„Bei den meisten Menschen lösen Ratten Ekel, Angst und manchmal sogar Panik aus”, weiß Lydia Schübel, Biologin und Wildtierexpertin beim Tierschutzverein München. Der schlechte Ruf hängt vermutlich mit ihrer Vergangenheit als Nahrungsschädlinge und Krankheitsüberträger zusammen: „Als Träger des Rattenflohs war der Nager im Mittelalter Hauptüberträger des Pestbakteriums. Weniger bekannt ist, dass sowohl Ratten als auch der Floh unter der Pest gelitten haben und gestorben sind - genau wie geschätzte 125 Millionen Menschen.”
Obwohl Ratten schon sehr lange in Europa und nahezu allen Teilen der Welt leben, sind weder die Wanderratte noch die Hausratte hier schon immer heimisch gewesen, wie Schübel erklärt: „Ursprünglich stammen die Tiere aus Asien. Vermutlich fand die erste Rattenbesiedlung über die Römer statt. Mit Hilfe von Schiffen und Vorräten breiteten sie die Tiere schnell aus. Mit dem Zusammenbruch des römischen Reiches und seiner wirtschaftlichen Hochkultur verschwanden vorübergehend auch die Ratten aus Europa, um dann mit dem wieder aufblühenden Handel im Mittelalter erneut als blinde Passagiere aus Asien einzureisen.”
Ratten sind hochintelligent, sehr sozial und überaus anpassungsfähig, meint die Wildtierexpertin: „Sie sind buchstäbliche Allesfresser, gute Kletterer, Schimmer und Taucher. Dank dieser Talente kommen sie so gut wie überall zurecht.” Zu ihrer raschen Verbreitung trage auch ihre außergewöhnliche Fortpflanzungsfähigkeit bei: „Bis zu zwölf Würfe pro Jahr mit jeweils bis zu 22 Jungtieren pro Wurf sind keine Seltenheit. Familiengruppen umfassen bis zu 60 Mitglieder.” Jüngst schätzt der Mensch die Nager aufgrund ihres hervorragenden Geruchssinns: „Da sich Ratten gut trainieren lassen, werden sie inzwischen bei der Sprengstoffsuche und der Früherkennung diverser Krankheiten wie Tuberkulose und Krebs eingesetzt”, sagt Schübel.