Die Biathletin Verena Monika Bentele wurde am 28. Februar 1982 in Lindau am Bodensee geboren. Biathlon ist eine Wintersportart, die sich aus Skilanglauf, der Ausdauer erfordert und Schießen, das Präzision verlangt, zusammensetzt. Bentele tritt auch als reine Skilangläuferin an. Die vierfache WM- und zwölffache Paralympics-Siegerin gewann fünf ihrer zwölf Goldmedaillen bei den Paralympics 2010. Verena Bentele, die blind ist, wird „die Schneekönigin“ genannt.
Wie sind Sie ins Westend gekommen?
Ich wohne seit drei Jahren im Westend. Vorher lebte ich im Olympischen Dorf. Aber das wird seit 2007 renoviert, deshalb bin ich dort ausgezogen. Eine Freundin, die im Westend eine Physiotherapie-Praxis hat, machte mich darauf aufmerksam, dass in dem Haus, in dem sie wohnt, eine Wohnung frei wird. Das war ein Riesenglück. Ich habe die sofort genommen. Das ist das Schöne an dem Viertel, dass es noch so viele Häuser mit Innenhöfen gibt. Ich wohne in einem Hinterhaus. Dahin kommt kein Laut von der Straße. Ich höre nur die Kirchenglocken läuten. Die Nachbarn sind alle sehr freundlich und nicht empfindlich. Die stört es nicht, wenn Kinder im Treppenhaus spielen oder nachts mal eine Waschmaschine läuft. Das finde ich super.
Was schätzen Sie an Ihrem Viertel?
Eigentlich bin ich ins Westend richtig reingestolpert. Am Anfang hörte ich oft, das sei kein schönes Viertel. Wie kannst du da hinziehen, bin ich gefragt worden. Mittlerweile ist das Westend absolut „in“. Ich finde an dem Viertel schön, dass es ein bisschen wie ein Dorf ist. Ich mag die kleinen Lebensmittel- und Gemüselädchen. In vielen Geschäften – beim Apotheker, beim Getränkemarkt oder der Wirtschaft an der Ecke – höre ich oft: „Hallo Frau Bentele!“ Ich kenne die Leute und die Leute kennen mich. Da fühle ich mich wohl.
Haben Sie einen Lieblingsplatz?
Vor einem Jahr habe ich das Café Müller & Söhne in der Kazmairstraße entdeckt. Ich liebe die Atmosphäre, den Kaffee und den Kuchen sowie die anderen Sachen, die es dort gibt. Und ich kann bei schönem Wetter draußen sitzen. Die vielen Lädchen sind für mich sehr praktisch. Ich bin kein Freund von Riesenläden. In den kleineren ist der Service sehr viel besser. Die Hilfsbereitschaft der Nachbarn ist großartig. Manchmal frage ich mich, was ich wohl in einem anderen Haus machen würde.
Wie kommen Sie mit Ihrer Blindheit zurecht?
Oft sind es nur Kleinigkeiten, bei denen ich Hilfe benötige. Zum Beispiel, einen Brief mit der Adresse zu beschriften oder einen Fahrradsattel zu verstellen. Ein Nachbar macht das freundlicherweise ganz schnell. Oder auch Freunde von mir, die in München wohnen. Ich sehe gar nichts, von Geburt an. Genau wie mein Bruder Michael, der wie ich blind ist. Das kommt durch eine genetisch bedingte Krankheit.
Wie war Ihre Kindheit?
Ich bin in Wellmutsweiler auf einem Bio-Bauernhof in einem Sechs-Häuser-Dorf aufgewachsen. Unsere Eltern haben meinen Bruder und mich wie selbstverständlich auf dem Hof herumspielen lassen. Genauso selbstverständlich haben wir ohne Hilfe gelernt, Fahrrad zu fahren. Wir haben von klein auf keine Angst davor gehabt, uns zu bewegen. Und wir haben wie alle anderen auf dem Hof geholfen. Wir sind immer mit einbezogen worden.
Wie kamen Sie zum Sport?
Sportlich aktiv wurde ich durch meine Eltern, wir sind im Winter immer zum Alpin-Skifahren gegangen. In der Schule habe ich dann einen Langlaufkurs absolviert, der mir viel Spaß gemacht hat. Ich habe mich immer gern bewegt und viel Sport gemacht.
Was bedeuten Ihnen ihre sportlichen Erfolge?
Die sind toll. Man macht Sport auch, um das Gefühl des Erfolgs zu haben. Und ich bin sehr ehrgeizig. Es macht mir Spaß, eigene Grenzen zu überwinden und darauf zu achten, dass ich besser werde.
Wie ging es Ihnen nach Ihrem schweren Skiunfall im vorigen Jahr?
Der hat mich sehr zurückgeworfen. Aber durch meine Familie, meine Freunde und durch meine Mannschaft hatte ich so viel positiven Zuspruch, dass schnell klar war, dass ich nicht aufhören würde. Heute bin ich dankbar dafür und richtig froh darüber, dass ich weitergemacht habe. Ich habe einen tollen Begleitläufer gefunden. Für mich war das die absolut richtige Entscheidung.
Wie sieht Ihr Tag heute aus?
Zurzeit sitze ich fast nur noch bei offenem Fenster an meinem Laptop, um meine Magisterarbeit zu schreiben. Ich gehe nur raus, wenn ich etwas zu essen brauche oder zum Trainieren. Davon abgesehen, besuche ich manchmal mit Freunden gern die Kneipen im Westend: das „Stoa“, das „Meyers“ oder das „Cafe Westend“. Früher war ich in ganz München unterwegs. Seit ich hier wohne, habe ich aber auch dieses Viertel für mich entdeckt.
Was haben Sie beruflich vor?
Ich möchte im Bereich Personal-Training und Öffentlichkeitsarbeit für Unternehmen arbeiten. Ich halte Vorträge in ganz unterschiedlichen Firmen und zu verschiedenen Themen rund um Motivation, Teamfähigkeit, das Entdecken eigener Stärken. Das hat sich entwickelt. Ich denke, dass das nach dem Studium (Verena Bentele studiert Neuere deutsche Literaturwissenschaft, die Red.) ausbaufähig sein wird. Die Arbeit ist spannend, ich lerne viele Menschen kennen und komme mit ihnen ins Gespräch. Ich gehe vorwiegend im Sommer an die Uni, also antizyklisch zu den anderen Studenten. Im Winter widme ich mich dem Sport.