Hochprozentige Tour

Berg am Laim · Ein Blick hinter die Kulissen der Branntweinveredelung am 13. September

Erstmals steht die Branntweinveredelungsanlage in Berg am Laim zur Besichtigung für die Bürger offen. Beim Tag des offenen Denkmals am 13. September können Interessierte einen Blick hinter die Kulissen werfen.	Foto: AgrAlco AG

Erstmals steht die Branntweinveredelungsanlage in Berg am Laim zur Besichtigung für die Bürger offen. Beim Tag des offenen Denkmals am 13. September können Interessierte einen Blick hinter die Kulissen werfen. Foto: AgrAlco AG

Berg am Laim · Seit 115 Jahren wird in der Fabrikanlage in der Neumarkter Straße 1 direkt am Leuchtenbergring hochprozentiger Alkohol hergestellt.

Beim Tag des offenen Denkmals am kommenden Sonntag, 13. September, haben Bürger nun erstmals die Möglichkeit, die historische Produktionsstätte zu besichtigen. Initiiert hat das Projekt der Historiker und Stadtteil-Experte Erich Kasberger in Zusammenarbeit mit der Münchner Volkshochschule (MVHS). Ein Denkmal im klassischen Sinne ist die Branntweinveredelungsanlage in Berg am Laim eigentlich nicht. In der Fabrik wird nämlich nach wie vor produziert. Brennereien der landwirtschaftlichen Betriebe aus dem Münchner Umland liefern dort Rohmaterialien an, aus denen in aufwändigen, chemischen Verfahren reiner Alkohol hergestellt wird. Gebraucht wird dieser unter anderem in der Pharmazie, der Kosmetik, der Chemie- und Elektroindustrie sowie im Automobil- und Lebensmittelsektor.

»Weil der Tag des offenen Denkmals in diesem Jahr unter dem Motto ›Handwerk, Technik, Industrie‹ steht, haben wir uns entschieden, den Anwohnern diese Fabrik zu zeigen«, erklärt Winfried Eckardt, Leiter des Stadtbereichs Ost der MVHS. Zudem blicke die Anlage auf eine langjährige Geschichte zurück. Erich Kasberger, der als Buchautor und ehemaliger Geschichtslehrer am Michaeligymnasium umfassende Forschungen über den Stadtteil angestellt hat, bestätigt dies. Gegründet worden sei die Branntweinbrennerei von den Gebrüdern Macholl im Jahr 1900, berichtet er: »Dort wurde auch der sogenannte Macholl aus dem Stück ›Die einverständigen Katastrophen‹ von Karl Valentin hergestellt.« Bereits damals sei der Betrieb eine Aktiengesellschaft gewesen, mit einer Einlage von 1,5 Millionen Mark: »Für diese Zeit war das sehr viel Geld.« 1913 sei das Unternehmen an die Süddeutsche Spirituosenzentrale übergegangen, 1924 sei die Reichsmonopolverwaltung eingestiegen. Grund dafür sei die hohe Inflation gewesen: »Der Staat wollte sich der Branntweinanlage bemächtigen, auch wegen der Steuern.«

Bis zum Frühjahr des vergangenen Jahres habe sich die Fabrik im Besitz der Bundesmonopolverwaltung für Branntwein befunden. Immer wieder habe er bei der Behörde angefragt, ob eine Besichtigungsveranstaltung für Bürger möglich sei, sagt Kasberger: »Aber dort bin ich in all den Jahren auf taube Ohren gestoßen.« Erst nach der Privatisierung, bei der die Produktionsstätte an die Agralko AG, eine aus landwirtschaftlichen Betrieben bestehende Aktiengesellschaft, verkauft wurde, sei es ihm gelungen, sein lang ersehntes Projekt endlich zu verwirklichen.

Erfahren können die Besucher am Tag des offenen Denkmals jedoch nicht nur alles Wissenswerte über die Historie der Anlage. Geboten sind in 15-minütigen Führungen von 10 bis 17 Uhr auch Einblicke in die Produktionsprozesse. Da es sich hierbei um hochkomplexe chemische Abläufe handle, bei denen teilweise Explosionsgefahr bestehe, müssten sich die Teilnehmer allerdings »sehr diszipliniert verhalten«, mahnt Kasberger. Das Einschalten von Mobiltelefonen, fotografieren und offenes Feuer seien streng verboten.

Ein Unglück, bei dem vier Arbeitskräfte ums Leben gekommen seien, habe sich auf dem Firmengelände 1933 ereignet. Noch heute erinnert eine Gedenktafel an den Vorfall. Einen weiteren Unfall, bei dem ein Kupferschmied gestorben sei, habe es 1974 gegeben, berichtet eine Mitarbeiterin. »Der Sicherheitsaspekt ist bestimmt auch ein Thema, das bei der Bevölkerung Fragen aufwirft«, glaubt Kasberger. Diese könnten bei der Besichtigung beantwortet werden.

Karten für die Führungen, die übrigens kostenfrei sind, sind am Veranstaltungstag ab 9 Uhr vor Ort erhältlich. Kasberger rechnet jedoch mit einem starken Andrang. Da die Plätze begrenzt seien, sei es empfehlenswert, rechtzeitig da zu sein, so sein Rat. Julia Stark

Artikel vom 08.09.2015
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