Leitungswechsel bei der Ungarnhilfe

Haar · Christa Gebel übergibt an Hermann Meyer – Die Kontinuität bleibt

Die Gruppe der Ungarnhilfe Haar bei der Feier in der Diözesangeschäftsstelle der Malteser. F: Gemeinde Haar

Die Gruppe der Ungarnhilfe Haar bei der Feier in der Diözesangeschäftsstelle der Malteser. F: Gemeinde Haar

Haar · Ein Wechsel nach 25 Jahren ist schon etwas Besonderes, insbesondere wenn die Ausscheidende ihren 90. Geburtstag feiern konnte. Christa Gebel, die Gründerin der Ungarnhilfe Haar, übergibt die Hauptverantwortung an ihren langjährigen Stellvertreter Hermann Meyer.

Das veranlasste die Landesbeauftragte der Malteser der Erzdiözese München und Freising Freifrau Stephanie von Freyberg und Landesgeschäftsführer Christoph Friedrich die ganze Haarer Helfergruppe zu einer Feierstunde in die Münchner Geschäftsstelle einzuladen.

Der Abend bot Anlass, die Erfolgsgeschichte der Ungarnhilfe Revue passieren zu lassen. Über Dr. Stephan Graf von Bethlen, Abgeordneter des ersten frei gewählten Parlaments in Ungarn, hatte Christa Gebel Land und Leute kennengelernt. Sie erlebte die Not der Menschen und fuhr mit der Überzeugung nach Haar zurück – hier muss man helfen.

»Anfangs waren wir ein reiner Frauenverein«, so Christa Gebel. »Tragen Sie mal einen Bettbezug voller Stoffe oder einen großen Röhrenfernseher. Die sind kaum zu heben.« Also habe man nach einer »raren Spezies« Ausschau gehalten, dem hilfsbereiten Mann. Als Hermann Meyer vor 21 Jahren eigentlich nur ein paar Kleidungsstücke bei der Ungarnhilfe abgeben wollte, erkannte Christa Gebel die Gunst der Stunde und fragte ganz direkt, ob er nicht mitarbeiten wolle. Er sagte ja, brachte seinen Werkzeugkoffer mit und blieb.

Entscheidend war der Wille zu helfen, Not zu lindern, aber nicht nach dem Gießkannenprinzip, sondern mit dem Ziel »Hilfe zur Selbsthilfe« zu ermöglichen. Der Anfang war eine reine Privatinitiative, die kein Verein sein wollte. Also musste für die Anerkennung der Gemeinnützigkeit eine andere Lösung gefunden werden, denn Ungarn war zu diesem Zeitpunkt noch nicht EU-Mitglied. Der erlösende Gedanke waren die Malteser.

Der seinerzeitige Stadtbeauftragte Wolfgang Wagner war der Retter. Er war von den konkreten Vorstellungen und dem Durchsetzungswillen von Christa Gebel anfangs überrascht. Ein Blick in die berufliche Vita seiner Besucherin gab Aufschluss: Christa Gebel ist diplomierte Sozialarbeiterin. Sie leitete nach dem 2. Weltkrieg das Flüchtlingsdurchgangslager in Allach und war danach langjährige Frauen- und Angestelltenreferentin des DGB. Wagner zeigte sich beeindruckt und sagte ja zur unterstützen den Zusammenarbeit. »Dies Problem war gelöst, aber die Bürokratie und Einreisebe-stimmungen, das stundenlange Warten im ungarischen Generalkonsulat noch nicht«, erinnert sich Christa Gebel. Trotzdem gelang es, den Bedürftigen in den Orten mit den schier unaussprechlichen Namen wie Sátoraljaújhely oder Kiskunlacháza, um nur die beiden schwierigsten zu nennen, zu helfen.

