Zafer Ertem holt ein Museum für Migration nach Trudering

Trudering/Messestadt · Aktiv für den Stadtteil

Zafer Ertem, glücklicher Wahltruderinger und Kurator beim Bayerischen Institut für Migration.	Foto: privat

Zafer Ertem, glücklicher Wahltruderinger und Kurator beim Bayerischen Institut für Migration. Foto: privat

Trudering/Messestadt Riem · Vor zehn Jahren ist Zafer Ertem mit seiner fünfköpfigen Familie von Wien nach Trudering gekommen. Umzugsgrund war seine Arbeit für das Bayerische Institut für Migration, kurz BIM. Bisher hat er schon ein jährliches Radlevent ins Leben gerufen. Nun plant der Kurator ein Museum im Stadtteil.

»Trudering ist ein urbanes Viertel mit tollen Menschen und ein Mittelding zwischen Großstadt und Leben im Grünen. Wir lieben den Riemer Park. Für die ganze Familie kann ich sagen: Hier haben wir eine Wahlheimat gesucht und gefunden.«

»In seinem Stadtteil mitmachen und etwas bewegen«: So könnte das Motto der Familie Ertem lauten. Die drei Kinder sind in Wien geboren, der Vater hat türkische Wurzeln. Zu Hause spricht man deutsch, wenig türkisch, aber auch etwas englisch, französisch und japanisch. Die Familiengeschichten und Traditionen geraten nicht in Vergessenheit, aber das Leben hier in Trudering nimmt den größten Raum ein. »Wir helfen gerne und sind sozial engagiert. Das macht auch den Kindern Freude und Spaß. Meine Tochter hilft im Tierheim, mein Sohn war bei der Jugendfeuerwache. Alle zusammen haben wir das »TruRieRad«, einen Fahrradparcours durch den Riemer Park ins Leben gerufen. Wir wollten unsere unmittelbare Umgebung nicht nur alleine erkunden, sondern gemeinsam mit den Nachbarn hier Spaß haben. Beim Fahrradfahren kann jeder mitmachen und sich einbringen. Es geht darum, die Vielfalt der Menschen, Gewohnheiten und Kulturen des Stadtteils zusammenzubringen«, erläutert Ertem. Dabei will die Familie möglichst vielen die unterschiedlichen Ecken des Riemer Parks zeigen. Und dazu verlocken, schon früh im Jahr die Fahrräder aus dem Keller zu holen und ohne großen Aufwand, direkt um die Ecke, aktiv zu werden. Das Radlevent wird von Jahr zu Jahr deutlich größer und zog diesen April rund 900 Besucher und über 400 Teilnehmer in den Park. »Der Riemer Park ist für mich das zentrale Wahrzeichen des Stadtteils. Wir werden natürlich auch nächstes Jahr das TruRieRad starten.« Dabei geht es Ertem nicht nur um spielerische Aktionen in der Nachbarschaft. Er beschäftigt sich hauptberuflich und wissenschaftlich mit dem Thema Migration oder Leben in der Fremde.

Bayerisches Museum für Migration kommt nach Trudering

Wie haben die Menschen, die vor rund 50 Jahren auf Basis des Gastarbeitervertrags nach München kamen, die Stadt und Deutschland erlebt? Das ist eine zentrale Frage, der Ertem und die anderen Mitarbeiter des BIM nachgehen. Schon in frühester Zeit war Bayern ein Durchzugsland. Kelten, Römer oder Bulgaren kamen und gingen und auch die Bayern sind gewandert, so Ertem. Ab den 50er- Jahren kamen viele Migranten mit dem Zug in München, auf dem mittlerweile legendären Gleis 11 an, um dann weiter in andere Städte, beispielsweise nach Bremen zur BASF, geleitet zu werden. Italiener, Spanier, Griechen, Jugoslawen und ab circa 1960 auch Türken blieben dabei teilweise in München. Die Lebenslinien, Wünsche und Realitäten der Einwanderer dokumentiert das BIM durch Interviews mit Zeitzeugen, Archivbilder und zahlreiche Dokumente. »Wir wollen die schönen und traurigen Momente festhalten, die zum Leben in der Fremde gehören«, so Ertem.

Die Unterlagen sollen das Verständnis für Migranten erhöhen, denn viele Politiker würden über das Thema ohne Sachkenntnis reden, weil sie persönlich keine Protagonisten kennen. Nun sucht das BIM einen geeigneten Raum für eine Dauerausstellung in Trudering. Im Gespräch ist augenblicklich die denkmalgeschützte Galerie Fuhrmann in der Truderinger Straße. Das Haus beim neuen Gesundheitszentrum ist vielen Alteingesessenen noch als Weinkellerei bekannt. Hier oder an einem anderen Ort im Stadtteil wird eine Dauerausstellung mit Bibliothek und Veranstaltungsprogramm entstehen. Das Projekt ist einmalig in Bayern, bisher gibt es etwas Ähnliches deutschlandweit nur mit dem Domid in Köln. »Inhaltlich arbeiten wir dazu eng mit dem Münchner Stadtarchiv, dem Stadtmuseum und dem Museumsverband in Berlin zusammen«, erklärt Ertem. »Das BIM ist ein Baustein, damit sich Fremde bei uns wohler fühlen und besser integrieren können.« Zwänge, wie die Entscheidung für eine einzige Staatsbürgerschaft und Missverständnisse führten dazu, dass sich viele dauerhaft als »fünftes Rad am Wagen« fühlen. Gerade gut ausgebildete Migranten dächten daher oft »mir reicht es« und gingen zurück in die Heimatländer ihrer Familien. Ein schmerzhafter Verlust für die deutsche Gesellschaft, die sich erst seit 2005 offiziell als Einwanderland definiert. bus

Artikel vom 18.06.2013
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