Ein Tauschkreis sorgt in Haidhausen für Nachbarschaftshilfe der anderen Art

Bogenhausen · Vom Geben und Nehmen

Eines der »Angebote« des Münchner Tauschkreises: drei Mitglieder der Bürgerinitiative spielen auf.	 Foto: Privat

Eines der »Angebote« des Münchner Tauschkreises: drei Mitglieder der Bürgerinitiative spielen auf. Foto: Privat

Bogenhausen · Ein Geburtstags-Guglhupf für das Babysitten oder kräftige Unterstützung beim Umzug für die Computer-Nothilfe – so funktioniert, ganz simpel dargestellt, das System der Tauschkreise, die eine neue Kultur des Gebens und Nehmens schaffen wollen. Diese Nachbarschaftshilfegruppen, in denen Arbeitszeit, Arbeitsmittel und Sachen von den Teilnehmern getauscht, verliehen oder verschenkt werden, existieren weltweit in vielen Städten: 9.000 Gruppen sind es wohl insgesamt, davon 350 in Deutschland.

Auch in München gibt es seit 1993 Gruppen mit rund 700 Mitgliedern, die sich in diversen Stadtteilen organisiert haben. Unter anderem in Haidhausen und Bogenhausen. Einer der etwa 70 Stadtteilbewohner, die mehr oder minder regelmäßig den Tauschkreis nutzen, ist Klaus Bickert. Seit 1998 ist er dabei und von der Idee überzeugt: »Man findet fast immer jemand, wenn man etwas braucht. Per Tauschkreis konnte ich etwa zu meinem 50. Geburtstag eine große Party schmeißen, mit Buffet, Paella, Clown und Musikern.« Verrechnet wird der Tausch von Diensten und Dingen zwischen den Teilnehmern mit einer alternativen Zeit-Währung: in München heißt das Talente, in Frankfurt etwa Kiwis oder in Rostock Knoten.

Ein Talent entspricht einer Arbeitszeit von 3 Minuten, 1 Stunde sind 20 Talente. Die gesammelten Talente werden eigenverantwortlich in Tauschheften festgehalten. Der Vorteil gegenüber sonstigem Tausch (wie Du mir, so ich Dir) ist, dass kein direkter Tauschpartner notwendig ist, der im Gegenzug gerade das anbietet, was man braucht. Das Ganze ist eine Alternative zum herkömmlichen Geldsystem, die sich in Argentinien vor ein paar Jahren richtig bewährt hat: »Als dort die offizielle Währung plötzlich nichts mehr wert war, griffen gut 30 Prozent der Bürger zur Selbsthilfe und versorgten sich über Tauschkreise mit dem zum Leben Notwendigen«, erzählt Bickert.

Eigeninitiative und eine soziale Einstellung ist aber unbedingt notwendig bei den Teilnehmern, damit das Tauschen auch richtig funktioniert: »Wir sind sehr auf Gleichgewicht bedacht und legen sehr viel Wert auf die Qualität der geleisteten Dienste.« In Frage kommt alles, was man gerne macht und gut kann. Bei Bickert sind das so unterschiedliche Dinge wie: defekte Computer reparieren, Vorträge über Astrophysik (damit hat er beruflich zu tun) oder kabribische und asiatische Küche. Wie oft und wie lang jemand seine Dienste anbietet, ob alle paar Monate mal oder wöchentlich, ist individuell verschieden. »Man sollte sich aber bewusst sein«, betont Bickert, »dass man schon Zeit für andere und für sich aufbringen muss.« Speziell gesucht werden übrigens noch Menschen mit handwerklichen Fähigkeiten, für die Verwaltungsarbeit und jemand für die Datenbank, der sich sehr gut in Websprachen auskennt – auch diese Arbeit wird in Talenten vergütet.

Der Tauschkreis Bogenhausen und Haidhausen trifft sich jeden zweiten Dienstag, 20 Uhr, im Gemeindesaal der St. Johanneskirche, Preysingplatz. Um 18.30 Uhr gibt es Infos für Neulinge – etwa zu rechtlichen Dingen. Auskunft erteilen auch Klaus Bickert, Tel. 7 69 35 88, oder Sigrid Preuss, Tel. 47 79 77. Mehr auch unter www.lets-muenchen.de. ms

Artikel vom 13.12.2005
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