Das Orchester spielt auf der Bühne und klingt genauso laut wie das raschelnde Bonbonpapier vom Sitznachbarn oder ein Husten im Zuschauerraum: Wer auf ein Hörgerät angewiesen ist, für den war bisher ein Veranstaltungsbesuch in der Germeringer Stadthalle nicht unbedingt ein Hörgenuss. Nach einem Probelauf sind diese Zeiten seit Anfang Januar vorbei: Für rund 20.000 Euro hat die Stadt den Orlando- und den Amadeussaal mit einer induktiven Höranlage ausgestattet. Audiosignale werden damit von der Bühne direkt über die Induktionsschleife übertragen. So können die Nebengeräusche ausgeblendet werden.
Christian Jonczyk, Technischer Leiter der Stadthalle, hat die Handhabung der modernen Anlage bereits ausgiebig getestet. Um sie nützen zu können, müssen sich die Besucher an der Garderobe einen Empfänger gegen 20 Euro Pfand und einer Leihgebühr von zwei Euro holen. An das Hörgerät wird er über Kopfhörer oder einer „Hals-Induktionsschleife“ zum Umhängen angeschlossen. Insgesamt 20 Empfänger stehen zur Verfügung.
Zur Präsentation der neuen Anlage war auch Hans Pichelmaier gekommen. Der Stadthallenreferent verspricht sich viel von der Induktionsschleife. Pichelmaier hat selbst ein Hörgerät und weiß um Beeinträchtigungen bei Veranstaltungen. Die Nebengeräusche würden zu stark verstärkt werden. Beim Testlauf gab es für Pichelmaier allerdings keine Verbesserung. „Der Hörgeräteakustiker muss die Funktion für induktive Höranlagen erst freischalten“, empfahl Anna Krott von der Selbsthilfegruppe Gilchinger Ohrmuschel. Die Technik könnte übrigens in den Geschäften der Hörgeräteakustiker vorab getestet werden. Dann muss man sich nicht erst am Anfang der Veranstaltung damit auseinandersetzen. Das Ganze sei aber bedienerfreundlich und könne auch ohne technischen Sachverstand oder dem Studium langer Gebrauchsanweisungen angewandt werden.
Anna Krott und Erika Malland-Eick (Germeringer Behindertenbeirat) hatten die Idee gehabt, eine induktive Höranlage für öffentliche Gebäude wie die Stadthalle anzuschaffen. Bei Oberbürgermeister Andreas Haas und dem Stadtrat war dies auf offene Ohren gestoßen. Bisher hat die Stadt bereits das Bürgerbüro, den Trauungssaal und seit kurzem den Sitzungssaal mit dieser Technik ausgestattet. „Wir werden als nächstes das Einwohnermelde- und das Passamt nachrüsten“, erklärte Haas. Dies sei eine Maßnahme der Inklusion, um Teilhabemöglichkeiten zu schaffen“. Jetzt müsse die neue Technik nur bekannt werden, „viele wissen gar nicht, dass es sie gibt“, bedauerte Krott. Dafür werde die Stadthalle noch einen Flyer kreieren, versprach Stadthallenleiterin Medea Schmitt.
Bei den kommenden Veranstaltungen hofft Jonczyk auf viel Feedback von Konzertbesuchern, die sich die Induktionsschleife ausgeliehen haben, um die Anlage optimal einzustellen. „Wer kein Hörgerät hat, kann das nicht beurteilen“, sagte er. Wichtig sei, dass zeitnah mitgeteilt werde, ob die Anlage zu laut oder zu leise eingestellt sei. „Am besten in der Pause, denn später kann man es schwer nachvollziehen“. Ansprechpartner seien die Mitarbeiter der Garderobe und der Veranstaltungsdienst der Stadthalle.