Veröffentlicht am 26.11.2024 16:17, aktualisiert am 26.11.2024 16:27

E-Scooter-Anbieter beschweren sich - weil Bürger sich beschweren


Johannes Beetz
Johannes Beetz
Chefredakteur
seit 1999 bei der Gruppe der Münchner Wochenanzeiger
Mitarbeit im Arbeitskreis Redaktion des Bundesverbands kostenloser Wochenzeitungen (BVDA)
Gewinner des Dietrich-Oppenberg-Medienpreises 2017 (Stiftung Lesen)
E-Scooter blockieren diese Feuerwehrzufahrt (links) an der Moosacher Straße und lassen für Passanten (rechts) kaum Platz auf dem Gehweg. Der Voi-Sprecher meint dazu: „Die Diskussion kommt zur falschen Zeit”. (Foto: job)
E-Scooter blockieren diese Feuerwehrzufahrt (links) an der Moosacher Straße und lassen für Passanten (rechts) kaum Platz auf dem Gehweg. Der Voi-Sprecher meint dazu: „Die Diskussion kommt zur falschen Zeit”. (Foto: job)
E-Scooter blockieren diese Feuerwehrzufahrt (links) an der Moosacher Straße und lassen für Passanten (rechts) kaum Platz auf dem Gehweg. Der Voi-Sprecher meint dazu: „Die Diskussion kommt zur falschen Zeit”. (Foto: job)
E-Scooter blockieren diese Feuerwehrzufahrt (links) an der Moosacher Straße und lassen für Passanten (rechts) kaum Platz auf dem Gehweg. Der Voi-Sprecher meint dazu: „Die Diskussion kommt zur falschen Zeit”. (Foto: job)
E-Scooter blockieren diese Feuerwehrzufahrt (links) an der Moosacher Straße und lassen für Passanten (rechts) kaum Platz auf dem Gehweg. Der Voi-Sprecher meint dazu: „Die Diskussion kommt zur falschen Zeit”. (Foto: job)

Immer wieder berichten uns Leser von Problemen mit rücksichtslos auf Gehwegen abgestellten E-Scootern. Seit zwei Jahren erhalten wir immer wieder Bilder von solchen Stolperfallen. Von einem „E-Scooter-Chaos” wollen die, die mit den kleinen Flitzern ihre Brötchen verdienen, aber nichts wissen. „Die Anbieter nehmen Beschwerden über falsch abgestellte E-Scooter sehr ernst”, erklärte jetzt ein Sprecher des E-Scooter-Anbieters Voi - und überschrieb sein Erstnehm-Versprechen mit der Behauptung „'E-Scooter-Chaos' ist ein überholtes Vorurteil”. Das tat er im Namen der Plattform Shared Mobility (das ist ein Verbund der Verleih-Firmen Bolt, Lime, Uber und Voi).

Wie ernst ist „ernst” gemeint?

Einmal mehr erzählte der Sprecher, man ergreife „umfassende Maßnahmen”, um Falschabstellungen zu verhindern bzw. gegebenenfalls zu beheben. Zugleich klagte er sein Leid mit Bürgern, die sich dennoch nicht mit den Stolperfallen abfinden: „In der öffentlichen Diskussion genügt oft die gefühlte Wahrnehmung, um vermeintlich chaotische Zustände zu beanstanden.”

Ja, aber ...

Das Straßenbild habe sich seit der Einführung von festen Abstellflächen schließlich signifikant verbessert, sagt der Voi-Mann. Ja - aber die gibt es nur in auserkorenen Bereichen der Stadt.
675 solcher Flächen soll es geben. Ja - aber erst Ende 2026.

Außerdem habe man dank zusätzlicher Kontrollen „spürbare Verbesserung” erwirkt, sagt der Voi-Mann. Ja - aber das bezieht er auf punktuelle, kurze Zeitspannen (wie Fußballeuropameisterschaft oder Oktoberfest).

„Daten aller Anbieter belegen, dass 99 Prozent der Nutzerinnen und Nutzer die Roller ordnungsgemäß parken”, behauptet der Voi-Sprecher.

Geht ohne die Plage nichts mehr?

Annähernd zehn Millionen Fahrten wurden 2023 in München auf E-Scootern zurückgelegt, so die Anbieter-Zahlen. Die Plagegeister (für die einen) seien daher unverzichtbar (für die anderen): „Viele Menschen haben den E-Scooter und andere Sharing-Zweiräder bereits so in ihren Mobilitätsalltag integriert, dass ein Wegfall dieses Angebots dem Verbot des privaten Autos gleichkäme”, glaubt Martin Becker, Vorsitzender der Plattform Shared Mobility. Ohne Scooter & Co würden auch in einer ÖPNV-Stadt wie München „tausende Bürgerinnen und Bürger ihrer Individualmobilität beraubt”.