Hilfe mit Herz und Verstand

In diesen 25 Jahren rollten 205 riesige Lastzüge mit Hilfsgütern im Wert von 11,5 Millionen Euro nach Ungarn: voll beladen mit Kleidung, Möbeln, Raum- und Büroausstattung, mit Pflegebetten, medizinischen Geräten, mit Spielsachen und Sportartikeln. Kinderheime, Kindergärten, Schulen (über fünfzig wurden neu möbliert), Kliniken, Pflege- und Seniorenheime wurden von der Ungarnhilfe Haar unterstützt und versorgt. Eine Sozialküche wurde eingerichtet. Müsste man die Menschen zählen, denen von Haar aus geholfen wurde, sie würden ein großes Fußballstadion füllen. Gesammelt werden die Sachspenden in der Grundschule am Jagdfeld. Christa Gebel: »Ohne die Unterstützung der Gemeinde Haar hätten wir unsere Arbeit nicht so erfolgreich ausbauen können. Wir haben dem früheren Bürgermeister Helmut Dworzak viel zu verdanken.«

Mit Leib und Seele fürs Ehrenamt Christa Gebel vergisst bei allen persönlichen Ehrungen nie ihr Team von fünfzig Helfern zu erwähnen. Die heitere Atmosphäre beim Packen, selbst in kritischen Situationen, lobt sie besonders. Acht Monate im Jahr stehen die Helferinnen jede Woche einmal im Keller. Sie sortieren und verpacken die gebrachten Sachspenden in mühsamer, zeitraubender Arbeit. Die männlichen Helfer schuften anschließend schwer beim Beladen der Transporter. Bei der Malteser-Festveranstaltung wurde aber nicht allein Christa Gebel verabschiedet, sondern auch fünf weitere Helfer, die auch schon alle 18 bis 22 Jahre dabei waren: Günter Seyfarth, weil ihm mit seinen 80 Jahren das Auf und Ab über die steile Treppe in den Fahrradkeller der Jagdfeldschule halt doch nicht mehr so leicht fällt. Mit ihm zusammen verlassen Anna Czutka, Elisabeth Fuchs, Lore Klee und Martha Reiser den Helferkreis. Ein entscheidendes Merkmal der Ungarnhilfe ist der ausgezeichnete freundschaftliche Kontakt untereinander und die herzliche Beziehung zu den ungarischen Partnern.

Jährliche Besuche aller betreuten Einrichtungen ließen Christa Gebel hautnah die Bedürfnisse und Notwendigkeiten erkennen. »Freundschaftliche Kontakte zu Leitern und Bewohnern sind das Erfolgsprinzip«, sagt Christa Gebel.

Vom damaligen ungarischen Staatspräsidenten Professor Dr. Ferenc Mádl erhielt Christa Gebel dafür 2005 die höchste Auszeichnung, die Große Goldene Ehrenmedaille. In seiner Laudatio sagte er: »Ich danke Ihnen und Ihren Helfern von ganzem Herzen. Sie haben uns nicht nur materielle Hilfe gegeben. Sie haben Ihre Seele hineingepackt.« Andere Auszeichnungen folgten in Ungarn und Deutschland, zuletzt von den Maltesern. Die Trägerin der Goldenen Ehrennadel der Gemeinde Haar ist auch Ehrenbürgerin von fünf ungarischen Gemeinden. Graf Bethlen überbrachte Grüße und Dank aus Ungarn und sagte unter anderem: »Christa Gebel ist eine Frau, die nicht nur entsetzt hinschaut und dann wegsieht, sondern zur Tat schreitet.« Christa Gebel wünschte ihrem in Freundschaft verbundenen, langjährigen Stellvertreter Hermann Meyer viel Glück und überreichte ihm zur Bekräftigung ein riesiges Glückschwein. Ganz müssen Hermann Meyer und die Helfer auf die Erfahrung der früheren »Chefin« auch nicht verzichten. Sie bleibt der Ungarnhilfe verbunden und wird weiter die Medienarbeit übernehmen und Kontakte pflegen.

Artikel vom 21.01.2015
Auf Facebook teilen / empfehlen Whatsapp

Weiterlesen





Wochenanzeiger München
 
Kleinanzeigen München
 
Zeitungen online lesen
z. B. Samstagsblatt, Münchener Nord-Rundschau, Schwabinger-Seiten, Südost-Kurier, Moosacher Anzeiger, TSV 1860, ...