Veröffentlicht am 15.04.2008 00:00

„Genau beobachten“


Von SB

Wenn Schulkinder morgens gar nicht aus dem Bett kommen, wenn sie beim Anziehen und Frühstücken trödeln und sogar über Bauchweh, Kopfweh oder Übelkeit klagen, dann sollten Eltern dieses Verhalten ernst nehmen und den Ursachen auf den Grund gehen. „Oft steckt dahinter der Wunsch, nicht in die Schule gehen zu müssen“, weiß die Leiterin der Abteilung Berufswissenschaften im Bayerischen Lehrer- und Lehrerinnenverband (BLLV), Simone Fleischmann. „Gründe für Schulunlust gibt es viele, in Extremfällen kann sie dazu führen, dass Kinder den Schulbesuch komplett verweigern oder krank werden.“

Ein häufiger Grund für Schulunlust ist Ärger mit den Freunden. „Wer spürt, dass er seine bisherige Rolle im Klassenverband verloren hat, fühlt sich isoliert und von den Mitschülern ausgeschlossen. Die Angst, nicht mehr dazu zu gehören, kann so groß werden, dass das betroffene Kind versucht, die Schule zu meiden“, erklärt Fleischmann. Auch Konflikte mit der Lehrkraft können zum ernsthaften Problem werden: „Kinder, die spüren, dass die Beziehung zur Lehrerin oder zum Lehrer angespannt ist, gehen mit einem unguten Gefühl in die Klasse. Der Verlust der früher guten Beziehung kann einem Kind schwer zu schaffen machen und schließlich dazu führen, dass es gar nicht mehr in die Schule gehen möchte.“

„Übertrittsdruck und hohe Leistungserwartung”

Auch die Angst zu versagen spielt eine große Rolle: „Wer „schlechte Noten“ geschrieben hat, ist demotiviert und baut Ängste auf. Das führt häufig dazu, dass Kinder erneute Leistungssituationen vermeiden wollen.“ Schüler/innen, die in einem Fach Lücken haben, fühlen sich schnell überfordert - auch das kann Schulunlust auslösen. Fleischmann: „Vor allem Grundschulkinder leiden unter dem Übertrittsdruck und den hohen Leistungserwartungen, die auf ihnen lasten. Viele reagieren mit Ängsten, Depressionen oder - in den Anfängen - mit ein oder zwei Tagen, die sie nicht in die Schule gehen können oder wollen.“

Die Ursachen können aber auch im Elternhaus liegen: Manche Kinder wollen nur deswegen nicht in die Schule gehen, weil sie ein kleines Geschwisterchen bekommen haben und die Mutter den ganzen Vormittag nur für dieses da ist. Das Schulkind fühlt sich „abgeschoben“ und sehnt sich nach der Nähe zur Mutter. Was können Eltern also tun? „Sie sollten herausfinden, was hinter der Haltung ihres Kindes steckt“, rät Fleischmann. „Der erste Weg sollte zum Klassenlehrer oder zur Klassenlehrerin führen. In einem offenen Gespräch kann geklärt werden, wie er oder sie diese Probleme einschätzt. „Eltern sollten sich nicht scheuen, alle Fragen zu stellen, die ihnen durch den Kopf gehen, um gemeinsam mit dem Lehrer heraus zu bekommen, welche Ursachen das Verweigerungsverhalten hat.“

„Professionelle Hilfe in Anspruch nehmen”

„Genau beobachten“ - so lautet ein weiterer Rat der BLLV-Expertin. Wann will das Kind nicht zur Schule? Welche Faktoren könnten an diesem Tag eine Rolle spielen? Steht eine Probe an? Gab es Hinweise auf starke Belastungen? Wie gut schläft das Kind? Welche Gespräche fängt es von sich aus an? Wie sind die Kontakte zu den Freunden? „Wenn Eltern den Eindruck haben, dass ihr Kind mit einer Situation überfordert ist und die Schulunlust bereits länger anhält, sollten sie professionelle Hilfe in Anspruch nehmen und den Schulpsychologen, den Kinderarzt oder einen Kinder- und Jugendpsychiater aufsuchen. Die Untersuchungsergebnisse sollten mit dem Lehrer/der Lehrerin ausgetauscht werden - Eltern und Schule sollten intensiv zusammenarbeiten. Die Chancen, dass das Kind wieder gerne zur Schule geht, stehen dann sehr gut.“

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