge fürs Kind würden dringend gebraucht, das war nicht nur Traudl Vater, Gemeinderätin, Sozialarbeiterin und ehrenamtliche Mitarbeiterin am »Haarer Tisch« in diesem Moment klar. Da musste geholfen werden. Und zwar sofort. Und weil es so fürchterlich eilte, entschloss sich Traudl Vater, neben dem Anleiern offizieller Hilfen »einfach mal rumzufragen«.

So landete sie schließlich auch über den Tipp einer Gemeinderatskollegin bei der Face- book-Seite der Gemeinde Haar, wo in einer kurzen und knappen Meldung am Mittwochabend verkündet wurde: »So – jetzt haben wir noch eine Bitte/Frage an euch zum Abend: Hat jemand zufällig einen Kinderwagen übrig, den er kostenlos abgeben würde? Es gibt eine Familie InH, die Kunden vom Haarer Tisch sind und für ihr Baby dringend ein Gefährt bräuchten. Bislang muss die Mutter ihren vier Wochen alten Säugling in viele Decken gewickelt herumtragen. Gespendet werden kann am Freitag zwischen 10 Uhr und 13 Uhr am Haarer Tisch am Setzerhof. Falls das nicht klappen sollte, dann schreibt uns doch unter facebook@gemeinde-haar.de eine Mail. Vielen Dank - und euch allen noch einen schönen Abend.«

Es sollte das letzte Posting für diesen Tag werden. 19 Uhr 34 war es da. Die erste Mail kam nur wenige Minuten später. Und es hörte nicht mehr auf: Zunächst waren es Angebote für warme Babykleidung – am nächsten Morgen konnte die facebook-Beauftragte der Gemeinde Haar Traudl Vater verkünden: »Wir haben einen Kinderwagen«. Und es sollte nicht der letzte bleiben.

Auch Ribana Nardi las das Posting. »Ich hing irgendwie so an unserem Kinderwagen, in dem ich unsere beiden Mädls rumgeschoben habe. Aber als ich den Aufruf las, wusste ich, dass das jetzt der Moment da ist, den Kinderwagen herzugeben«, erklärte die 29-Jährige. Sie schrieb eine Mail - und gleich beim nächsten Termin des »Haarer Tischs« kam sie angefahren – ihr Auto bis unter das Dach vollgepackt mit zwei Kinderwägen inklusive kompletter Ausstattung, mit den schönsten Babykleidern und -schuhen, Babywippen und -spielzeug und vor allem vielen warmen Wintersachen. Mit dabei war die zweijährige Tochter Soraya, die all die Sachen ohne auch nur zu murren in die Hände von Traudl Vater abgab. Wahrlich gerührt ist sie von dieser spontanen Hilfsbereitschaft – schließlich ist Kinderausstattung alles andere als ein Pappenstiel. Und in den nächsten Tagen wird es noch mehr Kinderwägen geben, die Sozialarbeiterin hat auch jetzt schon einige Kisten Babykleidung bekommen.

Auch im Rathaus ist man begeistert und ein bisschen berührt. Bürgermeisterin Gabriele Müller: »Schon als ich ankündigte, dass neue Flüchtlinge zu uns kommen werden, war die Welle der Hilfsbereitschaft groß. Dass wir der Familie durch die spontane Reaktion jetzt so schnell konnten, macht mich direkt ein wenig stolz auf die Haarer.« Eines ist aber jetzt schon klar: Solche Art der Hilferufe sollen künftig nicht zum Alltag auf der facebook-Seite der Gemeinde Haar werden. Schließlich will man weder dieses Portal noch die Haarer diesbezüglich überstrapazieren. Aber schön ist das Gefühl doch, dass man sich in der Not verlassen kann – auf die Haarer.

Artikel vom 04.02.2015
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