Johann Baier kennt jeden Stein in Haidhausen

Haidhausen · Dorf-Geschichten

Die letzte Führung von Johann Baier führte die Teilnehmer vor den Glaspalastbrunnen am Weißenburger Platz.	Foto: Privat

Die letzte Führung von Johann Baier führte die Teilnehmer vor den Glaspalastbrunnen am Weißenburger Platz. Foto: Privat

Haidhausen · Das Leben vor der Haustüre ist mindestens so spannend wie die große weite Welt. Davon ist Johann Baier felsenfest überzeugt. Der 73-Jährige weiß, wovon er spricht. Als junger Mann erkundete er Afrika und Asien, seit über 30 Jahre gilt seine ungebrochene Entdeckerlust seiner Heimatstadt München im Allgemeinen und »seinem« Stadtviertel im Besonderen.

Der Vorsitzende der »Freunde Haidhausens, Verein für Haidhausen e. V.« kennt jeden Stein und jedes Eck auf dem Gebiet des alten Dorfes, das 1854 zu einem Stadtteil Münchens wurde. Und der pensionierte Gymnasiallehrer lässt alle Interessierten gerne an seinem profundem Wissen teilhaben: durch wöchentliche Führungen durch Haidhausen und die benachbarten Stadtviertel und vor allem durch anschauliche Ausstellungen im Domizil der »Freunde Haidhausens«, dem Üblacker-Häusl in der Preysingstraße. Vor wenigen Tagen wurde die 315. in 30 Jahren eröffnet. Sie heißt: »Haidhausen – von den Lehmfeldern bis zur Isar, von der Kiesgrube bis zur Kellerstadt« und zeigt bis zum 13. Juni den Stadtteil im Spiegel von Fotos, Grafiken, Plänen und Texten.

Mehr als 20 Teilnehmer haben sich, die Mantelkrägen hochgeschlagen, an diesem kalten Maisonntag am Eingang der Weißenburger Straße eingefunden, um mit Johann Baier durch das Franzosenviertel zu schlendern. Dabei muss man mehr von einem Spazieren-Stehen als von -Gehen sprechen. Denn der Stadtführer hat so viel über die Straßen, Gebäude, Plätze des Viertels zu erzählen, dass sich die Gruppe kaum fortbewegt. Das Gesagte illustriert er noch mit Abbildungen historischer Dokumente. Er hat sie in einem dicken Aktenordner gesammelt, den er immer wieder in die Höhe hält. Viele der Wissbegierigen kennt er schon lange, spricht sie mit Namen an, andere sind zum ersten Mal bei seiner Stadtteil-Führung dabei, die meisten, weil sie als Bewohner der weitgehend denkmalgeschützten Straßenzüge mehr über ihre alte oder neue Heimat erfahren möchten.

Ihnen allen kann man einen Besuch des Üblacker-Häusls in der Preysingstraße, Ecke Wolfgangstraße, wärmstens empfehlen. Das rund 200 Jahre alte, einstöckige Herbergsanwesen ist eine architektonische Rarität und erzählt die Geschichte der einstigen Bewohner, die hier am Rande einer kleinen, ehemaligen Kiesgrube als Taglöhner ihr Leben fristeten. Rund 150 solcher Holz- oder Steinhäuser gab es einst in Haidhausen, die meisten wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört oder mussten zwischen 1890 und 1960 hohen Mietshäusern weichen.

Das Üblacker-Häusl entging diesem Schicksal nur knapp. 1966 kaufte die Stadt München das kleine, feuchte Anwesen als Abbruch-Objekt. Es wurde nach dem Tod des letzten Mieters im Jahr 1974 dann auch für unbewohnbar erklärt und für die Spitzhacke freigegeben. Aber der Bezirksausschuss forderte erfolgreich die Sanierung der maroden Bausubstanz. Für die stattliche Summe von umgerechnet 580.000 Euro wurde das Herbergshäusl wieder bewohnbar gemacht und im Juli 1980 dem drei Jahre zuvor gegründeten Haidhausen-Verein als Domizil übergeben. In den beiden kleinen Museumsräumen, einst Wohn- und Schlafzimmer der Tagelöhner-Familie, fanden seither 315 Ausstellungen zur Stadtteil-Geschichte oder von Werken ortsansässiger Künstler statt. Dazu kommen Lesungen, Vorträge und musikalische Veranstaltungen wie der von Baier moderierte Hoagarten.

Der pensionierte Geografie- und Wirtschaftskundelehrer, wahrlich ein wandelndes Lexikon der Stadtgeschichte, sucht seit 1978 mit Akribie und Sammlerfleiß Material zur Geschichte des ehemaligen Dorfes zusammen. Viele Ausstellungen und Bücher konnte er damit bereits bestücken. Sie dienen ihm auch zur Untermalung seiner Stadtteilführungen, bei denen er seit fünf Jahren Schulkindern wie Erwachsenen jeden Alters ihre Heimat und unmittelbare Umgebung näher bringt. »Ich möchte, dass die Besucher und Mitwanderer mit offenen Augen ihre Umgebung beobachten, Zusammenhänge und Entwicklungen entdecken und verstehen«, sagt Baier. »Dabei hat bei mir die Neugier, die Freude am eigenen Dazulernen nie aufgehört.«

Das Üblacker-Häusl ist mittwochs und donnerstags von 17 bis 19 Uhr sowie freitags und sonntags von 10 bis 12 Uhr oder nach Vereinbarung geöffnet. Weitere Informationen bei Johann Baier unter Telefon 0 89 / 4 80 20 61, oder unter www.freunde-haidhausens.de. Dort findet man auch die Termine der nächsten Stadtteilführungen.

Claudia Schmohl

Artikel vom 25.05.2010
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