Die Bundesgartenschau blüht bereits – im nächsten Jahr sollen

Mit dem Regenwurm auf Du und Du

Naturliebhaber und Gartenfreunde aus München und dem Umland können es kaum noch erwarten. Im April nächsten Jahres öffnet die Bundesgartenschau (BUGA) ihre Tore, Gärten und Parks in Riem. Bis dahin werden 30.000 Bäume gepflanzt sein, zwei Millionen Blumenzwiebeln gesetzt sein und 65 Millionen Euro investiert sein.

Die Mühe soll sich lohnen, versprechen die Organisatoren doch „ein Feuerwerk an Blumenschauen, traumhafte Farben und Formen, Naturshowspiele pur“. Zudem soll die BUGA dem neuen Stadtteil „Messestadt Riem“ als Einweihungsfest dienen. Einen ganzen Sommer lang können die Münchner und ihre Gäste erleben, welche Lebensqualität zigtausende Blumen, Büsche, Bäume und ein Badesee in einen derart konstruierten Stadtteil bringen.

Die erste Bundesgartenschau in Hannover eröffnete 1951 Elly Heuss-Knapp, die Ehefrau des ersten Bundespräsidenten. Seitdem finden die spektakulären Schauen im Zwei-Jahres-Turnus in wechselnden deutschen Städten statt. Doch Gartenschauen haben eine längere Geschichte: Schon im 15. Jahrhundert, mit der Entdeckung Amerikas und dem zunehmenden Warenaustausch zwischen den europäischen Ländern und ihren Kolonien, begannen Forschungsreisende exotische Pflanzen nach Europa zu bringen.

Manchmal stellten die Besitzer ihre grünen Besonderheiten in ihren privaten Gärten und Glashäusern aus. Das Interesse der Bürger an Gartenkunst und Gartengestaltung wuchs und veranlasste die Gärtner, ihre Zuchterfolge in der Öffentlichkeit zu präsentieren. Um 1800 öffnete etwa Hofrat Wolfgang Wedel in Jena seine Ländereien einem breiten Publikum. Darunter war regelmäßig der berühmteste Hofrat aus Weimar, Johann Wolfgang von Goethe.

Goethe hätte bestimmt auch bei der Münchner Schau seine Freude. „Jeder Besucher soll die BUGA verlassen mit neuem Verständnis und neuen Impulsen – Perspektivenwechsel ist das Schlüsselwort der BUGA 2005“, so die Veranstalter. Diesem Ziel gelten die verschiedenen besonderen Anlagen, darunter der „Zellengarten“ und der „Senkgarten“. In den zwölf Einheiten des Zellengartens, dessen Grundstruktur dem Zellgewebe einer Pflanze nachempfunden ist, werden arrangierte Gärten in ungewohnten Sichtweisen präsentiert. „Orte des Lebens“ ist das große Thema, das alle Zellen einen soll. Gemeint sind Lebensräume wie Luft, Erde und Wasser. Der Besucher soll durch ausgehobene Gänge geleitet werden, Erde riechen und fühlen können. „Mit dem Regenwurm auf Du und Du“, jubeln die Macher.

Schon jetzt, ein Jahr vorher, kommt zumindest Petra Pintscher, eine der BUGA-Organisatorinnen, kaum mehr aus dem Schwärmen: „Alles blüht! Wir sind voll im Zeitplan, die parallelen Gärten sind angelegt und stehen in voller Blüte, um den Badesee grünt es schon, vor allem die Iris-Minze-Wiese blüht dort gerade kräftig.“ Noch vor einigen Jahren war es unvorstellbar, dass an dieser Stelle die Farben regieren, bis 1992 bestimmte der graue Beton des alten Flughafens das Farbenspiel in Riem.

Nach 52 Jahren Flugbetrieb schloss damals der überlastete Airport seine Pforten, Schalter und Hangars. Die Neuplanungen für das 560 Hektar große Gelände hatten da längst begonnen. Von Anfang an hatte die Stadt unter dem Leitmotiv „Nachhaltige Entwicklung eines neuen Stadtteils“ eine konsequent ökologisch orientierte Planung vorgesehen. Die Flughafenfläche sollte gedrittelt werden: Gewerbe mit der Messe Riem im Norden, Wohnen im Zentrum und eine Grünfläche im Süden, die als Klimaschneise für die Stadt und die Region dienen soll.

Bereits im Wettbewerb für die Gestaltung der Grünfläche, den 190 Hektar großen Landschaftspark, den der französische Landschaftsarchitekt Gilles Vexlard 1995 gewann, war die Idee einer Bundesgartenschau angedacht. Und bei soviel grüner Stadtteilplanung musste München schließlich den Zuschlag zur BUGA erhalten.

Obwohl die Bundesgartenschau nur einen Sommer lang in München Halt macht, will sie selbst so nachhaltig wie möglich sein. Weite Teile der gärtnerischen Bereiche werden zwar nach der BUGA wieder zurückgebaut und als Baugebiet ausgewiesen. Doch die wesentlichen Bestandteile der Bundesgartenschau bleiben bestehen und werden Teil des Riemer Landschaftssparks.

Nebenan wohnen im Moment bereits 2.000 Menschen aus über 50 Nationen. Später sollen es 16.000 werden, darunter viele Kinder. Für sie sollen naturnahe Orte zum Lernen, Spielen und Erleben geschaffen werden – die Gestaltungseinheiten der Schau werden entscheidender Bestandteil sein: Vor allem der 14 Hektar große Badesee und die zwei Rodelhügel dürften die Kleinen anziehen.

Auch auf der anderen Seite des Landschaftsparks probt eine Gruppe von Menschen das naturnahe Wohnen. Auf dem so genannten Gnadenacker leben seit 1998 an die 25 Männer, Frauen und Kinder in Bauwägen, sie haben sich so selbst aus der Wohnungsnot gerettet. Doch die Siedlung ohne fließendes Wasser und Kanalisation ist illegal, seit Jahren versucht vor allem das Planungsreferat der Stadt die nicht ganz gesetzmäßige Nutzung der Fläche zu unterbinden.

Folge: Die Wagen-Siedlung muss weg. Schon länger setzt sich allerdings das Sozialreferat für den Gnadenacker ein: „Wir wollen, dass der Personenkreis zusammenbleibt. Wir halten die Gruppe für eine gesunde Geschichte und wollen solche Eigeninitiativen fördern. So ein Engagement vermissen wir bei manch anderen Wohnungslosen“, beschreibt Michael Senjor vom Amt für Wohnen und Migration die Lage. Man sei mit den Kollegen von Planungs- und Kommunalreferat übereingekommen, dass man nach einem Ersatzstandort für die Siedler suchen werde.

Die Gnadenacker-Bewohner selbst wären mit ihrem Projekt gerne Teil der BUGA geworden, doch das ist angeblich nicht möglich. Auch wenn die Organisatoren versichern, nicht grundsätzlich Probleme mit ihren Nachbarn zu haben: „Wir sind nicht der Motor, dass sie wegkommen“, so Petra Pintscher. Von Albrecht Ackerland

Artikel vom 15.07.2004
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