Diskussion ja - aber bloß nicht jetzt

In ihrer „Individualmobilität” zumindest eingeschränkt durch behindernd abgestellte Roller sehen sich dennoch viele Bürger, insbesondere sehbehinderte. Das zeigen auch die Zuschriften unserer Leser. In seinem aktuellen Schreiben meint der Voi-Sprecher, man wolle „die Diskussion um die Zukunft der Mikromobilität in München konstruktiv begleiten” - und wischt gleich mit dem nächsten Satz eine solche Diskussion vom Tisch: „Die Diskussion kommt zur falschen Zeit”.

Am Laimer Platz erklärt Stefan Unterstraßer, warum auf dem Gehweg zurückgelassene Roller für ihn gefährliche Stolperfallen sind. Zudem machen es ihm die Scooter wie hier unmöglich, sich mit seinem Taststock an der Kante entlang des U-Bahn-Aufzugs und des Gehweg zu orientieren. (Foto: job)
Am Laimer Platz erklärt Stefan Unterstraßer, warum auf dem Gehweg zurückgelassene Roller für ihn gefährliche Stolperfallen sind. Zudem machen es ihm die Scooter wie hier unmöglich, sich mit seinem Taststock an der Kante entlang des U-Bahn-Aufzugs und des Gehweg zu orientieren. (Foto: job)

„Machen Sie Fotos!”

In Bayern ist es 2022 zu einem massiven Anstieg von Unfällen mit E-Scootern gekommen. Bis Ende Oktober registrierte die Polizei 1.097 Unfälle mit den „Elektrokleinstfahrzeugen”. Im Vorjahreszeitraum waren es erst 762 gewesen. Auch die Zahl der dabei Verletzten stieg von 663 auf 1.040. Noch gefährlicher sind die Roller, wenn sie auf Gehwegen zurückgelassen werden. Oft sind sie dort Hürden für Fußgänger, denen nicht jeder gut ausweichen kann.
26.11.2024 16:03 Uhr
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Dieser Scooter wurde am 14. Juni auf dem Leitstreifen der Bushaltestelle Robinienstraße als Stolperfalle für Sehbehinderte zurückgelassen. Lime versichert, dass dem Übeltäter eine Verwarngebühr berechnet wurde. Der bundeseinheitliche Bußgeldkatalog sieht für solche Fälle ein Verwarnungsgeld von 20 Euro vor. (Foto: job)
Dieser Scooter wurde am 14. Juni auf dem Leitstreifen der Bushaltestelle Robinienstraße als Stolperfalle für Sehbehinderte zurückgelassen. Lime versichert, dass dem Übeltäter eine Verwarngebühr berechnet wurde. Der bundeseinheitliche Bußgeldkatalog sieht für solche Fälle ein Verwarnungsgeld von 20 Euro vor. (Foto: job)

Wie gehen Stadt und Anbieter mit Bürger-Beschwerden und Scooter-Ärger um?

Das städt. Mobilitätsreferat verweist Bürger, die sich über rücksichtslos zurückgelassene E-Scooter beklagen, gerne auf die Selbstverpflichtungserklärung der Anbieter. Demnach sei ein Abstellfoto bei den Anbietern „obligatorisch”, also verpflichtend. Wir haben nachgehakt und dem Mobilitätsreferat ein Bild eines in der Robinienstraße auf dem Leitstreifen zurückgelassenen E-Scooters geschickt und wollten wissen, wie die Stadt tätig wird. Auch den Scooter-Anbieter Lime baten wir um Auskunft - und die Polizei.
18.06.2024 16:24 Uhr
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BBSB (Foto: BBSB)

„Die Situation ist unverändert sehr ernst”

„Die Situation ist unverändert sehr ernst”, meint Steffen Erzgraber mit Blick auf E-Scooter, die achtlos auf Gehwegen abgestellt werden. Auch wenn einzelne Städte Maßnahmen ergriffen haben, seien „flächendeckende Erleichterungen nicht zu spüren”, so der Landesgeschäftsführer des BBSB (Bayerischer Blinden- und Sehbehindertenbund e.V.). „Im Gegenteil erreichen uns mit besorgniserregender Häufigkeit Meldungen über Unfälle oder Fälle, in denen es nur durch glückliche Umstände nicht zu Personenschäden kam.”
06.02.2023 17:22 Uhr
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