Wer im achten Stadtbezirk unterwegs ist, dem springt relativ schnell der Platz und das Gebäude an der Westendstraße 66 ins Auge: Der nur zweigeschossige, aber bunt bemalte Flachbau, dessen Türen zumindest im Sommer so gut wie immer weit offen stehen, und der für einen Ort mitten in der Stadt doch relativ imposante Vorplatz mit Sportanlage und biologischem Obst- und Gemüsegarten machen auf jeden Fall neugierig. Betritt man dann etwa an einem belebten Freitagnachmittag das Haus durch den Haupt- oder Seiteneingang, wird man von Kinderlachen und verlockenden Düften empfangen: Letzteres zieht aus der ebenfalls bunt gestalteten und mit gemütlichen Sitzgelegenheiten ausgestatteten Caféteria herüber, in der einige Kinder stehen und Essen zubereiten.
Im Gemeinschaftsraum wird derweil Tischtennis gespielt, in der Bibliothek suchen drei Mädchen nach noch unbekanntem Lesestoff. Einige Kinder und Jugendlichen nutzen die ersten warmen Sonnenstrahlen des Jahres, um draußen den Garten umzugraben oder in der Sonne zu sitzen. Alle Türen und Fenster des Gebäudes stehen weit offen, so dass Verständigungsrufe und Absprachen leicht von draußen nach drinnen dringen können und anders herum: Ein Ort zum Wohlfühlen, auch für eigentlich schon erwachsene Redakteurinnen.
Rund 60 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen acht und 18 Jahren besuchen durchschnittlich pro Tag das Multikulturelle Jugendzentrum (MKJZ) im Westend. Die städtische Kinder- und Jugendeinrichtung in der Trägerschaft des Kreisjugendring München-Stadt (KJR) besteht an diesem Standort bereits seit den sechziger Jahren und betreibt mit insgesamt vier hauptamtlichen Mitarbeitern die offene Kinder- und Jugendarbeit an insgesamt fünf Öffnungstagen pro Woche. Die Besucherinnen und Besucher stammen aus über 25 Kulturen, sind aber fast alle in München geboren und aufgewachsen, teilen dieselben Hobbys und Vorlieben für Spiel, Musik und anderes.
Während das MKJZ nachmittags bis 17 Uhr vorwiegend für Kinder im Alter von acht bis 13 Jahren geöffnet hat, sind abends die Jugendlichen im Alter von 14 bis 18 Jahren hauptsächliche Nutzer. Im MKJZ können sie Musik hören oder im hauseigenen Tonstudio selbst machen, als Barkeeper aktiv werden, Billard, Tischtennis, Kicker, Fußball und Darts spielen, die Computer nutzen, Brettspiele oder Tonarbeiten machen, Trampolin spielen, tanzen, kochen und vieles mehr.
Auf drei verschiedenen Säulen basiert die Arbeit im MKJZ hauptsächlich: Emanzipation und Partizipation, außerschulische Bildung und Kultur sowie Pädagogik der kulturellen Vielfalt. Dabei ist insbesondere die Teilhabe der Kinder und Jugendlichen an der Gestaltung des Alltags im MKJZ ein wesentlicher Bestandteil: Alljährlich wird deshalb auch im Februar in demokratischer, geheimer und freier Wahl ein Kinder- und Jugendrat bestimmt, der die Interessen der Nutzer dann umfassend in Entscheidungen einbringen kann. „Die Kinder und Jugendlichen gestalten bei uns zu 100 Prozent mit und bringen ihre Wünsche aktiv ein, aber sie helfen auch, den Alltag zu organisieren, indem etwa Hausregeln aufgestellt werden“, erklärt Einrichtungsleiter Ismail Sahin. „Wir Pädagogen geben an dieser Stelle etwas Macht ab und zeigen dadurch den Kinder und Jugendlichen, wie sehr wir sie und ihre Meinung respektieren.“
Neben der Partizipation spielt aber auch Thema Nachhaltigkeit in der täglichen Arbeit des MKJZ eine große Rolle: Seit etwa dreieinhalb Jahren gibt es im Hof des Jugendzentrums den biologischen Obst- und Gemüsegarten. „Momentan sind wir gerade dabei, den Garten nach dem Winter wieder herzurichten, also die Erde aufzulockern, neue Beete anzulegen und die ersten Samen auszusähen“, erklärt Sahin. Auch diesen Sommer sollen dort wieder Erdbeeren, Tomaten, Paprika und vieles mehr gedeihen. „Auf großes Interesse stößt der Garten auch bei unseren Nachbarn, die öfter vorbeikommen und schauen, was es Neues gibt, uns Fragen zu den Pflanzen stellen oder hilfreiche Tipps haben“, berichtet Sahin. So werde der Garten, der komplett ohne chemisches Düngemittel auskomme, auch zu einem Ort der interkulturellen und generationenübergreifenden Verständigung. „Außerdem lernen die Kinder, wo das Obst und Gemüse eigentlich herkommt, das sie oft nur in fertig gekochtem Zustand vom Abendessen kennen.“
Gefördert werden soll im MKJZ zudem auch die Selbstständigkeit der Kinder und Jugendlichen: „Bei uns im Haus ist eine Kultur entstanden, die darauf basiert, dass wir den Kindern Freiheiten geben, im Gegenzug aber auch ein gewisses Verantwortungsbewusstsein von ihnen einfordern“, so Sahin. Gut beobachten lässt sich dies unter anderem bei dem gemeinsamen Frühstück, das jeden Samstag ab 10.30 Uhr stattfindet. „Die Kids kommen nicht nur zum Essen hierher, sie organisieren die Mahlzeit auch. Es gibt verschiedene Teams, die für das Einkaufen, Aufdecken oder Abräumen zuständig sind“, erklärt Sahin.
Neben den verschiedenen Freizeitaktivitäten bietet das MKJZ aber auch Unterstützung in der schulischen Bildung an: Es gibt unter anderem Bildungspatenschaften, Hausaufgabenhilfen und Quali-Kurse. Für seine gute Arbeit wurde das MKJZ bereits mehrfach ausgezeichnet: So ist das Jugendzentrum etwa seit März 2009 eine von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) zertifizierte „Gut drauf“-Einrichtung und erhielt den Integrationspreis des Bayerischen Jugendrings (BJR). Der Kinder- und Jugendrat erhielt für den Bau des Tonstudios den Münchner Jugendpreis „ausgezeichnet!“, der Kinderkanal „KI.KA“ ernannte das MKJZ im Jahr 2008 gleich zweimal zu einem „Platz für Helden“.
Das Multikulturelle Jugendzentrum (Westendstraße 66a) hat dienstags von 14.30 bis 21 Uhr, mittwochs von 13.30 bis 21 Uhr, donnerstags von 13.30 bis 20.30 Uhr, freitags von 13 bis 21.30 Uhr und samstags von 12 bis 17.30 Uhr geöffnet. Weitere Informationen unter www.mkjz.de .