Veröffentlicht am 02.12.2010 14:28

„Wir werden regelrecht überrollt”

Das Clean Projekt Neuhausen ist seit 1996 in dem Flachbau an der Andréestraße 5 hinter dem Rotkreuzplatz beheimatet. (Foto: WS)
Das Clean Projekt Neuhausen ist seit 1996 in dem Flachbau an der Andréestraße 5 hinter dem Rotkreuzplatz beheimatet. (Foto: WS)
Das Clean Projekt Neuhausen ist seit 1996 in dem Flachbau an der Andréestraße 5 hinter dem Rotkreuzplatz beheimatet. (Foto: WS)
Das Clean Projekt Neuhausen ist seit 1996 in dem Flachbau an der Andréestraße 5 hinter dem Rotkreuzplatz beheimatet. (Foto: WS)
Das Clean Projekt Neuhausen ist seit 1996 in dem Flachbau an der Andréestraße 5 hinter dem Rotkreuzplatz beheimatet. (Foto: WS)

Das Clean Projekt Neuhausen (CPN) hilft betreuungsbedürftigen Kindern und Jugendlichen – und braucht jetzt selbst Hilfe. Weil immer mehr junge Leute das Angebot nutzen, müsse die Stadt dem Verein künftig mehr Geld zur Verfügung stellen und die Regelfinanzierung erhöhen. Diesen Hilferuf hatte der Vorstand des Vereins bereits im Oktober an Oberbürgermeister Christian Ude gerichtet.

Der Bezirksausschuss Neuhausen-Nymphenburg unterstützte nun das Anliegen und forderte die Stadt auf, die Sätze der Regelfinanzierung den gesteigerten Aufgaben anzupassen. Zwar bekommt das Clean Projekt auch Spenden, unter anderem von Sternstunden e.V. und der SWM Bildungsstiftung. Doch „für 2011 sind die Spenden noch nicht gesichert“, erklärt CPN-Chefin Anne Weiß.

Jeden Mittag geht es in den Räumen des Clean Projekts an der Andréestraße 5 rund. Mehr als 40 Kinder kommen nach dem Unterricht zum Mittagessen und zur Lernhilfe. Die ersten trudeln schon um 12 Uhr ein, die letzten um 13.30 Uhr. Bis 17 Uhr werden sie betreut – alles ist für die Schülerinnen und Schüler kostenlos. Seit September 2007 gibt es das neue Mittagsangebot, „wir werden regelrecht überrollt“, sagt CPN-Chefin Weiß. Immer wieder bringe eines der Kinder einen Freund mit, abwimmeln kann und will sie die neuen Besucher nicht, also weitet sich das Angebot ständig aus. Dem Verein, 1993 als Selbsthilfeprojekt zur Sucht- und Gewaltprävention junger Leute gegründet, entstehen durch das neue Mittagsangebot zusätzliche Kosten: für Koch- und Putzpersonal sowie für Studenten, die die Lernhilfe geben. Der Kosten- und Personalaufwand sei deutlich gestiegen, berichtet Weiß. Gleichzeitig läuft aber im Keller des Flachbaus hinter dem Rotkreuzplatz das originäre Angebot weiter: Mit Krafttraining, Boxen, der Kampfsportart Turon und Schwunghanteltraining will man jungen Leuten eine Alternative bieten zu Alkohol, Tabletten, Drogen und Gewalt. Auf Wunsch findet außerdem eine persönliche Beratung bei Suchtproblemen statt.

Auf dem richtigen Weg

„Viele geglückte Biographien geben uns die Kraft, uns auch für die heutigen Kinder und Jugendlichen zu engagieren“, heißt es in dem Schreiben des CPN-Vorstands an den Münchner OB. Und weiter: „Wir können es uns nicht leisten, das Potenzial dieser jungen Menschen zu verschmähen.“ Der Erfolg der Gründergeneration bestätigt den Verein, auf dem richtigen Weg zu sein. Die jungen Leute von 1993 hätten vielfach akademische Karrieren eingeschlagen und seien heute zum Beispiel Chefingenieure, Juristen und Sozialpädagogen – und Vorbilder für die nachfolgenden Generationen.

Selcuk kommt bereits aus der zweiten Generation junger Leute, denen das Clean Projekt eine Perspektive gab. Mit 14 Jahren kam er dazu, heute ist er 25 Jahre alt, studiert und gibt den Kindern Nachhilfe in Mathe, Rechnungswesen und BWL. Die Studenten machen außerdem gezielte Vorbereitung auf Schulaufgaben und Abschlussprüfungen. Das Clean Projekt bietet ferner einen Quali-Kurs an, bei dem die Schüler ihre Lücken gezielt schließen können. „Die Präventionskette greift heute viel früher. Bildung ist immer auch an mehr Wohlstand gekoppelt“, sagt Maximilian. Er ist Student, angehender Lehrer fürs Gymnasium und hilft den Kindern in Deutsch, Mathe und Englisch.

Mittagstisch und Lernhilfe

Mehr als die Hälfte der Kinder, die zum Mittagessen in die Räume des Clean Projektes kommen, seien Kriegsflüchtlinge aus dem Irak und aus Afghanistan, ergänzt CPN-Chefin Weiß. Viele der jungen Besucher stammten aus Familien, deren Eltern im Niedriglohnsektor tätig seien oder Hartz-IV-Empfänger. Die Eltern hätten kein Geld, um die Mittagsbetreuung oder den Hortplatz an den Schulen zu bezahlen. Clean Projekt sei „eine niedrigschwellige, offene Einrichtung“, die unmittelbar und ohne Hemmschwelle aufgesucht werde. Da ist zum Beispiel Abu. Er kam vor drei Jahren eines Mittags in die CPN-Räume und wollte wissen, ob er dort etwas zu essen bekomme. Seitdem besucht der heute 15-Jährige regelmäßig den Mittagstisch und die Lernhilfe. 2005 hatte es ihn mit seinen Eltern aus Guinea nach München verschlagen. Er besucht an einer Hauptschule in Moosach die achte Klasse des M-Zweigs. Nach dem Unterricht fährt er mit der U-Bahn zum Rotkreuzplatz. Wenn die Lernhilfe beim Clean Projekt vorbei ist, geht’s noch in den Keller zum Boxtraining. Danach fährt er mit der U-Bahn nach Hause, die Familie wohnt seit kurzem in der Messestadt Riem.

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